Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.kampfunfähig aus Ufer hingestreckt. Nachdem der Jäger sich von "So niedlich solche Erzählungen sich im Damenkreise ausnehmen *) Die vom Polareise losgerissenen Eismassen, vom Sturm in niedere Breiten
getrieben, ragen oft zwei und mehrere Hundert Fuß aus dem Meere hervor, aber kampfunfähig aus Ufer hingeſtreckt. Nachdem der Jäger ſich von „So niedlich ſolche Erzählungen ſich im Damenkreiſe ausnehmen *) Die vom Polareiſe losgeriſſenen Eismaſſen, vom Sturm in niedere Breiten
getrieben, ragen oft zwei und mehrere Hundert Fuß aus dem Meere hervor, aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="216"/> kampfunfähig aus Ufer hingeſtreckt. Nachdem der Jäger ſich von<lb/> Schlamm und Blut gereinigt, wendeten wir unſern Beiſtand dem ge-<lb/> fährlich verwundeten Hund zu und trennten uns endlich, jeder ſeinen<lb/> eigenen Weg verfolgend und der Jäger ſchwörend, daß er nie wieder<lb/> ohne Flinte mit einem „alten Mann“ anbinden wolle.“</p><lb/> <p>„So niedlich ſolche Erzählungen ſich im Damenkreiſe ausnehmen<lb/> mögen, hob der Dritte an, ſo ſollte der Mann doch darüber hinaus<lb/> ſeyn in ſolchen Trivialitäten Genuß zu finden. Nur wenn das Leben<lb/> täglich und ſtündlich aufs Spiel geſetzt wird, wenn die Gefahren in<lb/> allen Formen ſich zeigen, läßt ſich von einer Aufregung reden, die eine<lb/> würdige Unterhaltung des Mannes ſeyn kann, und wo fände man<lb/> das in dem Maaße wie bei einer Wallfiſchjagd auf den nordiſchen<lb/> Meeren. Mit Luft denke ich noch jetzt an eine Scene zurück, welche<lb/> im vorletzten Winter bald auf eigenthümliche Weiſe meinem Leben<lb/> ein Ende gemacht hätte. Wir hatten bereits 16 Tage bei einem<lb/> furchtbaren Sturme am Eingang der Baffinsbay gekreuzt. Die Take-<lb/> lage ſtarrte von Eis, die Seiten des Schiffes waren mit großen glän-<lb/> zenden Maſſen überzogen. Die Mannſchaft war halb erfroren und<lb/> wir konnten keinen Strick durch einen Block bewegen ohne vorher<lb/> heißes Waſſer darüber gegoſſen zu haben. Wir hatten wenig Tages-<lb/> licht wegen des dichten Nebels, aber noch furchtbarer waren die langen,<lb/> ſchauerlichen Nächte, wenn das Schiff ſich auf den ſchwarzen Wellen<lb/> bergan erhob und dann wieder hinabſtürzte in die Tiefe, ſo daß wir<lb/> jeden Augenblick fürchten mußten an den Eismaſſen zu zerſchellen,<lb/> welche der heulende Sturm wie fahl leuchtende und ſchäumende Nacht-<lb/> dämonen zu unſerer Vernichtung geſendet über die brauſende Waſſer-<lb/> fläche dahinjagte. Eines Morgens gegen Ende des Sturms nach<lb/> einem friſchen Schneefall näherte ſich uns mit erſchreckender Ge-<lb/> ſchwindigkeit ein 500 Fuß hoher Eisfelſen, ſchon war er in gefahr-<lb/> drohender Nähe, da erſcholl plötzlich der Schreckensruf: Er wendet<lb/> ſich!<note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Die vom Polareiſe losgeriſſenen Eismaſſen, vom Sturm in niedere Breiten<lb/> getrieben, ragen oft zwei und mehrere Hundert Fuß aus dem Meere hervor, aber</note> Da kam er näher, ſeinen wankenden Gipfel langſam auf un-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0232]
kampfunfähig aus Ufer hingeſtreckt. Nachdem der Jäger ſich von
Schlamm und Blut gereinigt, wendeten wir unſern Beiſtand dem ge-
fährlich verwundeten Hund zu und trennten uns endlich, jeder ſeinen
eigenen Weg verfolgend und der Jäger ſchwörend, daß er nie wieder
ohne Flinte mit einem „alten Mann“ anbinden wolle.“
„So niedlich ſolche Erzählungen ſich im Damenkreiſe ausnehmen
mögen, hob der Dritte an, ſo ſollte der Mann doch darüber hinaus
ſeyn in ſolchen Trivialitäten Genuß zu finden. Nur wenn das Leben
täglich und ſtündlich aufs Spiel geſetzt wird, wenn die Gefahren in
allen Formen ſich zeigen, läßt ſich von einer Aufregung reden, die eine
würdige Unterhaltung des Mannes ſeyn kann, und wo fände man
das in dem Maaße wie bei einer Wallfiſchjagd auf den nordiſchen
Meeren. Mit Luft denke ich noch jetzt an eine Scene zurück, welche
im vorletzten Winter bald auf eigenthümliche Weiſe meinem Leben
ein Ende gemacht hätte. Wir hatten bereits 16 Tage bei einem
furchtbaren Sturme am Eingang der Baffinsbay gekreuzt. Die Take-
lage ſtarrte von Eis, die Seiten des Schiffes waren mit großen glän-
zenden Maſſen überzogen. Die Mannſchaft war halb erfroren und
wir konnten keinen Strick durch einen Block bewegen ohne vorher
heißes Waſſer darüber gegoſſen zu haben. Wir hatten wenig Tages-
licht wegen des dichten Nebels, aber noch furchtbarer waren die langen,
ſchauerlichen Nächte, wenn das Schiff ſich auf den ſchwarzen Wellen
bergan erhob und dann wieder hinabſtürzte in die Tiefe, ſo daß wir
jeden Augenblick fürchten mußten an den Eismaſſen zu zerſchellen,
welche der heulende Sturm wie fahl leuchtende und ſchäumende Nacht-
dämonen zu unſerer Vernichtung geſendet über die brauſende Waſſer-
fläche dahinjagte. Eines Morgens gegen Ende des Sturms nach
einem friſchen Schneefall näherte ſich uns mit erſchreckender Ge-
ſchwindigkeit ein 500 Fuß hoher Eisfelſen, ſchon war er in gefahr-
drohender Nähe, da erſcholl plötzlich der Schreckensruf: Er wendet
ſich! *) Da kam er näher, ſeinen wankenden Gipfel langſam auf un-
*) Die vom Polareiſe losgeriſſenen Eismaſſen, vom Sturm in niedere Breiten
getrieben, ragen oft zwei und mehrere Hundert Fuß aus dem Meere hervor, aber
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