erst bei Inverneß in Schottland, der Obstbau noch etwas südlicher beginnt. So wurde man endlich darauf geführt auch die Vertheilung der Wärme innerhalb der Jahreszeiten mit in den Kreis der Unter- suchung zu ziehen, da sich zeigte, das hiervon oft die Vegetation viel wesentlicher bestimmt wird, als durch die mittlere Temperatur oder die Summe der Wärme, die sie empfängt. -- Man berechnete nun auf die angedeutete Weise die mittlere Sommer- und Winterwärme und verband ebenfalls die Orte, die sich in dieser Beziehung gleich- standen, durch Linien: Isotheren (Linien gleicher Sommerwärme) und Isochimenen (Linien gleicher Winterkälte). Nun hat z. B. Drontheim eine mittlere Winterkälte von -- 4°,8 während die Faröer eine mittlere Wintertemperatur von + 3°,9, die Shettlands Inseln gar von + 4°,0 haben, aber die mittlere Sommerwärme beträgt in Drontheim + 16°,3, dagegen auf den Faröer nur + 10°,0, auf den Shettlandsinseln + 11°,9 und dabei reift weder Weizen noch Obst, obwohl Letzteres eine viel stärkere Winterkälte als -- 4,3 ver- tragen kann. Moscau, welches eine treffliche Vegetation hat, er- trägt eine mittlere Wintertemperatur von -- 10°,5. Das 15 Brei- tengrade nördlichere Mageroe, schon außerhalb aller Pflanzencultur gelegen, hat eine mittlere Temperatur des Winters von -- 5°,0 die der von Astrachan, 10 Breitengrade südlicher als Moscau und wo schon Wein und Mais gedeiht, gleich ist. Die mittlere Sommerwärme von Mageroe ist aber + 6°,4, von Moscau + 16°,9 und von Astrachan + 22°,0 und es ist ganz besonders die Wärme, welche während der Vegetationszeit der Pflanzen herrscht, die ihr Gedeihen bestimmt. Bei einjährigen Pflanzen oder, man sollte richtiger sagen, bei Sommergewächsen versteht sich die Sache ohnehin von selbst und die perennirenden Pflanzen treten meist im Herbst in einen Zu- stand vegetativer Unthätigkeit, einen wirklichen Winterschlaf, der sie selbst große Kältegrade ohne Nachtheil ertragen läßt.
Aber wir sind durch alle diese Untersuchungen noch lange nicht ans Ziel gekommen, der nächsten Zeit wird es obliegen, auch die Theilung der mittleren Temperatur in Winter- und Sommerwärme,
erſt bei Inverneß in Schottland, der Obſtbau noch etwas ſüdlicher beginnt. So wurde man endlich darauf geführt auch die Vertheilung der Wärme innerhalb der Jahreszeiten mit in den Kreis der Unter- ſuchung zu ziehen, da ſich zeigte, das hiervon oft die Vegetation viel weſentlicher beſtimmt wird, als durch die mittlere Temperatur oder die Summe der Wärme, die ſie empfängt. — Man berechnete nun auf die angedeutete Weiſe die mittlere Sommer- und Winterwärme und verband ebenfalls die Orte, die ſich in dieſer Beziehung gleich- ſtanden, durch Linien: Iſotheren (Linien gleicher Sommerwärme) und Iſochimenen (Linien gleicher Winterkälte). Nun hat z. B. Drontheim eine mittlere Winterkälte von — 4°,8 während die Faröer eine mittlere Wintertemperatur von + 3°,9, die Shettlands Inſeln gar von + 4°,0 haben, aber die mittlere Sommerwärme beträgt in Drontheim + 16°,3, dagegen auf den Faröer nur + 10°,0, auf den Shettlandsinſeln + 11°,9 und dabei reift weder Weizen noch Obſt, obwohl Letzteres eine viel ſtärkere Winterkälte als — 4,3 ver- tragen kann. Moscau, welches eine treffliche Vegetation hat, er- trägt eine mittlere Wintertemperatur von — 10°,5. Das 15 Brei- tengrade nördlichere Mageroe, ſchon außerhalb aller Pflanzencultur gelegen, hat eine mittlere Temperatur des Winters von — 5°,0 die der von Aſtrachan, 10 Breitengrade ſüdlicher als Moscau und wo ſchon Wein und Mais gedeiht, gleich iſt. Die mittlere Sommerwärme von Mageroe iſt aber + 6°,4, von Moscau + 16°,9 und von Aſtrachan + 22°,0 und es iſt ganz beſonders die Wärme, welche während der Vegetationszeit der Pflanzen herrſcht, die ihr Gedeihen beſtimmt. Bei einjährigen Pflanzen oder, man ſollte richtiger ſagen, bei Sommergewächſen verſteht ſich die Sache ohnehin von ſelbſt und die perennirenden Pflanzen treten meiſt im Herbſt in einen Zu- ſtand vegetativer Unthätigkeit, einen wirklichen Winterſchlaf, der ſie ſelbſt große Kältegrade ohne Nachtheil ertragen läßt.
Aber wir ſind durch alle dieſe Unterſuchungen noch lange nicht ans Ziel gekommen, der nächſten Zeit wird es obliegen, auch die Theilung der mittleren Temperatur in Winter- und Sommerwärme,
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erſt bei Inverneß in Schottland, der Obſtbau noch etwas ſüdlicher
beginnt. So wurde man endlich darauf geführt auch die Vertheilung
der Wärme innerhalb der Jahreszeiten mit in den Kreis der Unter-
ſuchung zu ziehen, da ſich zeigte, das hiervon oft die Vegetation viel
weſentlicher beſtimmt wird, als durch die mittlere Temperatur oder
die Summe der Wärme, die ſie empfängt. — Man berechnete nun
auf die angedeutete Weiſe die mittlere Sommer- und Winterwärme
und verband ebenfalls die Orte, die ſich in dieſer Beziehung gleich-
ſtanden, durch Linien: Iſotheren (Linien gleicher Sommerwärme)
und Iſochimenen (Linien gleicher Winterkälte). Nun hat z. B.
Drontheim eine mittlere Winterkälte von — 4°,8 während die Faröer
eine mittlere Wintertemperatur von + 3°,9, die Shettlands Inſeln
gar von + 4°,0 haben, aber die mittlere Sommerwärme beträgt in
Drontheim + 16°,3, dagegen auf den Faröer nur + 10°,0, auf
den Shettlandsinſeln + 11°,9 und dabei reift weder Weizen noch
Obſt, obwohl Letzteres eine viel ſtärkere Winterkälte als — 4,3 ver-
tragen kann. Moscau, welches eine treffliche Vegetation hat, er-
trägt eine mittlere Wintertemperatur von — 10°,5. Das 15 Brei-
tengrade nördlichere Mageroe, ſchon außerhalb aller Pflanzencultur
gelegen, hat eine mittlere Temperatur des Winters von — 5°,0 die der
von Aſtrachan, 10 Breitengrade ſüdlicher als Moscau und wo ſchon
Wein und Mais gedeiht, gleich iſt. Die mittlere Sommerwärme
von Mageroe iſt aber + 6°,4, von Moscau + 16°,9 und von
Aſtrachan + 22°,0 und es iſt ganz beſonders die Wärme, welche
während der Vegetationszeit der Pflanzen herrſcht, die ihr Gedeihen
beſtimmt. Bei einjährigen Pflanzen oder, man ſollte richtiger ſagen,
bei Sommergewächſen verſteht ſich die Sache ohnehin von ſelbſt
und die perennirenden Pflanzen treten meiſt im Herbſt in einen Zu-
ſtand vegetativer Unthätigkeit, einen wirklichen Winterſchlaf, der ſie
ſelbſt große Kältegrade ohne Nachtheil ertragen läßt.
Aber wir ſind durch alle dieſe Unterſuchungen noch lange nicht
ans Ziel gekommen, der nächſten Zeit wird es obliegen, auch die
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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