Die Folge davon ist, daß die in solchem Boden gebaute Kartoffel gezwungen wird, immer im Verhältnisse zu den alcalischen Salzen eine größere Menge phosphorsaurer Salze aufzunehmen, als sie ih- rer Natur nach bedarf, und in Folge dessen bildet sich auch in ihr eine größere Menge von stickstoffhaltigen Bestandtheilen, von Eiweiß, als sie in ihrem normalen Zustande enthalten sollte. Diese letzteren aber müssen unausbleiblich die Bestandtheile der stets sehr wasserrei- chen Kartoffel zu Zersetzungsprocessen geneigt machen, die dann un- ter den verschiedensten Formen auftreten und bald, wie bei der früher schon beobachteten Trockenfäule (dry rot der Engländer), vorzugs- weise das Stärkemehl, bald, wie bei der vorjährigen nassen Fäule, vorzugsweise den Zellstoff selbst angreifen. Daß eine solche Anlage augenblicklich sich als verderbliche Krankheit zeigen wird, wenn äu- ßere Einflüsse, besonders ungünstige Witterungsverhältnisse, hinzu- kommen, ist sehr begreiflich, so wie es sich auch von selbst versteht, daß, wenn die schädlichen Einflüsse, welche die Krankheitsanlage er- zeugten, fortdauern, die Ausartung der Kartoffel und ihre Geneigt- heit zu Krankheiten sich immer mehr steigern muß. In solchem Falle bietet uns nun jene Theorie von Liebig und Boussingault abermals einen sichern Anhaltepunct zur Vermeidung des Uebels. Eine sorg- fältigere Beachtung der unorganischen Substanzen läßt uns bald das Gesetz finden, daß es nicht allein darauf ankommt, daß die einzelnen Stoffe überhaupt in genügender Menge im Boden vorhanden sind, sondern, daß sie auch zu einander in richtigem Verhältnisse stehen; daß die Berücksichtigung dieses Verhältnisses am wichtigsten wird für die Pflanzen, welche ihrer Natur nach geneigt sind, Abarten zu bilden, und am meisten für diejenigen Pflanzen, deren chemische Zu- sammensetzung am wenigsten eine Veränderung ihrer Bestandtheile ohne wesentliche Nachtheile erträgt. Alles dieses trifft aber vorzugs- weise die Kartoffel, am wenigsten aber unsre Kornarten, Roggen und Weizen. Vergleichen wir nun die Aschenbestandtheile dieser letzteren mit dem Gehalte eines frisch gedüngten Bodens, so finden wir in beiden die Verhältnisse fast gleich und merkwürdigerweise bleibt,
Die Folge davon iſt, daß die in ſolchem Boden gebaute Kartoffel gezwungen wird, immer im Verhältniſſe zu den alcaliſchen Salzen eine größere Menge phosphorſaurer Salze aufzunehmen, als ſie ih- rer Natur nach bedarf, und in Folge deſſen bildet ſich auch in ihr eine größere Menge von ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen, von Eiweiß, als ſie in ihrem normalen Zuſtande enthalten ſollte. Dieſe letzteren aber müſſen unausbleiblich die Beſtandtheile der ſtets ſehr waſſerrei- chen Kartoffel zu Zerſetzungsproceſſen geneigt machen, die dann un- ter den verſchiedenſten Formen auftreten und bald, wie bei der früher ſchon beobachteten Trockenfäule (dry rot der Engländer), vorzugs- weiſe das Stärkemehl, bald, wie bei der vorjährigen naſſen Fäule, vorzugsweiſe den Zellſtoff ſelbſt angreifen. Daß eine ſolche Anlage augenblicklich ſich als verderbliche Krankheit zeigen wird, wenn äu- ßere Einflüſſe, beſonders ungünſtige Witterungsverhältniſſe, hinzu- kommen, iſt ſehr begreiflich, ſo wie es ſich auch von ſelbſt verſteht, daß, wenn die ſchädlichen Einflüſſe, welche die Krankheitsanlage er- zeugten, fortdauern, die Ausartung der Kartoffel und ihre Geneigt- heit zu Krankheiten ſich immer mehr ſteigern muß. In ſolchem Falle bietet uns nun jene Theorie von Liebig und Bouſſingault abermals einen ſichern Anhaltepunct zur Vermeidung des Uebels. Eine ſorg- fältigere Beachtung der unorganiſchen Subſtanzen läßt uns bald das Geſetz finden, daß es nicht allein darauf ankommt, daß die einzelnen Stoffe überhaupt in genügender Menge im Boden vorhanden ſind, ſondern, daß ſie auch zu einander in richtigem Verhältniſſe ſtehen; daß die Berückſichtigung dieſes Verhältniſſes am wichtigſten wird für die Pflanzen, welche ihrer Natur nach geneigt ſind, Abarten zu bilden, und am meiſten für diejenigen Pflanzen, deren chemiſche Zu- ſammenſetzung am wenigſten eine Veränderung ihrer Beſtandtheile ohne weſentliche Nachtheile erträgt. Alles dieſes trifft aber vorzugs- weiſe die Kartoffel, am wenigſten aber unſre Kornarten, Roggen und Weizen. Vergleichen wir nun die Aſchenbeſtandtheile dieſer letzteren mit dem Gehalte eines friſch gedüngten Bodens, ſo finden wir in beiden die Verhältniſſe faſt gleich und merkwürdigerweiſe bleibt,
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Die Folge davon iſt, daß die in ſolchem Boden gebaute Kartoffel
gezwungen wird, immer im Verhältniſſe zu den alcaliſchen Salzen
eine größere Menge phosphorſaurer Salze aufzunehmen, als ſie ih-
rer Natur nach bedarf, und in Folge deſſen bildet ſich auch in ihr
eine größere Menge von ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen, von Eiweiß,
als ſie in ihrem normalen Zuſtande enthalten ſollte. Dieſe letzteren
aber müſſen unausbleiblich die Beſtandtheile der ſtets ſehr waſſerrei-
chen Kartoffel zu Zerſetzungsproceſſen geneigt machen, die dann un-
ter den verſchiedenſten Formen auftreten und bald, wie bei der früher
ſchon beobachteten Trockenfäule (dry rot der Engländer), vorzugs-
weiſe das Stärkemehl, bald, wie bei der vorjährigen naſſen Fäule,
vorzugsweiſe den Zellſtoff ſelbſt angreifen. Daß eine ſolche Anlage
augenblicklich ſich als verderbliche Krankheit zeigen wird, wenn äu-
ßere Einflüſſe, beſonders ungünſtige Witterungsverhältniſſe, hinzu-
kommen, iſt ſehr begreiflich, ſo wie es ſich auch von ſelbſt verſteht,
daß, wenn die ſchädlichen Einflüſſe, welche die Krankheitsanlage er-
zeugten, fortdauern, die Ausartung der Kartoffel und ihre Geneigt-
heit zu Krankheiten ſich immer mehr ſteigern muß. In ſolchem Falle
bietet uns nun jene Theorie von Liebig und Bouſſingault abermals
einen ſichern Anhaltepunct zur Vermeidung des Uebels. Eine ſorg-
fältigere Beachtung der unorganiſchen Subſtanzen läßt uns bald das
Geſetz finden, daß es nicht allein darauf ankommt, daß die einzelnen
Stoffe überhaupt in genügender Menge im Boden vorhanden ſind,
ſondern, daß ſie auch zu einander in richtigem Verhältniſſe ſtehen;
daß die Berückſichtigung dieſes Verhältniſſes am wichtigſten wird
für die Pflanzen, welche ihrer Natur nach geneigt ſind, Abarten zu
bilden, und am meiſten für diejenigen Pflanzen, deren chemiſche Zu-
ſammenſetzung am wenigſten eine Veränderung ihrer Beſtandtheile
ohne weſentliche Nachtheile erträgt. Alles dieſes trifft aber vorzugs-
weiſe die Kartoffel, am wenigſten aber unſre Kornarten, Roggen und
Weizen. Vergleichen wir nun die Aſchenbeſtandtheile dieſer letzteren
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/184>, abgerufen am 21.11.2024.
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