ein reizender Gegensatz für den hohen Leichtsinn unsrer Ehe. Warum soll- ten wir nicht die herbeste Laune des Zufalls für schönen Witz und aus- gelassene Willkühr nehmen, da wir unsterblich sind wie die Liebe? Ich kann nicht mehr sagen, meine Liebe oder deine Liebe; beyde sind sich gleich und vollkommen Eins, so viel Liebe als Gegenliebe. Es ist Ehe, ewige Einheit und Verbindung un- srer Geister, nicht bloß für das was wir diese oder jene Welt nennen, sondern für die eine wahre, untheil- bare, namenlose, unendliche Welt, für unser ganzes ewiges Seyn und Leben. Darum würde ich auch, wenn es mir Zeit schiene, eben so froh und eben so leicht eine Tasse
ein reizender Gegenſatz für den hohen Leichtſinn unſrer Ehe. Warum ſoll- ten wir nicht die herbeſte Laune des Zufalls für ſchönen Witz und aus- gelaſſene Willkühr nehmen, da wir unſterblich ſind wie die Liebe? Ich kann nicht mehr ſagen, meine Liebe oder deine Liebe; beyde ſind ſich gleich und vollkommen Eins, ſo viel Liebe als Gegenliebe. Es iſt Ehe, ewige Einheit und Verbindung un- ſrer Geiſter, nicht bloß für das was wir dieſe oder jene Welt nennen, ſondern für die eine wahre, untheil- bare, namenloſe, unendliche Welt, für unſer ganzes ewiges Seyn und Leben. Darum würde ich auch, wenn es mir Zeit ſchiene, eben ſo froh und eben ſo leicht eine Taſſe
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ein reizender Gegenſatz für den hohen
Leichtſinn unſrer Ehe. Warum ſoll-
ten wir nicht die herbeſte Laune des
Zufalls für ſchönen Witz und aus-
gelaſſene Willkühr nehmen, da wir
unſterblich ſind wie die Liebe? Ich
kann nicht mehr ſagen, meine Liebe
oder deine Liebe; beyde ſind ſich
gleich und vollkommen Eins, ſo viel
Liebe als Gegenliebe. Es iſt Ehe,
ewige Einheit und Verbindung un-
ſrer Geiſter, nicht bloß für das was
wir dieſe oder jene Welt nennen,
ſondern für die eine wahre, untheil-
bare, namenloſe, unendliche Welt,
für unſer ganzes ewiges Seyn und
Leben. Darum würde ich auch,
wenn es mir Zeit ſchiene, eben ſo
froh und eben ſo leicht eine Taſſe
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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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