finden wir die Erklärung derselben schwierig, so ist das nieder- schlagend. Ohne bösen Willen, ohne falsche Absicht kann von den einzelnen Stellen ein sehr verschiedener Gebrauch gemacht werden. Dabei ist das ein günstiger Umstand, daß es Briefe giebt, welche eine didaktische Einheit haben. In diesen liegt das Fundament für die weitere hermeneutische Operation. Dahin ge- hören die Briefe an die Römer, Galater, Hebräer. Freilich hal- ten auch diese die didaktische Einheit nicht rein bestimmt fest, son- dern haben auch Theile, die in freier Ergießung entstanden sind, sie haben Digressionen. Aber die didaktische Einheit des Ganzen ist deutlich ausgesprochen. Sieht man nun die normale Dignität des N. T., das am Ende nur eine Sammlung ist, als Eins an, so muß man von jenen Briefen als Basis ausgehen, und danach die andern schäzen. Eine sichere Schäzung giebt es nicht. Je mehr man aber erst aus der Schrift selbst die obwaltenden Verhältnisse kennen lernen muß, desto weniger ist eine unbestrittene Lösung der Aufgabe zu gewinnen möglich. Sind verschiedene Voraus- sezungen möglich, so ist nur zu entscheiden nach der größeren Über- einstimmung des Einzelnen mit dieser oder jener Einheit. Die Aufstellung von Regeln ist da zu Ende und es beginnt das Reich des Taktes, der aus dem eigenthümlichen Talent der analytischen Combination hervorgeht. Es gilt da nur die Regel, bei jedem einzelnen Fortschritt auch in Beziehung auf die Elemente, die mit der Hauptfrage nicht zusammengehören, die verschiedenen möglichen Ansichten im Auge zu haben.
Kehren wir nun zum Allgemeinen zurück, so kommen wir in Folge der festgestellten Ordnung, indem wir die mehr psycholo- gische Seite der technischen voranschicken wollen, auf die Elemente, welche eigentlich das Technische voraussezen, aber doch nicht aus dem Technischen verstanden werden können.
Die erste Aufgabe war, denjenigen Impuls, der dem ganzen Akt des Schreibens zum Grunde liegt, richtig als Thatsache im
finden wir die Erklaͤrung derſelben ſchwierig, ſo iſt das nieder- ſchlagend. Ohne boͤſen Willen, ohne falſche Abſicht kann von den einzelnen Stellen ein ſehr verſchiedener Gebrauch gemacht werden. Dabei iſt das ein guͤnſtiger Umſtand, daß es Briefe giebt, welche eine didaktiſche Einheit haben. In dieſen liegt das Fundament fuͤr die weitere hermeneutiſche Operation. Dahin ge- hoͤren die Briefe an die Roͤmer, Galater, Hebraͤer. Freilich hal- ten auch dieſe die didaktiſche Einheit nicht rein beſtimmt feſt, ſon- dern haben auch Theile, die in freier Ergießung entſtanden ſind, ſie haben Digreſſionen. Aber die didaktiſche Einheit des Ganzen iſt deutlich ausgeſprochen. Sieht man nun die normale Dignitaͤt des N. T., das am Ende nur eine Sammlung iſt, als Eins an, ſo muß man von jenen Briefen als Baſis ausgehen, und danach die andern ſchaͤzen. Eine ſichere Schaͤzung giebt es nicht. Je mehr man aber erſt aus der Schrift ſelbſt die obwaltenden Verhaͤltniſſe kennen lernen muß, deſto weniger iſt eine unbeſtrittene Loͤſung der Aufgabe zu gewinnen moͤglich. Sind verſchiedene Voraus- ſezungen moͤglich, ſo iſt nur zu entſcheiden nach der groͤßeren Über- einſtimmung des Einzelnen mit dieſer oder jener Einheit. Die Aufſtellung von Regeln iſt da zu Ende und es beginnt das Reich des Taktes, der aus dem eigenthuͤmlichen Talent der analytiſchen Combination hervorgeht. Es gilt da nur die Regel, bei jedem einzelnen Fortſchritt auch in Beziehung auf die Elemente, die mit der Hauptfrage nicht zuſammengehoͤren, die verſchiedenen moͤglichen Anſichten im Auge zu haben.
Kehren wir nun zum Allgemeinen zuruͤck, ſo kommen wir in Folge der feſtgeſtellten Ordnung, indem wir die mehr pſycholo- giſche Seite der techniſchen voranſchicken wollen, auf die Elemente, welche eigentlich das Techniſche vorausſezen, aber doch nicht aus dem Techniſchen verſtanden werden koͤnnen.
Die erſte Aufgabe war, denjenigen Impuls, der dem ganzen Akt des Schreibens zum Grunde liegt, richtig als Thatſache im
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finden wir die Erklaͤrung derſelben ſchwierig, ſo iſt das nieder-
ſchlagend. Ohne boͤſen Willen, ohne falſche Abſicht kann von
den einzelnen Stellen ein ſehr verſchiedener Gebrauch gemacht
werden. Dabei iſt das ein guͤnſtiger Umſtand, daß es Briefe
giebt, welche eine didaktiſche Einheit haben. In dieſen liegt das
Fundament fuͤr die weitere hermeneutiſche Operation. Dahin ge-
hoͤren die Briefe an die Roͤmer, Galater, Hebraͤer. Freilich hal-
ten auch dieſe die didaktiſche Einheit nicht rein beſtimmt feſt, ſon-
dern haben auch Theile, die in freier Ergießung entſtanden ſind,
ſie haben Digreſſionen. Aber die didaktiſche Einheit des Ganzen
iſt deutlich ausgeſprochen. Sieht man nun die normale Dignitaͤt
des N. T., das am Ende nur eine Sammlung iſt, als Eins an,
ſo muß man von jenen Briefen als Baſis ausgehen, und danach die
andern ſchaͤzen. Eine ſichere Schaͤzung giebt es nicht. Je mehr
man aber erſt aus der Schrift ſelbſt die obwaltenden Verhaͤltniſſe
kennen lernen muß, deſto weniger iſt eine unbeſtrittene Loͤſung
der Aufgabe zu gewinnen moͤglich. Sind verſchiedene Voraus-
ſezungen moͤglich, ſo iſt nur zu entſcheiden nach der groͤßeren Über-
einſtimmung des Einzelnen mit dieſer oder jener Einheit. Die
Aufſtellung von Regeln iſt da zu Ende und es beginnt das Reich
des Taktes, der aus dem eigenthuͤmlichen Talent der analytiſchen
Combination hervorgeht. Es gilt da nur die Regel, bei jedem
einzelnen Fortſchritt auch in Beziehung auf die Elemente, die mit
der Hauptfrage nicht zuſammengehoͤren, die verſchiedenen moͤglichen
Anſichten im Auge zu haben.
Kehren wir nun zum Allgemeinen zuruͤck, ſo kommen wir
in Folge der feſtgeſtellten Ordnung, indem wir die mehr pſycholo-
giſche Seite der techniſchen voranſchicken wollen, auf die Elemente,
welche eigentlich das Techniſche vorausſezen, aber doch nicht aus
dem Techniſchen verſtanden werden koͤnnen.
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/212>, abgerufen am 04.12.2024.
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