Seit meinem Bericht vom 10. v. M. bin ich beson- ders bemüht gewesen, die grosse Ausgrabung an der Nordwestseite des Berges zu beschleunigen, und habe zu diesem Zweck auch von der Westseite einen tiefen Einschnitt angelegt, in welchem ich leider in schräger Richtung auf die 4 Meter hohe, 3 Meter dicke Ring- mauer des Lysimachos stiess. Ich war somit gezwungen, von dieser eine doppelte Masse Steine herauszubrechen, um mir Eingang zu verschaffen, stiess aber darauf auf die Trümmer riesiger Bauten aus hellenischer und vor- hellenischer Zeit, sodass diese Ausgrabung nur lang- sam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 21 Meter vom Bergabhange stiess ich hier, in 6 Meter Tiefe, auf eine 1 Meter 50 Centimeter hohe, mit hervor- stehender Zinne gebaute alte Ringmauer, die nicht mit der vom Skaeischen Thor in westnordwestlicher Rich- tung fortlaufenden Mauer in Verbindung steht, auch wegen ihrer ganz verschiedenen Bauart und geringen Höhe aus nachtrojanischer Zeit stammen muss; jedenfalls aber ist sie viel älter als die griechische Colonie, weil sie aus Steinen und Erde gebaut ist und ich neben ihr mehrere marmorne Idole der ilischen Schutzgöttin fand.
fortsetzung der ausgrabung an der nordwestseite.
XXIII.
Troja, 17. Juni 1873.
Seit meinem Bericht vom 10. v. M. bin ich beson- ders bemüht gewesen, die grosse Ausgrabung an der Nordwestseite des Berges zu beschleunigen, und habe zu diesem Zweck auch von der Westseite einen tiefen Einschnitt angelegt, in welchem ich leider in schräger Richtung auf die 4 Meter hohe, 3 Meter dicke Ring- mauer des Lysimachos stiess. Ich war somit gezwungen, von dieser eine doppelte Masse Steine herauszubrechen, um mir Eingang zu verschaffen, stiess aber darauf auf die Trümmer riesiger Bauten aus hellenischer und vor- hellenischer Zeit, sodass diese Ausgrabung nur lang- sam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 21 Meter vom Bergabhange stiess ich hier, in 6 Meter Tiefe, auf eine 1 Meter 50 Centimeter hohe, mit hervor- stehender Zinne gebaute alte Ringmauer, die nicht mit der vom Skaeischen Thor in westnordwestlicher Rich- tung fortlaufenden Mauer in Verbindung steht, auch wegen ihrer ganz verschiedenen Bauart und geringen Höhe aus nachtrojanischer Zeit stammen muss; jedenfalls aber ist sie viel älter als die griechische Colonie, weil sie aus Steinen und Erde gebaut ist und ich neben ihr mehrere marmorne Idole der ilischen Schutzgöttin fand.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0354"n="288"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#k">fortsetzung der ausgrabung an der nordwestseite.</hi></fw><lb/><divn="1"><head>XXIII.</head><lb/><opener><dateline><placeName>Troja, 17. Juni 1873.</placeName></dateline></opener><lb/><p>Seit meinem Bericht vom 10. v. M. bin ich beson-<lb/>
ders bemüht gewesen, die grosse Ausgrabung an der<lb/>
Nordwestseite des Berges zu beschleunigen, und habe<lb/>
zu diesem Zweck auch von der Westseite einen tiefen<lb/>
Einschnitt angelegt, in welchem ich leider in schräger<lb/>
Richtung auf die 4 Meter hohe, 3 Meter dicke Ring-<lb/>
mauer des Lysimachos stiess. Ich war somit gezwungen,<lb/>
von dieser eine doppelte Masse Steine herauszubrechen,<lb/>
um mir Eingang zu verschaffen, stiess aber darauf auf<lb/>
die Trümmer riesiger Bauten aus hellenischer und vor-<lb/>
hellenischer Zeit, sodass diese Ausgrabung nur lang-<lb/>
sam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 21<lb/>
Meter vom Bergabhange stiess ich hier, in 6 Meter<lb/>
Tiefe, auf eine 1 Meter 50 Centimeter hohe, mit hervor-<lb/>
stehender Zinne gebaute alte Ringmauer, die nicht mit<lb/>
der vom Skaeischen Thor in westnordwestlicher Rich-<lb/>
tung fortlaufenden Mauer in Verbindung steht, auch<lb/>
wegen ihrer ganz verschiedenen Bauart und geringen<lb/>
Höhe aus nachtrojanischer Zeit stammen muss; jedenfalls<lb/>
aber ist sie viel älter als die griechische Colonie, weil<lb/>
sie aus Steinen und Erde gebaut ist und ich neben ihr<lb/>
mehrere marmorne Idole der ilischen Schutzgöttin fand.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[288/0354]
fortsetzung der ausgrabung an der nordwestseite.
XXIII.
Troja, 17. Juni 1873.
Seit meinem Bericht vom 10. v. M. bin ich beson-
ders bemüht gewesen, die grosse Ausgrabung an der
Nordwestseite des Berges zu beschleunigen, und habe
zu diesem Zweck auch von der Westseite einen tiefen
Einschnitt angelegt, in welchem ich leider in schräger
Richtung auf die 4 Meter hohe, 3 Meter dicke Ring-
mauer des Lysimachos stiess. Ich war somit gezwungen,
von dieser eine doppelte Masse Steine herauszubrechen,
um mir Eingang zu verschaffen, stiess aber darauf auf
die Trümmer riesiger Bauten aus hellenischer und vor-
hellenischer Zeit, sodass diese Ausgrabung nur lang-
sam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 21
Meter vom Bergabhange stiess ich hier, in 6 Meter
Tiefe, auf eine 1 Meter 50 Centimeter hohe, mit hervor-
stehender Zinne gebaute alte Ringmauer, die nicht mit
der vom Skaeischen Thor in westnordwestlicher Rich-
tung fortlaufenden Mauer in Verbindung steht, auch
wegen ihrer ganz verschiedenen Bauart und geringen
Höhe aus nachtrojanischer Zeit stammen muss; jedenfalls
aber ist sie viel älter als die griechische Colonie, weil
sie aus Steinen und Erde gebaut ist und ich neben ihr
mehrere marmorne Idole der ilischen Schutzgöttin fand.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schliemann, Heinrich: Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja. Leipzig, 1874, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schliemann_trojanische_1874/354>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.