schlagende Fälle, welche die Sache sogleich entscheiden, auf der einen Seite, und auf der andern solche, welche einen Stachel zurücklassen, eine Unsicherheit, welche nicht überwunden werden kann, ohne daß gegeben wäre, was wirklich Entscheidung bringt. Von beiden Seiten entsteht ein verschiedenes Verfahren. Ist ein entschiedener Punkt gegeben, der die Möglichkeit völlig abschneidet, daß die Schrift von dem bestimmten Verfasser sei, so ist die Sache ausgemacht. Es entsteht dann nur die Frage, wie die Schrift jenem Verfasser hat beigelegt werden können.
Betrachten wir die Sache auf eine allgemeinere Weise, so haben wir zuerst zu untersuchen, ob nicht zwischen dem, was wir zulezt abgehandelt, und dem, womit wir jezt zu thun haben wollen, eine Lücke sei.
Die Anwendbarkeit der Regel, daß mechanische Irrungen immer zuerst wahrscheinlich sind, beschränkt sich, wie oben be- merkt ist, auf einen gewissen Umfang, ein gewisses Maaß von Differenzen. Es kommen aber Fälle vor, wo Differenzen durch Auslassungen oder Zusäze in einem viel größeren Maaße vorkommen. Dieß scheinen wir ausgelassen zu haben. Denn dieß ist nicht dasselbe, als wenn die Rede ist von einer eigenen Schrift, ob sie dem angehört, dem sie beigelegt wird oder nicht. Ist nun hier wirklich eine Lücke? Wir haben oben gesagt, es müsse in allen Fällen, wo Differenzen sind, neben der Möglichkeit der mechani- schen Irrung auch das andere gedacht werden, ob sie nicht viel- leicht durch eine bewußte Handlung entstanden seien. Wie läßt sich entscheiden, ob ein Zusaz der Schrift ursprünglich angehöre oder ob die Auslassung das Ursprüngliche sei? Man muß zuerst auf die hermeneutische Operation Rücksicht nehmen, hier aber beide Fälle sezen. Man seze also, der Zusaz sei ächt. Findet sich dann für die hermeneutische Operation nichts Störendes, so kann man bei der Voraussezung bleiben, findet sich in der Folge eine bestimmte Beziehung auf die zweifelhafte Stelle, so liegt darin eine Bestätigung. Kann man aber bei jener Voraussezung nicht ungestört fortfahren, so ist das ein Grund zu der entgegengesezten
ſchlagende Faͤlle, welche die Sache ſogleich entſcheiden, auf der einen Seite, und auf der andern ſolche, welche einen Stachel zuruͤcklaſſen, eine Unſicherheit, welche nicht uͤberwunden werden kann, ohne daß gegeben waͤre, was wirklich Entſcheidung bringt. Von beiden Seiten entſteht ein verſchiedenes Verfahren. Iſt ein entſchiedener Punkt gegeben, der die Moͤglichkeit voͤllig abſchneidet, daß die Schrift von dem beſtimmten Verfaſſer ſei, ſo iſt die Sache ausgemacht. Es entſteht dann nur die Frage, wie die Schrift jenem Verfaſſer hat beigelegt werden koͤnnen.
Betrachten wir die Sache auf eine allgemeinere Weiſe, ſo haben wir zuerſt zu unterſuchen, ob nicht zwiſchen dem, was wir zulezt abgehandelt, und dem, womit wir jezt zu thun haben wollen, eine Luͤcke ſei.
Die Anwendbarkeit der Regel, daß mechaniſche Irrungen immer zuerſt wahrſcheinlich ſind, beſchraͤnkt ſich, wie oben be- merkt iſt, auf einen gewiſſen Umfang, ein gewiſſes Maaß von Differenzen. Es kommen aber Faͤlle vor, wo Differenzen durch Auslaſſungen oder Zuſaͤze in einem viel groͤßeren Maaße vorkommen. Dieß ſcheinen wir ausgelaſſen zu haben. Denn dieß iſt nicht daſſelbe, als wenn die Rede iſt von einer eigenen Schrift, ob ſie dem angehoͤrt, dem ſie beigelegt wird oder nicht. Iſt nun hier wirklich eine Luͤcke? Wir haben oben geſagt, es muͤſſe in allen Faͤllen, wo Differenzen ſind, neben der Moͤglichkeit der mechani- ſchen Irrung auch das andere gedacht werden, ob ſie nicht viel- leicht durch eine bewußte Handlung entſtanden ſeien. Wie laͤßt ſich entſcheiden, ob ein Zuſaz der Schrift urſpruͤnglich angehoͤre oder ob die Auslaſſung das Urſpruͤngliche ſei? Man muß zuerſt auf die hermeneutiſche Operation Ruͤckſicht nehmen, hier aber beide Faͤlle ſezen. Man ſeze alſo, der Zuſaz ſei aͤcht. Findet ſich dann fuͤr die hermeneutiſche Operation nichts Stoͤrendes, ſo kann man bei der Vorausſezung bleiben, findet ſich in der Folge eine beſtimmte Beziehung auf die zweifelhafte Stelle, ſo liegt darin eine Beſtaͤtigung. Kann man aber bei jener Vorausſezung nicht ungeſtoͤrt fortfahren, ſo iſt das ein Grund zu der entgegengeſezten
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ſchlagende Faͤlle, welche die Sache ſogleich entſcheiden, auf der
einen Seite, und auf der andern ſolche, welche einen Stachel
zuruͤcklaſſen, eine Unſicherheit, welche nicht uͤberwunden werden
kann, ohne daß gegeben waͤre, was wirklich Entſcheidung bringt.
Von beiden Seiten entſteht ein verſchiedenes Verfahren. Iſt ein
entſchiedener Punkt gegeben, der die Moͤglichkeit voͤllig abſchneidet,
daß die Schrift von dem beſtimmten Verfaſſer ſei, ſo iſt die
Sache ausgemacht. Es entſteht dann nur die Frage, wie die
Schrift jenem Verfaſſer hat beigelegt werden koͤnnen.
Betrachten wir die Sache auf eine allgemeinere Weiſe, ſo
haben wir zuerſt zu unterſuchen, ob nicht zwiſchen dem, was
wir zulezt abgehandelt, und dem, womit wir jezt zu thun haben
wollen, eine Luͤcke ſei.
Die Anwendbarkeit der Regel, daß mechaniſche Irrungen
immer zuerſt wahrſcheinlich ſind, beſchraͤnkt ſich, wie oben be-
merkt iſt, auf einen gewiſſen Umfang, ein gewiſſes Maaß von
Differenzen. Es kommen aber Faͤlle vor, wo Differenzen durch
Auslaſſungen oder Zuſaͤze in einem viel groͤßeren Maaße vorkommen.
Dieß ſcheinen wir ausgelaſſen zu haben. Denn dieß iſt nicht
daſſelbe, als wenn die Rede iſt von einer eigenen Schrift, ob ſie
dem angehoͤrt, dem ſie beigelegt wird oder nicht. Iſt nun hier
wirklich eine Luͤcke? Wir haben oben geſagt, es muͤſſe in allen
Faͤllen, wo Differenzen ſind, neben der Moͤglichkeit der mechani-
ſchen Irrung auch das andere gedacht werden, ob ſie nicht viel-
leicht durch eine bewußte Handlung entſtanden ſeien. Wie laͤßt
ſich entſcheiden, ob ein Zuſaz der Schrift urſpruͤnglich angehoͤre
oder ob die Auslaſſung das Urſpruͤngliche ſei? Man muß zuerſt
auf die hermeneutiſche Operation Ruͤckſicht nehmen, hier aber
beide Faͤlle ſezen. Man ſeze alſo, der Zuſaz ſei aͤcht. Findet ſich
dann fuͤr die hermeneutiſche Operation nichts Stoͤrendes, ſo kann
man bei der Vorausſezung bleiben, findet ſich in der Folge eine
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/382>, abgerufen am 05.12.2024.
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