tief, daß sie ihn so wenig verstehe, daß sie ihm so sehr zuvorkomme. Er war nicht wenig stolz darauf, daß ihn das beleidigte und doch reizte es ihn unwiderstehlich, wenn er dachte, er dürfe nur schnell seyn und die günstige Gelegenheit ergrei- fen, um ohne Hinderniß ans Ziel zu gelangen. Er machte sich schon bittre Vorwürfe über seine Langsam- keit, als er plötzlich Verdacht schöpfte, ihr Zuvorkommen sey nur Täuschung, sie meine es auch mit ihm nicht ehr- lich; und da ein Freund ihn vollends aufklärte, konnte ihm kein Zweifel bleiben. Er sah, daß man ihn lä- cherlich finde und mußte sich gestehn, daß es ganz in der Ordnung sey. Darüber gerieth er etwas in Wuth
tief, daß ſie ihn ſo wenig verſtehe, daß ſie ihm ſo ſehr zuvorkomme. Er war nicht wenig ſtolz darauf, daß ihn das beleidigte und doch reizte es ihn unwiderſtehlich, wenn er dachte, er dürfe nur ſchnell ſeyn und die günſtige Gelegenheit ergrei- fen, um ohne Hinderniß ans Ziel zu gelangen. Er machte ſich ſchon bittre Vorwürfe über ſeine Langſam- keit, als er plötzlich Verdacht ſchöpfte, ihr Zuvorkommen ſey nur Täuſchung, ſie meine es auch mit ihm nicht ehr- lich; und da ein Freund ihn vollends aufklärte, konnte ihm kein Zweifel bleiben. Er ſah, daß man ihn lä- cherlich finde und mußte ſich geſtehn, daß es ganz in der Ordnung ſey. Darüber gerieth er etwas in Wuth
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0145"n="140"/>
tief, daß ſie ihn ſo wenig verſtehe,<lb/>
daß ſie ihm ſo ſehr zuvorkomme. Er<lb/>
war nicht wenig ſtolz darauf, daß<lb/>
ihn das beleidigte und doch reizte<lb/>
es ihn unwiderſtehlich, wenn er<lb/>
dachte, er dürfe nur ſchnell ſeyn<lb/>
und die günſtige Gelegenheit ergrei-<lb/>
fen, um ohne Hinderniß ans Ziel<lb/>
zu gelangen. Er machte ſich ſchon<lb/>
bittre Vorwürfe über ſeine Langſam-<lb/>
keit, als er plötzlich Verdacht ſchöpfte,<lb/>
ihr Zuvorkommen ſey nur Täuſchung,<lb/>ſie meine es auch mit ihm nicht ehr-<lb/>
lich; und da ein Freund ihn vollends<lb/>
aufklärte, konnte ihm kein Zweifel<lb/>
bleiben. Er ſah, daß man ihn lä-<lb/>
cherlich finde und mußte ſich geſtehn,<lb/>
daß es ganz in der Ordnung ſey.<lb/>
Darüber gerieth er etwas in Wuth<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[140/0145]
tief, daß ſie ihn ſo wenig verſtehe,
daß ſie ihm ſo ſehr zuvorkomme. Er
war nicht wenig ſtolz darauf, daß
ihn das beleidigte und doch reizte
es ihn unwiderſtehlich, wenn er
dachte, er dürfe nur ſchnell ſeyn
und die günſtige Gelegenheit ergrei-
fen, um ohne Hinderniß ans Ziel
zu gelangen. Er machte ſich ſchon
bittre Vorwürfe über ſeine Langſam-
keit, als er plötzlich Verdacht ſchöpfte,
ihr Zuvorkommen ſey nur Täuſchung,
ſie meine es auch mit ihm nicht ehr-
lich; und da ein Freund ihn vollends
aufklärte, konnte ihm kein Zweifel
bleiben. Er ſah, daß man ihn lä-
cherlich finde und mußte ſich geſtehn,
daß es ganz in der Ordnung ſey.
Darüber gerieth er etwas in Wuth
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/145>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.