keit seines Verfassers, so müßte das Gebiet, wozu es gehört, mechanisirt sein. In feststehenden Formen nähert man sich sol- chem mechanisirten Gebiete. Je bestimmter die Geseze einer Form sind, desto leerer ist die Produktion von Eigenthümlichkeit. So steht das individuelle Leben dem Mechanisirten gegenüber. Aber das Verhältniß ist in den Schriften verschieden. Rein tritt das Individuelle nie zurück.
Hier kommen wir aber in Verlegenheit in Beziehung auf das, was sich in der Theorie der Kunst geltend gemacht hat. Denke man sich den Fall der alten Tragödie. Hier ist die Form auf eine gewisse Weise und in einem bestimmten Grade bestimmt. Haben mehrere Dichter denselben Stoff neben einander zu bearbei- ten, so werden ihre Dispositionen sehr ähnlich sein. Je größer die Differenz ist, desto mehr wird auf der einen oder andern Seite größere oder geringere Unvollkommenheit sein. Welches ist nun aber der Grund der Verschiedenheit? Indem wir das Ganze auf einen Willensakt der Verfasser zurückführen, fragt sich, was hat der eine und der andere gewollt? Die Beziehungen von Stoff und Form sind dabei nur äußerlich. Wollte man sagen, der eine oder andere habe dabei einen bestimmten politischen oder moralischen Zweck gehabt, so würde die Kunsttheorie einwenden, dadurch sei der reine Charakter des Kunstwerks verlezt, ein Kunstwerk müsse keinen bestimmten Zweck haben. Ist diese Theorie richtig, so würde man nur sagen dürfen, es könne eine bestimmte Richtung zum Grunde liegen, aber kein bestimmter Zweck. Dieß gilt aber nur sofern als das auszulegende Werk ein reines Kunstwerk ist, denn da bleibt nichts übrig, es geht alles in Stoff und Form auf. Soll der Werth einer Schrift der eines reinen Kunstwerks sein, so darf auch nichts anderes in den Keimentschluß gesezt werden, als die reine Selbstmanifestation in der gegenseitigen Correspon- denz von Form und Inhalt. So entsteht aber die Frage für die Hermeneutik, ob ein Werk als Kunstwerk angesehen sein wolle oder nicht? Wird dieß nun durch die Form bestimmt oder nicht? Hat sich in einem bestimmten Sprach- und Nationalgebiete die
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keit ſeines Verfaſſers, ſo muͤßte das Gebiet, wozu es gehoͤrt, mechaniſirt ſein. In feſtſtehenden Formen naͤhert man ſich ſol- chem mechaniſirten Gebiete. Je beſtimmter die Geſeze einer Form ſind, deſto leerer iſt die Produktion von Eigenthuͤmlichkeit. So ſteht das individuelle Leben dem Mechaniſirten gegenuͤber. Aber das Verhaͤltniß iſt in den Schriften verſchieden. Rein tritt das Individuelle nie zuruͤck.
Hier kommen wir aber in Verlegenheit in Beziehung auf das, was ſich in der Theorie der Kunſt geltend gemacht hat. Denke man ſich den Fall der alten Tragoͤdie. Hier iſt die Form auf eine gewiſſe Weiſe und in einem beſtimmten Grade beſtimmt. Haben mehrere Dichter denſelben Stoff neben einander zu bearbei- ten, ſo werden ihre Dispoſitionen ſehr aͤhnlich ſein. Je groͤßer die Differenz iſt, deſto mehr wird auf der einen oder andern Seite groͤßere oder geringere Unvollkommenheit ſein. Welches iſt nun aber der Grund der Verſchiedenheit? Indem wir das Ganze auf einen Willensakt der Verfaſſer zuruͤckfuͤhren, fragt ſich, was hat der eine und der andere gewollt? Die Beziehungen von Stoff und Form ſind dabei nur aͤußerlich. Wollte man ſagen, der eine oder andere habe dabei einen beſtimmten politiſchen oder moraliſchen Zweck gehabt, ſo wuͤrde die Kunſttheorie einwenden, dadurch ſei der reine Charakter des Kunſtwerks verlezt, ein Kunſtwerk muͤſſe keinen beſtimmten Zweck haben. Iſt dieſe Theorie richtig, ſo wuͤrde man nur ſagen duͤrfen, es koͤnne eine beſtimmte Richtung zum Grunde liegen, aber kein beſtimmter Zweck. Dieß gilt aber nur ſofern als das auszulegende Werk ein reines Kunſtwerk iſt, denn da bleibt nichts uͤbrig, es geht alles in Stoff und Form auf. Soll der Werth einer Schrift der eines reinen Kunſtwerks ſein, ſo darf auch nichts anderes in den Keimentſchluß geſezt werden, als die reine Selbſtmanifeſtation in der gegenſeitigen Correſpon- denz von Form und Inhalt. So entſteht aber die Frage fuͤr die Hermeneutik, ob ein Werk als Kunſtwerk angeſehen ſein wolle oder nicht? Wird dieß nun durch die Form beſtimmt oder nicht? Hat ſich in einem beſtimmten Sprach- und Nationalgebiete die
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keit ſeines Verfaſſers, ſo muͤßte das Gebiet, wozu es gehoͤrt,
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chem mechaniſirten Gebiete. Je beſtimmter die Geſeze einer Form
ſind, deſto leerer iſt die Produktion von Eigenthuͤmlichkeit. So
ſteht das individuelle Leben dem Mechaniſirten gegenuͤber. Aber
das Verhaͤltniß iſt in den Schriften verſchieden. Rein tritt das
Individuelle nie zuruͤck.
Hier kommen wir aber in Verlegenheit in Beziehung auf
das, was ſich in der Theorie der Kunſt geltend gemacht hat.
Denke man ſich den Fall der alten Tragoͤdie. Hier iſt die Form
auf eine gewiſſe Weiſe und in einem beſtimmten Grade beſtimmt.
Haben mehrere Dichter denſelben Stoff neben einander zu bearbei-
ten, ſo werden ihre Dispoſitionen ſehr aͤhnlich ſein. Je groͤßer die
Differenz iſt, deſto mehr wird auf der einen oder andern Seite
groͤßere oder geringere Unvollkommenheit ſein. Welches iſt nun
aber der Grund der Verſchiedenheit? Indem wir das Ganze auf
einen Willensakt der Verfaſſer zuruͤckfuͤhren, fragt ſich, was hat
der eine und der andere gewollt? Die Beziehungen von Stoff und
Form ſind dabei nur aͤußerlich. Wollte man ſagen, der eine oder
andere habe dabei einen beſtimmten politiſchen oder moraliſchen
Zweck gehabt, ſo wuͤrde die Kunſttheorie einwenden, dadurch ſei
der reine Charakter des Kunſtwerks verlezt, ein Kunſtwerk muͤſſe
keinen beſtimmten Zweck haben. Iſt dieſe Theorie richtig, ſo
wuͤrde man nur ſagen duͤrfen, es koͤnne eine beſtimmte Richtung
zum Grunde liegen, aber kein beſtimmter Zweck. Dieß gilt aber
nur ſofern als das auszulegende Werk ein reines Kunſtwerk iſt, denn
da bleibt nichts uͤbrig, es geht alles in Stoff und Form auf.
Soll der Werth einer Schrift der eines reinen Kunſtwerks ſein,
ſo darf auch nichts anderes in den Keimentſchluß geſezt werden,
als die reine Selbſtmanifeſtation in der gegenſeitigen Correſpon-
denz von Form und Inhalt. So entſteht aber die Frage fuͤr die
Hermeneutik, ob ein Werk als Kunſtwerk angeſehen ſein wolle oder
nicht? Wird dieß nun durch die Form beſtimmt oder nicht?
Hat ſich in einem beſtimmten Sprach- und Nationalgebiete die
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/187>, abgerufen am 04.12.2024.
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