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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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fährliche Rohr, aus welchem, nur vom kräftigen Hauche getrieben,
lautlos und sicher der geflügelte Bote des Todes selbst auf 30 Schritte
Entfernung das ungewarnte und wehrlose Opfer erreicht, das bei der
kleinsten Wunde schon nach wenig Minuten unter Convulsionen seine
Seele aushaucht.

Auch die Nordamerikaner benutzen eine Apocynee (Gonolobium
macrophyllum Mich.
) als Pfeilgift und Gleiches erzählt Mungo
Park
von den Mandingos am Niger. (Bei ihnen ist's eine Echi-
tesart.)

Viele andere verwandte Pflanzen gehören noch zu den heftigsten
Giften (Cerbera Thevetia und C. Ahovai), und besonders zeichnen
sich die Saamen dieser Pflanzengruppe fast noch mehr wie die der
vorigen durch ihre Gefährlichkeit aus, indem namentlich zwei der heftig-
sten Pflanzengifte, das Strychnin und das Brucin, in derselben
vorkommen. Bekannt sind in dieser Hinsicht insbesondere einige der
wirksamsten Arzneistoffe unserer Apotheken, wie z. B. die sogen.
Ignatiusbohne (Ignatia amara auf Manilla) und die Krähen-
augen
(Strychnos nux vomica, durch alle Tropen verbreitet).

Nicht unerwähnt bleiben darf hier ein seltsamer Gebrauch der
Malgaschen (der Bewohner von Madagascar), bei denen in einer
Art von Gottesurtheil die Kraft des Magens über Schuld und Un-
schuld entscheidet. Wenn Jemand eines Verbrechens angeschuldigt ist,
so zwingt man ihn in öffentlicher Versammlung unter Vorsitz der Prie-
ster eine Thanginnuß (von Tanghinia venenifera) zu verschlucken;
wenn sein Magen im Stande ist, dies furchtbare Gift durch Brechen
zu entfernen, so wird er freigesprochen, wenn nicht, so ist die Dar-
legung seiner Schuld zugleich seine Strafe und der Unglückliche stirbt
an den Folgen des Beweistermins.

Es würde nicht schwer fallen, selbst einem botanischen Laien
einige der wesentlicheren Charaktere der beiden erwähnten Pflanzen-
familien so deutlich zu machen, daß er mit Leichtigkeit jede derartige
Pflanze als solche erkennen könnte. Ganz anders ist es mit der letzten

fährliche Rohr, aus welchem, nur vom kräftigen Hauche getrieben,
lautlos und ſicher der geflügelte Bote des Todes ſelbſt auf 30 Schritte
Entfernung das ungewarnte und wehrloſe Opfer erreicht, das bei der
kleinſten Wunde ſchon nach wenig Minuten unter Convulſionen ſeine
Seele aushaucht.

Auch die Nordamerikaner benutzen eine Apocynee (Gonolobium
macrophyllum Mich.
) als Pfeilgift und Gleiches erzählt Mungo
Park
von den Mandingos am Niger. (Bei ihnen iſt's eine Echi-
tesart.)

Viele andere verwandte Pflanzen gehören noch zu den heftigſten
Giften (Cerbera Thevetia und C. Ahovai), und beſonders zeichnen
ſich die Saamen dieſer Pflanzengruppe faſt noch mehr wie die der
vorigen durch ihre Gefährlichkeit aus, indem namentlich zwei der heftig-
ſten Pflanzengifte, das Strychnin und das Brucin, in derſelben
vorkommen. Bekannt ſind in dieſer Hinſicht insbeſondere einige der
wirkſamſten Arzneiſtoffe unſerer Apotheken, wie z. B. die ſogen.
Ignatiusbohne (Ignatia amara auf Manilla) und die Krähen-
augen
(Strychnos nux vomica, durch alle Tropen verbreitet).

Nicht unerwähnt bleiben darf hier ein ſeltſamer Gebrauch der
Malgaſchen (der Bewohner von Madagascar), bei denen in einer
Art von Gottesurtheil die Kraft des Magens über Schuld und Un-
ſchuld entſcheidet. Wenn Jemand eines Verbrechens angeſchuldigt iſt,
ſo zwingt man ihn in öffentlicher Verſammlung unter Vorſitz der Prie-
ſter eine Thanginnuß (von Tanghinia venenifera) zu verſchlucken;
wenn ſein Magen im Stande iſt, dies furchtbare Gift durch Brechen
zu entfernen, ſo wird er freigeſprochen, wenn nicht, ſo iſt die Dar-
legung ſeiner Schuld zugleich ſeine Strafe und der Unglückliche ſtirbt
an den Folgen des Beweistermins.

Es würde nicht ſchwer fallen, ſelbſt einem botaniſchen Laien
einige der weſentlicheren Charaktere der beiden erwähnten Pflanzen-
familien ſo deutlich zu machen, daß er mit Leichtigkeit jede derartige
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[182/0198] fährliche Rohr, aus welchem, nur vom kräftigen Hauche getrieben, lautlos und ſicher der geflügelte Bote des Todes ſelbſt auf 30 Schritte Entfernung das ungewarnte und wehrloſe Opfer erreicht, das bei der kleinſten Wunde ſchon nach wenig Minuten unter Convulſionen ſeine Seele aushaucht. Auch die Nordamerikaner benutzen eine Apocynee (Gonolobium macrophyllum Mich.) als Pfeilgift und Gleiches erzählt Mungo Park von den Mandingos am Niger. (Bei ihnen iſt's eine Echi- tesart.) Viele andere verwandte Pflanzen gehören noch zu den heftigſten Giften (Cerbera Thevetia und C. Ahovai), und beſonders zeichnen ſich die Saamen dieſer Pflanzengruppe faſt noch mehr wie die der vorigen durch ihre Gefährlichkeit aus, indem namentlich zwei der heftig- ſten Pflanzengifte, das Strychnin und das Brucin, in derſelben vorkommen. Bekannt ſind in dieſer Hinſicht insbeſondere einige der wirkſamſten Arzneiſtoffe unſerer Apotheken, wie z. B. die ſogen. Ignatiusbohne (Ignatia amara auf Manilla) und die Krähen- augen (Strychnos nux vomica, durch alle Tropen verbreitet). Nicht unerwähnt bleiben darf hier ein ſeltſamer Gebrauch der Malgaſchen (der Bewohner von Madagascar), bei denen in einer Art von Gottesurtheil die Kraft des Magens über Schuld und Un- ſchuld entſcheidet. Wenn Jemand eines Verbrechens angeſchuldigt iſt, ſo zwingt man ihn in öffentlicher Verſammlung unter Vorſitz der Prie- ſter eine Thanginnuß (von Tanghinia venenifera) zu verſchlucken; wenn ſein Magen im Stande iſt, dies furchtbare Gift durch Brechen zu entfernen, ſo wird er freigeſprochen, wenn nicht, ſo iſt die Dar- legung ſeiner Schuld zugleich ſeine Strafe und der Unglückliche ſtirbt an den Folgen des Beweistermins. Es würde nicht ſchwer fallen, ſelbſt einem botaniſchen Laien einige der weſentlicheren Charaktere der beiden erwähnten Pflanzen- familien ſo deutlich zu machen, daß er mit Leichtigkeit jede derartige Pflanze als ſolche erkennen könnte. Ganz anders iſt es mit der letzten

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/198>, abgerufen am 21.11.2024.