Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772.
Neue Geschichte. ward der Kaufmann ein Prophet; selbst dergescheute Abubekr erkannte ihn: Mecka schmählete und spottete, Mohämmed hüllete sich in seinen Mantel, der Engel Gabriel er- schien ihm, und er tröstete sich, und fuhr fort zu predigen. Sein Anhang verstärkete sich, und Mecka verfolgete ihn: Verfolgung aber ohne Einsperrung macht das Glück der Schwärmer. Die Bürger von Medina, natürliche Feinde von Mecka, traten auf seine Seite: nun ward der Prophet ein Eroberer; der Menschenfreund, der bis dahin nur Sanft- muth und Toleranz gepredigt hatte, brauchte Feuer und Schwerdt gegen seine Widersa- cher, nahm Mecka mit Sturm ein, und be- kehrte und unterjochete ganz Arabien. Die- ses ihm selbst unerwartete zu grosse Glück richtete in seinem vorhin schon kranken Ge- hirne greuliche Zerrüttungen an. Der ehrliche Mann erlaubte sich nunmehr Handlungen des Bösewichts: denn Propheten sind über die Verbindlichkeiten gemeiner Sterblichen erhaben. Der kluge Mann begieng einfäl- tige Streiche, im Vertrauen auf sein Glück, von dem er trunken war. So lassen sich alle Widersprüche in dem sonst unerklärlichen Cha- racter Mohämmeds erklären. Seine
Neue Geſchichte. ward der Kaufmann ein Prophet; ſelbſt dergeſcheute Abubekr erkannte ihn: Mecka ſchmaͤhlete und ſpottete, Mohaͤmmed huͤllete ſich in ſeinen Mantel, der Engel Gabriel er- ſchien ihm, und er troͤſtete ſich, und fuhr fort zu predigen. Sein Anhang verſtaͤrkete ſich, und Mecka verfolgete ihn: Verfolgung aber ohne Einſperrung macht das Gluͤck der Schwaͤrmer. Die Buͤrger von Medina, natuͤrliche Feinde von Mecka, traten auf ſeine Seite: nun ward der Prophet ein Eroberer; der Menſchenfreund, der bis dahin nur Sanft- muth und Toleranz gepredigt hatte, brauchte Feuer und Schwerdt gegen ſeine Widerſa- cher, nahm Mecka mit Sturm ein, und be- kehrte und unterjochete ganz Arabien. Die- ſes ihm ſelbſt unerwartete zu groſſe Gluͤck richtete in ſeinem vorhin ſchon kranken Ge- hirne greuliche Zerruͤttungen an. Der ehrliche Mann erlaubte ſich nunmehr Handlungen des Boͤſewichts: denn Propheten ſind uͤber die Verbindlichkeiten gemeiner Sterblichen erhaben. Der kluge Mann begieng einfaͤl- tige Streiche, im Vertrauen auf ſein Gluͤck, von dem er trunken war. So laſſen ſich alle Widerſpruͤche in dem ſonſt unerklaͤrlichen Cha- racter Mohaͤmmeds erklaͤren. Seine
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0212" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Neue Geſchichte.</hi></fw><lb/> ward der Kaufmann ein Prophet; ſelbſt der<lb/> geſcheute Abubekr erkannte ihn: Mecka<lb/> ſchmaͤhlete und ſpottete, Mohaͤmmed huͤllete<lb/> ſich in ſeinen Mantel, der Engel Gabriel er-<lb/> ſchien ihm, und er troͤſtete ſich, und fuhr<lb/> fort zu predigen. Sein Anhang verſtaͤrkete<lb/> ſich, und Mecka verfolgete ihn: Verfolgung<lb/> aber ohne Einſperrung macht das Gluͤck der<lb/> Schwaͤrmer. Die Buͤrger von Medina,<lb/> natuͤrliche Feinde von Mecka, traten auf ſeine<lb/> Seite: nun ward der Prophet ein Eroberer; der<lb/> Menſchenfreund, der bis dahin nur Sanft-<lb/> muth und Toleranz gepredigt hatte, brauchte<lb/> Feuer und Schwerdt gegen ſeine Widerſa-<lb/> cher, nahm Mecka mit Sturm ein, und be-<lb/> kehrte und unterjochete ganz Arabien. Die-<lb/> ſes ihm ſelbſt unerwartete zu groſſe Gluͤck<lb/> richtete in ſeinem vorhin ſchon kranken Ge-<lb/> hirne greuliche Zerruͤttungen an. Der ehrliche<lb/> Mann erlaubte ſich nunmehr Handlungen des<lb/> Boͤſewichts: denn Propheten ſind uͤber<lb/> die Verbindlichkeiten gemeiner Sterblichen<lb/> erhaben. Der kluge Mann begieng einfaͤl-<lb/> tige Streiche, im Vertrauen auf ſein Gluͤck,<lb/> von dem er trunken war. So laſſen ſich alle<lb/> Widerſpruͤche in dem ſonſt unerklaͤrlichen Cha-<lb/> racter Mohaͤmmeds erklaͤren.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Seine</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0212]
Neue Geſchichte.
ward der Kaufmann ein Prophet; ſelbſt der
geſcheute Abubekr erkannte ihn: Mecka
ſchmaͤhlete und ſpottete, Mohaͤmmed huͤllete
ſich in ſeinen Mantel, der Engel Gabriel er-
ſchien ihm, und er troͤſtete ſich, und fuhr
fort zu predigen. Sein Anhang verſtaͤrkete
ſich, und Mecka verfolgete ihn: Verfolgung
aber ohne Einſperrung macht das Gluͤck der
Schwaͤrmer. Die Buͤrger von Medina,
natuͤrliche Feinde von Mecka, traten auf ſeine
Seite: nun ward der Prophet ein Eroberer; der
Menſchenfreund, der bis dahin nur Sanft-
muth und Toleranz gepredigt hatte, brauchte
Feuer und Schwerdt gegen ſeine Widerſa-
cher, nahm Mecka mit Sturm ein, und be-
kehrte und unterjochete ganz Arabien. Die-
ſes ihm ſelbſt unerwartete zu groſſe Gluͤck
richtete in ſeinem vorhin ſchon kranken Ge-
hirne greuliche Zerruͤttungen an. Der ehrliche
Mann erlaubte ſich nunmehr Handlungen des
Boͤſewichts: denn Propheten ſind uͤber
die Verbindlichkeiten gemeiner Sterblichen
erhaben. Der kluge Mann begieng einfaͤl-
tige Streiche, im Vertrauen auf ſein Gluͤck,
von dem er trunken war. So laſſen ſich alle
Widerſpruͤche in dem ſonſt unerklaͤrlichen Cha-
racter Mohaͤmmeds erklaͤren.
Seine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/212 |
| Zitationshilfe: | Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/212>, abgerufen am 23.11.2024. |
