Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Dort wird dann vielleicht die
Sehnsucht voller befriedigt. Ich bin
oft darüber erstaunt: jeder Gedan-
ke und was sonst gebildet in uns
ist, scheint in sich selbst vollendet,
einzeln und untheilbar wie eine Per-
son; eines verdrängt das andre, und
was eben ganz nah und gegenwär-
tig war, sinkt bald in Dunkel zu-
rück. Und dann giebt es doch wie-
der Augenblicke plötzlicher, allgemei-
ner Klarheit, wo mehrere solche Gei-
ster der innern Welt durch wunder-
bare
Vermählung völlig in Eins
verschmelzen, und manches schon ver-
gessene Stück unsers Ich in neuem
Lichte strahlt und auch die Nacht
der Zukunft mit seinem hellen Scheine
öffnet. Wie im Kleinen so, glaube

Dort wird dann vielleicht die
Sehnſucht voller befriedigt. Ich bin
oft darüber erſtaunt: jeder Gedan-
ke und was ſonſt gebildet in uns
iſt, ſcheint in ſich ſelbſt vollendet,
einzeln und untheilbar wie eine Per-
ſon; eines verdrängt das andre, und
was eben ganz nah und gegenwär-
tig war, ſinkt bald in Dunkel zu-
rück. Und dann giebt es doch wie-
der Augenblicke plötzlicher, allgemei-
ner Klarheit, wo mehrere ſolche Gei-
ſter der innern Welt durch wunder-
bare
Vermählung völlig in Eins
verſchmelzen, und manches ſchon ver-
geſſene Stück unſers Ich in neuem
Lichte ſtrahlt und auch die Nacht
der Zukunft mit ſeinem hellen Scheine
öffnet. Wie im Kleinen ſo, glaube

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0029" n="24"/>
            <p>Dort wird dann vielleicht die<lb/>
Sehn&#x017F;ucht voller befriedigt. Ich bin<lb/>
oft darüber er&#x017F;taunt: jeder Gedan-<lb/>
ke und was &#x017F;on&#x017F;t gebildet in uns<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;cheint in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vollendet,<lb/>
einzeln und untheilbar wie eine Per-<lb/>
&#x017F;on; eines verdrängt das andre, und<lb/>
was eben ganz nah und gegenwär-<lb/>
tig war, &#x017F;inkt bald in Dunkel zu-<lb/>
rück. Und dann giebt es doch wie-<lb/>
der Augenblicke plötzlicher, allgemei-<lb/>
ner Klarheit, wo mehrere &#x017F;olche Gei-<lb/>
&#x017F;ter der innern Welt durch <choice><sic>wuuder-<lb/>
bare</sic><corr>wunder-<lb/>
bare</corr></choice> Vermählung völlig in Eins<lb/>
ver&#x017F;chmelzen, und manches &#x017F;chon ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;ene Stück un&#x017F;ers Ich in neuem<lb/>
Lichte &#x017F;trahlt und auch die Nacht<lb/>
der Zukunft mit &#x017F;einem hellen Scheine<lb/>
öffnet. Wie im Kleinen &#x017F;o, glaube<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0029] Dort wird dann vielleicht die Sehnſucht voller befriedigt. Ich bin oft darüber erſtaunt: jeder Gedan- ke und was ſonſt gebildet in uns iſt, ſcheint in ſich ſelbſt vollendet, einzeln und untheilbar wie eine Per- ſon; eines verdrängt das andre, und was eben ganz nah und gegenwär- tig war, ſinkt bald in Dunkel zu- rück. Und dann giebt es doch wie- der Augenblicke plötzlicher, allgemei- ner Klarheit, wo mehrere ſolche Gei- ſter der innern Welt durch wunder- bare Vermählung völlig in Eins verſchmelzen, und manches ſchon ver- geſſene Stück unſers Ich in neuem Lichte ſtrahlt und auch die Nacht der Zukunft mit ſeinem hellen Scheine öffnet. Wie im Kleinen ſo, glaube

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/29
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/29>, abgerufen am 21.11.2024.