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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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eigentlichen Urwaldes. Riesige Stämme des Brodfruchtbaums, des
eisenfesten Teckholzes (Tectona grandis), der Leguminosen mit ihren
prachtvollen Blüthenbüscheln, der Barringtonien, Feigen und Lor-
beeren bilden die Säulen, welche das dichte grüne Gewölbe tragen.
Von Ast zu Ast springen die muntern Schaaren der Affen, neckend
den Wanderer mit Früchten werfend. Von einem moosumwachsenen
Felsen erhebt sich ernsthaft am Stabe in's dichtere Dickicht wandelnd
der melancholische Orang-Utang. Ueberall ist reiches animalisches
Leben und weit entfernt von dem öden und schweigsamen Charakter
vieler amerikanischen Urwälder. Hier umschlingt ein sich windender
und kletternder Strauch mit armdickem Stamme die Säulen des Do-
mes, die höchsten Bäume überwuchernd, oft von der Wurzel an in
einer Länge von 100 Fuß völlig einfach und astlos, aber mannigfach
gewunden und gekrümmt. Die großen, glänzend grünen Blätter wech-
seln mit langen starken Ranken, mit denen er sich festklammert, reiche
Dolden grünlich-weißer, wohlriechender Blumen hängen von ihm
herab. Diese Pflanze, der Familie der Apocyneen angehörig, ist der
Tjetteck der Eingebornen (Strychnos Tieute Lesch.), aus dessen
Wurzel das furchtbare Upas Radja oder Fürstengift gekocht wird.
Auf eine leichte Verwundung von einer damit vergifteten Waffe,
einem kleinen Pfeile aus hartem Holz welcher auch eben so wie von
den Südamerikanern aus Blasröhren verschossen wird, fängt der
Tiger an zu zittern, steht unbeweglich eine Minute da und stürtzt dann
plötzlich wie von Schwindel ergriffen auf den Kopf und stirbt in kur-
zen, aber heftigen Zuckungen. Der Strauch selbst aber ist ungefähr-
lich und kein Nachtheil droht dem, dessen Haut etwa mit seinem Safte
in Berührung gekommen war. Aber gehen wir weiter, so überragt
ein schöner schlanker Stamm die benachbarten Pflanzen. Völlig cylin-
drisch steigt er 60--80 Fuß astfrei und glatt in die Höhe und trägt
eine zierliche halbkuglige Krone, die stolz auf die niedern Gewächse
unter ihr, auf die vielen am Stamme aufstrebenden Schlingpflanzen
herabblickt. Wehe dem, der unvorsichtig seinen aus leicht verletzter
Rinde reichlich hervorquellenden Milchsaft mit seiner Haut in Be-

eigentlichen Urwaldes. Rieſige Stämme des Brodfruchtbaums, des
eiſenfeſten Teckholzes (Tectona grandis), der Leguminoſen mit ihren
prachtvollen Blüthenbüſcheln, der Barringtonien, Feigen und Lor-
beeren bilden die Säulen, welche das dichte grüne Gewölbe tragen.
Von Aſt zu Aſt ſpringen die muntern Schaaren der Affen, neckend
den Wanderer mit Früchten werfend. Von einem moosumwachſenen
Felſen erhebt ſich ernſthaft am Stabe in's dichtere Dickicht wandelnd
der melancholiſche Orang-Utang. Ueberall iſt reiches animaliſches
Leben und weit entfernt von dem öden und ſchweigſamen Charakter
vieler amerikaniſchen Urwälder. Hier umſchlingt ein ſich windender
und kletternder Strauch mit armdickem Stamme die Säulen des Do-
mes, die höchſten Bäume überwuchernd, oft von der Wurzel an in
einer Länge von 100 Fuß völlig einfach und aſtlos, aber mannigfach
gewunden und gekrümmt. Die großen, glänzend grünen Blätter wech-
ſeln mit langen ſtarken Ranken, mit denen er ſich feſtklammert, reiche
Dolden grünlich-weißer, wohlriechender Blumen hängen von ihm
herab. Dieſe Pflanze, der Familie der Apocyneen angehörig, iſt der
Tjetteck der Eingebornen (Strychnos Tieuté Lesch.), aus deſſen
Wurzel das furchtbare Upas Radja oder Fürſtengift gekocht wird.
Auf eine leichte Verwundung von einer damit vergifteten Waffe,
einem kleinen Pfeile aus hartem Holz welcher auch eben ſo wie von
den Südamerikanern aus Blasröhren verſchoſſen wird, fängt der
Tiger an zu zittern, ſteht unbeweglich eine Minute da und ſtürtzt dann
plötzlich wie von Schwindel ergriffen auf den Kopf und ſtirbt in kur-
zen, aber heftigen Zuckungen. Der Strauch ſelbſt aber iſt ungefähr-
lich und kein Nachtheil droht dem, deſſen Haut etwa mit ſeinem Safte
in Berührung gekommen war. Aber gehen wir weiter, ſo überragt
ein ſchöner ſchlanker Stamm die benachbarten Pflanzen. Völlig cylin-
driſch ſteigt er 60—80 Fuß aſtfrei und glatt in die Höhe und trägt
eine zierliche halbkuglige Krone, die ſtolz auf die niedern Gewächſe
unter ihr, auf die vielen am Stamme aufſtrebenden Schlingpflanzen
herabblickt. Wehe dem, der unvorſichtig ſeinen aus leicht verletzter
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[189/0205] eigentlichen Urwaldes. Rieſige Stämme des Brodfruchtbaums, des eiſenfeſten Teckholzes (Tectona grandis), der Leguminoſen mit ihren prachtvollen Blüthenbüſcheln, der Barringtonien, Feigen und Lor- beeren bilden die Säulen, welche das dichte grüne Gewölbe tragen. Von Aſt zu Aſt ſpringen die muntern Schaaren der Affen, neckend den Wanderer mit Früchten werfend. Von einem moosumwachſenen Felſen erhebt ſich ernſthaft am Stabe in's dichtere Dickicht wandelnd der melancholiſche Orang-Utang. Ueberall iſt reiches animaliſches Leben und weit entfernt von dem öden und ſchweigſamen Charakter vieler amerikaniſchen Urwälder. Hier umſchlingt ein ſich windender und kletternder Strauch mit armdickem Stamme die Säulen des Do- mes, die höchſten Bäume überwuchernd, oft von der Wurzel an in einer Länge von 100 Fuß völlig einfach und aſtlos, aber mannigfach gewunden und gekrümmt. Die großen, glänzend grünen Blätter wech- ſeln mit langen ſtarken Ranken, mit denen er ſich feſtklammert, reiche Dolden grünlich-weißer, wohlriechender Blumen hängen von ihm herab. Dieſe Pflanze, der Familie der Apocyneen angehörig, iſt der Tjetteck der Eingebornen (Strychnos Tieuté Lesch.), aus deſſen Wurzel das furchtbare Upas Radja oder Fürſtengift gekocht wird. Auf eine leichte Verwundung von einer damit vergifteten Waffe, einem kleinen Pfeile aus hartem Holz welcher auch eben ſo wie von den Südamerikanern aus Blasröhren verſchoſſen wird, fängt der Tiger an zu zittern, ſteht unbeweglich eine Minute da und ſtürtzt dann plötzlich wie von Schwindel ergriffen auf den Kopf und ſtirbt in kur- zen, aber heftigen Zuckungen. Der Strauch ſelbſt aber iſt ungefähr- lich und kein Nachtheil droht dem, deſſen Haut etwa mit ſeinem Safte in Berührung gekommen war. Aber gehen wir weiter, ſo überragt ein ſchöner ſchlanker Stamm die benachbarten Pflanzen. Völlig cylin- driſch ſteigt er 60—80 Fuß aſtfrei und glatt in die Höhe und trägt eine zierliche halbkuglige Krone, die ſtolz auf die niedern Gewächſe unter ihr, auf die vielen am Stamme aufſtrebenden Schlingpflanzen herabblickt. Wehe dem, der unvorſichtig ſeinen aus leicht verletzter Rinde reichlich hervorquellenden Milchſaft mit ſeiner Haut in Be-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/205>, abgerufen am 22.11.2024.