haben, und jeden Genuß mit Reue erkaufen, bis zur bittern Gefühllo- sigkeit gegen innere Misbilligung. Das ist ja die Geschichte so vieler. Erst scheuen sie die Männer, dann werden sie Unwürdigen hingegeben, welche sie bald hassen oder betrügen, bis sie sich selbst und die weibliche Bestimmung verachten. Ihre kleine Erfahrung halten sie für allgemein und alles andre für lächerlich; der enge Kreis von Rohheit und Gemein- heit, in dem sie sich beständig drehen, ist für sie die ganze Welt, und es fällt ihnen gar nicht ein, daß es auch noch andre Welten geben könne. Für diese sind die Männer nicht Men- schen, sondern bloß Männer, eine eigne Gattung, die fatal aber doch
haben, und jeden Genuß mit Reue erkaufen, bis zur bittern Gefühllo- ſigkeit gegen innere Misbilligung. Das iſt ja die Geſchichte ſo vieler. Erſt ſcheuen ſie die Männer, dann werden ſie Unwürdigen hingegeben, welche ſie bald haſſen oder betrügen, bis ſie ſich ſelbſt und die weibliche Beſtimmung verachten. Ihre kleine Erfahrung halten ſie für allgemein und alles andre für lächerlich; der enge Kreis von Rohheit und Gemein- heit, in dem ſie ſich beſtändig drehen, iſt für ſie die ganze Welt, und es fällt ihnen gar nicht ein, daß es auch noch andre Welten geben könne. Für dieſe ſind die Männer nicht Men- ſchen, ſondern bloß Männer, eine eigne Gattung, die fatal aber doch
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haben, und jeden Genuß mit Reue
erkaufen, bis zur bittern Gefühllo-
ſigkeit gegen innere Misbilligung.
Das iſt ja die Geſchichte ſo vieler.
Erſt ſcheuen ſie die Männer, dann
werden ſie Unwürdigen hingegeben,
welche ſie bald haſſen oder betrügen,
bis ſie ſich ſelbſt und die weibliche
Beſtimmung verachten. Ihre kleine
Erfahrung halten ſie für allgemein
und alles andre für lächerlich; der
enge Kreis von Rohheit und Gemein-
heit, in dem ſie ſich beſtändig drehen,
iſt für ſie die ganze Welt, und es
fällt ihnen gar nicht ein, daß es auch
noch andre Welten geben könne. Für
dieſe ſind die Männer nicht Men-
ſchen, ſondern bloß Männer, eine
eigne Gattung, die fatal aber doch
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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/73>, abgerufen am 22.11.2024.
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