auf den zweiten, gleich zu erwähnenden Punct eine auch noch so hohe Stufe erstiegen haben. --
Die zweite Anforderung, die an die Menschen gestellt ist, bezieht sich dagegen auf ihre Ausbildung für ihren beschränkten Standpunct auf der Erde. Hier ist die Aufgabe, jede körperliche und geistige Seite unseres Wesens zur vollkommensten Ausbildungsstufe zu erheben, um dadurch die Erreichung des erstgenannten Ziels zu erleichtern und zu sichern. Hierher gehören alle Wissenschaften, die die Verhältnisse für Staat und Kirche, für Natur und Kunst, Genuß und Bequemlichkeit ordnen und fördern; Alle zusammen, mag man sie übrigens unter den Menschen hoch oder niedrig schätzen, stehen darin auf einer und der- selben nichtigen Stufe, daß ihre Bedeutung sogleich mit diesem Leben aufhört, daß sie nur hier auf unserem kleinen Sonnenstäubchen der Erde, Geltung und Werth haben. Hier mag einer Großes geleistet haben, es giebt ihm nicht den leisesten Anspruch auf meine Achtung, meine Anerkennung, wenn er der höheren Anforderung sittlich reli- giöser Ausbildung nicht nachgekommen ist. Was er etwa als Künst- ler, als Gelehrter geleistet, ich nehme es an und verwende es für meinen Nutzen, aber ohne Dank, wie ich das Geldstück einstecke, was ich finde, während ich den Schmutzwisch, in den es gewickelt war, mit Ekel von mir werfe. Was auf jenem Gebiete erlangt wird, be- schließt sich im Individuum, mit dem dieselbe Entwicklung stets wieder von Neuem beginnt, giebt ihm und nur ihm einen Werth. Was hier allmälig errungen ist gehört nicht dem Einzelnen, sondern der Mensch- heit und eine Zeit knüpft da an, wo die vorige aufhörte. Die Leistung des Einzelnen hat zwar Werth für die Menschheit, sie verleiht aber dem Einzelnen selbst keinen Werth.
Auf der andern Seite darf ich meine Achtung, meine Anerken- nung eines edlen, geistigen Wesens auch dem nicht entziehen, der durch sittlich religiöses Leben seine Berechtigung auf diese Anerken- nung erwiesen hat, mag er auch noch so wenig in irgend einem anderen Zweige menschlicher Ausbildung erreicht haben. Die letz- tere Anforderung ist nämlich keine nothwendige und gleiche für alle
auf den zweiten, gleich zu erwähnenden Punct eine auch noch ſo hohe Stufe erſtiegen haben. —
Die zweite Anforderung, die an die Menſchen geſtellt iſt, bezieht ſich dagegen auf ihre Ausbildung für ihren beſchränkten Standpunct auf der Erde. Hier iſt die Aufgabe, jede körperliche und geiſtige Seite unſeres Weſens zur vollkommenſten Ausbildungsſtufe zu erheben, um dadurch die Erreichung des erſtgenannten Ziels zu erleichtern und zu ſichern. Hierher gehören alle Wiſſenſchaften, die die Verhältniſſe für Staat und Kirche, für Natur und Kunſt, Genuß und Bequemlichkeit ordnen und fördern; Alle zuſammen, mag man ſie übrigens unter den Menſchen hoch oder niedrig ſchätzen, ſtehen darin auf einer und der- ſelben nichtigen Stufe, daß ihre Bedeutung ſogleich mit dieſem Leben aufhört, daß ſie nur hier auf unſerem kleinen Sonnenſtäubchen der Erde, Geltung und Werth haben. Hier mag einer Großes geleiſtet haben, es giebt ihm nicht den leiſeſten Anſpruch auf meine Achtung, meine Anerkennung, wenn er der höheren Anforderung ſittlich reli- giöſer Ausbildung nicht nachgekommen iſt. Was er etwa als Künſt- ler, als Gelehrter geleiſtet, ich nehme es an und verwende es für meinen Nutzen, aber ohne Dank, wie ich das Geldſtück einſtecke, was ich finde, während ich den Schmutzwiſch, in den es gewickelt war, mit Ekel von mir werfe. Was auf jenem Gebiete erlangt wird, be- ſchließt ſich im Individuum, mit dem dieſelbe Entwicklung ſtets wieder von Neuem beginnt, giebt ihm und nur ihm einen Werth. Was hier allmälig errungen iſt gehört nicht dem Einzelnen, ſondern der Menſch- heit und eine Zeit knüpft da an, wo die vorige aufhörte. Die Leiſtung des Einzelnen hat zwar Werth für die Menſchheit, ſie verleiht aber dem Einzelnen ſelbſt keinen Werth.
Auf der andern Seite darf ich meine Achtung, meine Anerken- nung eines edlen, geiſtigen Weſens auch dem nicht entziehen, der durch ſittlich religiöſes Leben ſeine Berechtigung auf dieſe Anerken- nung erwieſen hat, mag er auch noch ſo wenig in irgend einem anderen Zweige menſchlicher Ausbildung erreicht haben. Die letz- tere Anforderung iſt nämlich keine nothwendige und gleiche für alle
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="220"/>
auf den zweiten, gleich zu erwähnenden Punct eine auch noch ſo hohe<lb/>
Stufe erſtiegen haben. —</p><lb/><p>Die zweite Anforderung, die an die Menſchen geſtellt iſt, bezieht<lb/>ſich dagegen auf ihre Ausbildung für ihren beſchränkten Standpunct<lb/>
auf der Erde. Hier iſt die Aufgabe, jede körperliche und geiſtige Seite<lb/>
unſeres Weſens zur vollkommenſten Ausbildungsſtufe zu erheben, um<lb/>
dadurch die Erreichung des erſtgenannten Ziels zu erleichtern und zu<lb/>ſichern. Hierher gehören alle Wiſſenſchaften, die die Verhältniſſe für<lb/>
Staat und Kirche, für Natur und Kunſt, Genuß und Bequemlichkeit<lb/>
ordnen und fördern; Alle zuſammen, mag man ſie übrigens unter den<lb/>
Menſchen hoch oder niedrig ſchätzen, ſtehen darin auf einer und der-<lb/>ſelben nichtigen Stufe, daß ihre Bedeutung ſogleich mit dieſem Leben<lb/>
aufhört, daß ſie nur hier auf unſerem kleinen Sonnenſtäubchen der<lb/>
Erde, Geltung und Werth haben. Hier mag einer Großes geleiſtet<lb/>
haben, es giebt ihm nicht den leiſeſten Anſpruch auf meine Achtung,<lb/>
meine Anerkennung, wenn er der höheren Anforderung ſittlich reli-<lb/>
giöſer Ausbildung nicht nachgekommen iſt. Was er etwa als Künſt-<lb/>
ler, als Gelehrter geleiſtet, ich nehme es an und verwende es für<lb/>
meinen Nutzen, aber ohne Dank, wie ich das Geldſtück einſtecke, was<lb/>
ich finde, während ich den Schmutzwiſch, in den es gewickelt war,<lb/>
mit Ekel von mir werfe. Was auf <hirendition="#g">jenem</hi> Gebiete erlangt wird, be-<lb/>ſchließt ſich im Individuum, mit dem dieſelbe Entwicklung ſtets wieder<lb/>
von Neuem beginnt, giebt ihm und nur ihm einen Werth. Was <hirendition="#g">hier</hi><lb/>
allmälig errungen iſt gehört nicht dem Einzelnen, ſondern der Menſch-<lb/>
heit und eine Zeit knüpft da an, wo die vorige aufhörte. Die Leiſtung<lb/>
des Einzelnen hat zwar Werth für die Menſchheit, ſie verleiht aber<lb/>
dem Einzelnen ſelbſt keinen Werth.</p><lb/><p>Auf der andern Seite darf ich meine Achtung, meine Anerken-<lb/>
nung eines edlen, geiſtigen Weſens auch dem nicht entziehen, der<lb/>
durch ſittlich religiöſes Leben ſeine Berechtigung auf dieſe Anerken-<lb/>
nung erwieſen hat, mag er auch noch ſo wenig in irgend einem<lb/>
anderen Zweige menſchlicher Ausbildung erreicht haben. Die letz-<lb/>
tere Anforderung iſt nämlich keine nothwendige und gleiche für alle<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[220/0236]
auf den zweiten, gleich zu erwähnenden Punct eine auch noch ſo hohe
Stufe erſtiegen haben. —
Die zweite Anforderung, die an die Menſchen geſtellt iſt, bezieht
ſich dagegen auf ihre Ausbildung für ihren beſchränkten Standpunct
auf der Erde. Hier iſt die Aufgabe, jede körperliche und geiſtige Seite
unſeres Weſens zur vollkommenſten Ausbildungsſtufe zu erheben, um
dadurch die Erreichung des erſtgenannten Ziels zu erleichtern und zu
ſichern. Hierher gehören alle Wiſſenſchaften, die die Verhältniſſe für
Staat und Kirche, für Natur und Kunſt, Genuß und Bequemlichkeit
ordnen und fördern; Alle zuſammen, mag man ſie übrigens unter den
Menſchen hoch oder niedrig ſchätzen, ſtehen darin auf einer und der-
ſelben nichtigen Stufe, daß ihre Bedeutung ſogleich mit dieſem Leben
aufhört, daß ſie nur hier auf unſerem kleinen Sonnenſtäubchen der
Erde, Geltung und Werth haben. Hier mag einer Großes geleiſtet
haben, es giebt ihm nicht den leiſeſten Anſpruch auf meine Achtung,
meine Anerkennung, wenn er der höheren Anforderung ſittlich reli-
giöſer Ausbildung nicht nachgekommen iſt. Was er etwa als Künſt-
ler, als Gelehrter geleiſtet, ich nehme es an und verwende es für
meinen Nutzen, aber ohne Dank, wie ich das Geldſtück einſtecke, was
ich finde, während ich den Schmutzwiſch, in den es gewickelt war,
mit Ekel von mir werfe. Was auf jenem Gebiete erlangt wird, be-
ſchließt ſich im Individuum, mit dem dieſelbe Entwicklung ſtets wieder
von Neuem beginnt, giebt ihm und nur ihm einen Werth. Was hier
allmälig errungen iſt gehört nicht dem Einzelnen, ſondern der Menſch-
heit und eine Zeit knüpft da an, wo die vorige aufhörte. Die Leiſtung
des Einzelnen hat zwar Werth für die Menſchheit, ſie verleiht aber
dem Einzelnen ſelbſt keinen Werth.
Auf der andern Seite darf ich meine Achtung, meine Anerken-
nung eines edlen, geiſtigen Weſens auch dem nicht entziehen, der
durch ſittlich religiöſes Leben ſeine Berechtigung auf dieſe Anerken-
nung erwieſen hat, mag er auch noch ſo wenig in irgend einem
anderen Zweige menſchlicher Ausbildung erreicht haben. Die letz-
tere Anforderung iſt nämlich keine nothwendige und gleiche für alle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/236>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.