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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862.

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Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Altirisch, Altbulg.
§. 209.

Im lateinischen mischen sich die formen der ab geleiteten
und der stamverba vilfach. Nicht selten nemen stamverba im
praesens die form ab geleiteter an; hierher sind wol fälle zu
zälen wie venei-mus neben ven-i und ven-tum, re-perei-mus neben
re-(pe)per-i, re-per-tum. Die verba auf eo haben dagegen regel-
mäßig im nichtpraesensstamme verlust des ableitungselementes,
so daß hier die stamverba, welche das e (= aja) nur im praesens
an nemen (wie z. b. sed-emus neben sed-i, sessum = *sed-tu-m; vid-
e-mus
neben veid-i, veisum auß *vid-tu-m, §. 157, 1, b) von den
ab geleiteten, welche es verlieren, nicht zu unterscheiden sind.

Dise ab geleiteten verbalstämme können (um in inchoativer
beziehung zu fungieren), ir praesens auch mittels ska (s. unten
bei der lere von der praesensstambildung) bilden, z. b. in-vetera-
sci-t
, stamm vetera = vetesa von stamm veter in vetus, veter-is;
flave-sci-t,
vgl. flave-t von flavo-s; ob-dormi-sci-t, vgl. ob-dormei-vi,
ob-dormei-tu-m u. s. f.

Altirisch. Warscheinlich besaß das keltische die selben,
durch die vocalfärbung geschidenen drei formen der ursprüngl.
mittels a-ja ab geleiteten verba, wie das altitalische; die ab
geschliffene lautform des altirischen legt jedoch der sonderung
der a-, e- und ei-formen bis jezt unübersteigliche hindernisse in
den weg*).

Altbulgarisch. Wie im lateinischen, so finden sich auch
hier dreierlei verba, denen auf ursprünglich a-ja entsprechend.

1. Verba mit a (älter wol a), z. b. dela-je-ti (facit) von
delo (opus); die nichtpraesensformen diser verba ziehen stäts
das ursprüngliche a-ja in a zusammen, also z. b. 1. sg. aoristi
compos. dela-chu, grundf. *delaja-sam; gotova-je-ti (parat) von
gotovu (paratus) u. s. f. Häufig bilden sich derartige verba von
verbalstämmen (um durative function auß zu drücken), z. b.

*) Vgl. Lottner, die altirischen verbalclassen in Beitr. II, 322 flg.,
und Stokes, Bemerkungen über das altirische verbum, Beitr. III, 47 flg.
Beide weichen in iren ansichten völlig von einander ab; ich selbst habe
mich seit jaren vergeblich bemüht, mir licht in disem puncte zu ver-
schaffen.
Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Altirisch, Altbulg.
§. 209.

Im lateinischen mischen sich die formen der ab geleiteten
und der stamverba vilfach. Nicht selten nemen stamverba im
praesens die form ab geleiteter an; hierher sind wol fälle zu
zälen wie venî-mus neben vên-i und ven-tum, re-perî-mus neben
re-(pe)per-i, re-per-tum. Die verba auf eo haben dagegen regel-
mäßig im nichtpraesensstamme verlust des ableitungselementes,
so daß hier die stamverba, welche das ê (= aja) nur im praesens
an nemen (wie z. b. sed-êmus neben sêd-i, sessum = *sĕd-tu-m; vid-
ê-mus
neben vîd-i, vîsum auß *vĭd-tu-m, §. 157, 1, b) von den
ab geleiteten, welche es verlieren, nicht zu unterscheiden sind.

Dise ab geleiteten verbalstämme können (um in inchoativer
beziehung zu fungieren), ir praesens auch mittels ska (s. unten
bei der lere von der praesensstambildung) bilden, z. b. in-vetera-
sci-t
, stamm veterâ = vetesâ von stamm veter in vetus, veter-is;
flave-sci-t,
vgl. flave-t von flavo-s; ob-dormi-sci-t, vgl. ob-dormî-vi,
ob-dormî-tu-m u. s. f.

Altirisch. Warscheinlich besaß das keltische die selben,
durch die vocalfärbung geschidenen drei formen der ursprüngl.
mittels a-ja ab geleiteten verba, wie das altitalische; die ab
geschliffene lautform des altirischen legt jedoch der sonderung
der â-, ê- und î-formen bis jezt unübersteigliche hindernisse in
den weg*).

Altbulgarisch. Wie im lateinischen, so finden sich auch
hier dreierlei verba, denen auf ursprünglich a-ja entsprechend.

1. Verba mit a (älter wol â), z. b. děla-je-tĭ (facit) von
dělo (opus); die nichtpraesensformen diser verba ziehen stäts
das ursprüngliche a-ja in a zusammen, also z. b. 1. sg. aoristi
compos. děla-chŭ, grundf. *delaja-sam; gotova-je-tĭ (parat) von
gotovŭ (paratus) u. s. f. Häufig bilden sich derartige verba von
verbalstämmen (um durative function auß zu drücken), z. b.

*) Vgl. Lottner, die altirischen verbalclassen in Beitr. II, 322 flg.,
und Stokes, Bemerkungen über das altirische verbum, Beitr. III, 47 flg.
Beide weichen in iren ansichten völlig von einander ab; ich selbst habe
mich seit jaren vergeblich bemüht, mir licht in disem puncte zu ver-
schaffen.
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[300/0026] Verbalstämme auf ursprünglich ja (a-ja). Altirisch, Altbulg. Im lateinischen mischen sich die formen der ab geleiteten und der stamverba vilfach. Nicht selten nemen stamverba im praesens die form ab geleiteter an; hierher sind wol fälle zu zälen wie venî-mus neben vên-i und ven-tum, re-perî-mus neben re-(pe)per-i, re-per-tum. Die verba auf eo haben dagegen regel- mäßig im nichtpraesensstamme verlust des ableitungselementes, so daß hier die stamverba, welche das ê (= aja) nur im praesens an nemen (wie z. b. sed-êmus neben sêd-i, sessum = *sĕd-tu-m; vid- ê-mus neben vîd-i, vîsum auß *vĭd-tu-m, §. 157, 1, b) von den ab geleiteten, welche es verlieren, nicht zu unterscheiden sind. Dise ab geleiteten verbalstämme können (um in inchoativer beziehung zu fungieren), ir praesens auch mittels ska (s. unten bei der lere von der praesensstambildung) bilden, z. b. in-vetera- sci-t, stamm veterâ = vetesâ von stamm veter in vetus, veter-is; flave-sci-t, vgl. flave-t von flavo-s; ob-dormi-sci-t, vgl. ob-dormî-vi, ob-dormî-tu-m u. s. f. Altirisch. Warscheinlich besaß das keltische die selben, durch die vocalfärbung geschidenen drei formen der ursprüngl. mittels a-ja ab geleiteten verba, wie das altitalische; die ab geschliffene lautform des altirischen legt jedoch der sonderung der â-, ê- und î-formen bis jezt unübersteigliche hindernisse in den weg *). Altbulgarisch. Wie im lateinischen, so finden sich auch hier dreierlei verba, denen auf ursprünglich a-ja entsprechend. 1. Verba mit a (älter wol â), z. b. děla-je-tĭ (facit) von dělo (opus); die nichtpraesensformen diser verba ziehen stäts das ursprüngliche a-ja in a zusammen, also z. b. 1. sg. aoristi compos. děla-chŭ, grundf. *delaja-sam; gotova-je-tĭ (parat) von gotovŭ (paratus) u. s. f. Häufig bilden sich derartige verba von verbalstämmen (um durative function auß zu drücken), z. b. *) Vgl. Lottner, die altirischen verbalclassen in Beitr. II, 322 flg., und Stokes, Bemerkungen über das altirische verbum, Beitr. III, 47 flg. Beide weichen in iren ansichten völlig von einander ab; ich selbst habe mich seit jaren vergeblich bemüht, mir licht in disem puncte zu ver- schaffen.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 2. Weimar, 1862, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische02_1862/26>, abgerufen am 21.11.2024.