Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.auf uns Frauen sei er gemünzt? Wenn Sie und ich uns auch auf uns Frauen sei er gemünzt? Wenn Sie und ich uns auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="17"/> auf uns Frauen sei er gemünzt? Wenn Sie und ich uns auch<lb/> genau im gleichen Fall befinden und wir beide gegenwärtig nicht<lb/> im Stande sein dürften, die geforderte Maturitätsprüfung befriedigend<lb/> zu bestehen, können wir uns nicht bereits auf Colleginnen berufen,<lb/> die in der That das betreffende Examen abgelegt haben? Befinden<lb/> sich an der Universität Zürich nicht auch Herren, die von der bis-<lb/> her für Ausländer geltenden Freiheit, allhier studiren zu können,<lb/> ohne ein Zeugniss der Reife beibringen zu müssen, gleich uns bei-<lb/> den Gebrauch machten? Wird die neue Bestimmung künftighin<lb/> nicht auf studienlustige Individuen sowohl männlichen als weiblichen<lb/> Geschlechtes ihre Anwendung finden? – Wenn Sie jetzt aber trotz<lb/> alledem noch bei der Meinung verharren, der Paragraph 113 hänge<lb/> mit den jüngsten Vorgängen zusammen, so verweise ich Sie einfach<lb/> auf das Datum der betreffenden, ihn enthaltenden Gesetzesvorlage.<lb/> Vom 17. October 1871 ist dieser Gesetzesvorschlag datirt. Ich frage<lb/> Sie also jetzt noch einmal, was wollen Sie mit Ihrer offensiven<lb/> Vertheidigung? Wollten Sie überhaupt für das Studium der Frauen<lb/> in die Schranken treten, so hätten Sie nach anderer Seite hin Front<lb/> machen sollen. Die Verhältnisse aller andern Universitäten hätten<lb/> Sie zum Angriffsobject nehmen sollen, aber nur nicht die jener fast<lb/> einzigen Hochschule, die factisch uns ja den Genuss der von uns<lb/> beanspruchten Rechte auf wissenschaftliche Ausbildung gewährt,<lb/> die thatsächlich Wohlthat an uns übt und in hochherziger Weise<lb/> unsern geistigen Hunger stillt. Halten wir uns doch an den gün-<lb/> stigen Thatbestand, nicht aber an Gerüchte und Redereien. Ich<lb/> will es Ihnen zugestehen, dass ich in gewisser Beziehung Ihre Auf-<lb/> regung zu begreifen und mich sogar in Ihre Anschauungen und<lb/> Empfindungen hineinzuversetzen vermag. An und für sich warfen<lb/> eben die vielen Gerüchte und Uebertreibungen, die in Betreff der<lb/> Vorgänge an der hiesigen Universität auftauchten und ihren Weg<lb/> leider sogar in die ausländische Presse fanden, im Allgemeinen ein<lb/> ungünstiges Licht auf die ganze Frage der Frauenemanzipation und<lb/> wurden von den Gegnern mit Wohlbehagen ausgebeutet. Und wäre<lb/> nun in der That der immerhin ventilirte Fall eingetreten, und man<lb/> hätte sich genöthigt geglaubt, den Frauen ein ihnen gewährtes Recht<lb/> auf’s Neue entziehen zu müssen, so würde dies allerdings die Be-<lb/> deutung eines verhängnissvollen Rückschlages gehabt haben, und<lb/> hätte sicher den nachtheiligsten Einfluss auf die Frauenfrage aus-<lb/> geübt. Alle Uebelwollenden hätten sich darauf berufen, wie hier-<lb/> mit dem Frauengeschlecht auf’s Neue ein schlimmes Zeugnis aus-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0017]
auf uns Frauen sei er gemünzt? Wenn Sie und ich uns auch
genau im gleichen Fall befinden und wir beide gegenwärtig nicht
im Stande sein dürften, die geforderte Maturitätsprüfung befriedigend
zu bestehen, können wir uns nicht bereits auf Colleginnen berufen,
die in der That das betreffende Examen abgelegt haben? Befinden
sich an der Universität Zürich nicht auch Herren, die von der bis-
her für Ausländer geltenden Freiheit, allhier studiren zu können,
ohne ein Zeugniss der Reife beibringen zu müssen, gleich uns bei-
den Gebrauch machten? Wird die neue Bestimmung künftighin
nicht auf studienlustige Individuen sowohl männlichen als weiblichen
Geschlechtes ihre Anwendung finden? – Wenn Sie jetzt aber trotz
alledem noch bei der Meinung verharren, der Paragraph 113 hänge
mit den jüngsten Vorgängen zusammen, so verweise ich Sie einfach
auf das Datum der betreffenden, ihn enthaltenden Gesetzesvorlage.
Vom 17. October 1871 ist dieser Gesetzesvorschlag datirt. Ich frage
Sie also jetzt noch einmal, was wollen Sie mit Ihrer offensiven
Vertheidigung? Wollten Sie überhaupt für das Studium der Frauen
in die Schranken treten, so hätten Sie nach anderer Seite hin Front
machen sollen. Die Verhältnisse aller andern Universitäten hätten
Sie zum Angriffsobject nehmen sollen, aber nur nicht die jener fast
einzigen Hochschule, die factisch uns ja den Genuss der von uns
beanspruchten Rechte auf wissenschaftliche Ausbildung gewährt,
die thatsächlich Wohlthat an uns übt und in hochherziger Weise
unsern geistigen Hunger stillt. Halten wir uns doch an den gün-
stigen Thatbestand, nicht aber an Gerüchte und Redereien. Ich
will es Ihnen zugestehen, dass ich in gewisser Beziehung Ihre Auf-
regung zu begreifen und mich sogar in Ihre Anschauungen und
Empfindungen hineinzuversetzen vermag. An und für sich warfen
eben die vielen Gerüchte und Uebertreibungen, die in Betreff der
Vorgänge an der hiesigen Universität auftauchten und ihren Weg
leider sogar in die ausländische Presse fanden, im Allgemeinen ein
ungünstiges Licht auf die ganze Frage der Frauenemanzipation und
wurden von den Gegnern mit Wohlbehagen ausgebeutet. Und wäre
nun in der That der immerhin ventilirte Fall eingetreten, und man
hätte sich genöthigt geglaubt, den Frauen ein ihnen gewährtes Recht
auf’s Neue entziehen zu müssen, so würde dies allerdings die Be-
deutung eines verhängnissvollen Rückschlages gehabt haben, und
hätte sicher den nachtheiligsten Einfluss auf die Frauenfrage aus-
geübt. Alle Uebelwollenden hätten sich darauf berufen, wie hier-
mit dem Frauengeschlecht auf’s Neue ein schlimmes Zeugnis aus-
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