Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Jüngling, der zuvor so schnell
war, lag nun ganz ruhig am Ab-
hange und sonnte sich in den letzten
Strahlen; dann sprang er auf, ent-
kleidete sich, stürzte in den Strom
und spielte mit den Wellen, tauchte
unter, kam wieder hervor und warf
sich von neuem in die Fluth. Fern-
ab im Dunkel des Hains schwebte
etwas in Griechischem Gewande wie
eine Gestalt: aber wenn es eine ist,
dachte ich, so kann sie kaum der
Erde angehören; so matt waren die
Farben, so eingehüllt das Ganze in
heiligen Nebel. Da ich länger und
genauer hinsah, zeigte sich's, daß
es auch ein Jüngling sey, aber von
ganz entgegengesetzter Art. Haupt
und Arme lehnte die hohe Gestalt

Der Jüngling, der zuvor ſo ſchnell
war, lag nun ganz ruhig am Ab-
hange und ſonnte ſich in den letzten
Strahlen; dann ſprang er auf, ent-
kleidete ſich, ſtürzte in den Strom
und ſpielte mit den Wellen, tauchte
unter, kam wieder hervor und warf
ſich von neuem in die Fluth. Fern-
ab im Dunkel des Hains ſchwebte
etwas in Griechiſchem Gewande wie
eine Geſtalt: aber wenn es eine iſt,
dachte ich, ſo kann ſie kaum der
Erde angehören; ſo matt waren die
Farben, ſo eingehüllt das Ganze in
heiligen Nebel. Da ich länger und
genauer hinſah, zeigte ſich's, daß
es auch ein Jüngling ſey, aber von
ganz entgegengeſetzter Art. Haupt
und Arme lehnte die hohe Geſtalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0049" n="44"/>
Der Jüngling, der zuvor &#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
war, lag nun ganz ruhig am Ab-<lb/>
hange und &#x017F;onnte &#x017F;ich in den letzten<lb/>
Strahlen; dann &#x017F;prang er auf, ent-<lb/>
kleidete &#x017F;ich, &#x017F;türzte in den Strom<lb/>
und &#x017F;pielte mit den Wellen, tauchte<lb/>
unter, kam wieder hervor und warf<lb/>
&#x017F;ich von neuem in die Fluth. Fern-<lb/>
ab im Dunkel des Hains &#x017F;chwebte<lb/>
etwas in Griechi&#x017F;chem Gewande wie<lb/>
eine Ge&#x017F;talt: aber wenn es eine i&#x017F;t,<lb/>
dachte ich, &#x017F;o kann &#x017F;ie kaum der<lb/>
Erde angehören; &#x017F;o matt waren die<lb/>
Farben, &#x017F;o eingehüllt das Ganze in<lb/>
heiligen Nebel. Da ich länger und<lb/>
genauer hin&#x017F;ah, zeigte &#x017F;ich's, daß<lb/>
es auch ein Jüngling &#x017F;ey, aber von<lb/>
ganz entgegenge&#x017F;etzter Art. Haupt<lb/>
und Arme lehnte die hohe Ge&#x017F;talt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0049] Der Jüngling, der zuvor ſo ſchnell war, lag nun ganz ruhig am Ab- hange und ſonnte ſich in den letzten Strahlen; dann ſprang er auf, ent- kleidete ſich, ſtürzte in den Strom und ſpielte mit den Wellen, tauchte unter, kam wieder hervor und warf ſich von neuem in die Fluth. Fern- ab im Dunkel des Hains ſchwebte etwas in Griechiſchem Gewande wie eine Geſtalt: aber wenn es eine iſt, dachte ich, ſo kann ſie kaum der Erde angehören; ſo matt waren die Farben, ſo eingehüllt das Ganze in heiligen Nebel. Da ich länger und genauer hinſah, zeigte ſich's, daß es auch ein Jüngling ſey, aber von ganz entgegengeſetzter Art. Haupt und Arme lehnte die hohe Geſtalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Darüber hinaus sind keine weiteren Teile erschien… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/49
Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/49>, abgerufen am 24.11.2024.