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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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gebethen, gesungen und kläglich gethan hätte, wenn man ihme nur die Frey-
heit verstattet, daß er die Damm-Mühlen Plünderung verschweigen dürf-
fen; Allein das war unser Werck nicht, waren wir bißhero mit GOtt ziem-
lich durch dieses Mannes Boßheit gebrochen, so hofften wir auch mit GOtt
durch die Heucheley zukommen.

§. 142.

Wir funden auch, daß ers näher an sich treten ließ, nur
wie er alle Tage neue Schieffer deckete so ging es noch weiter hin mit sol-
chem Zeuge, am ersten Tage hernach wolte er sich todes würdig, wegen der
Mühlen-Plünderung ansehen; Allein er wolte nicht mit dem Rade, son-
dern mit dem Schwerdte getödtet seyn, weil er ja in der Mühlen keinen
Menschen ermordet, sondern nur geplündert hätte; des folgenden Tages
war wieder was neues: Er wolte erst Fixeln abgethan sehen, wenn dieser
würde executiret seyn, wolte er sich sodann auch gerne abthun lassen, massen
er immer glaubete Fixel würde Pardon erhalten. Es waren aber lauter un-
nöthige Dinge, die er unmüglich mit Ernst also, als wärens seine Hinder-
nisse, vorschützen konte, sondern daß es doch müste was gesaget heissen, stel-
lete er solches unnütze Zeug vor, und glaube ich gewiß, wenn er über Jahr
und Tag gesessen und auf seinen Tod harren sollen, der Schwürigkeiten
würden unzehlig mehr von ihme erdacht worden seyn.

§. 143.

Jch sagte solches dem armen Fixel, der sich über diese Thor-
heit betrübte, und zur Antwort gab: Es solte ihm hertzlich leid thun, wenn
er einen eintzigen jämmerlichen Tod mit anschauen solte, und sofern er von
seiner ersten Abthuung könte Trost gewinnen, wolte er den König selbst bit-
ten lassen, daß er der erste in der Execution würde, wolte ihme auch noch
diesen Mittag solchen unnöthigen Scrupel benehmen und bitten lassen, was
nöthigers nunmehro zu besorgen. Solche Rede dieses jungen Menschen
beschämete den alten Schieferdecker nicht wenig, als man dieselbe wieder sagte,
daß er auch selbst stutzig wurde, und nicht wuste, was er aus solcher declarirten
Glaubens-Tapferkeit machen solte.

§. 144.

Unser wündschen von GOtt war, daß wir seine Seele nur
in solchem Stande befestigen möchten, von denen Postulatis gedächten wir
ihn endlich auch herabzubringen, daß ihme so wenig seine Todes-Art, als die
Reihe an den Tod zu gehen solte im Wege bleiben, sofern die Seele in
Busse und Verlangen nach dem ewigen Leben sich recht würde einführen
lassen. Solches alles aber musten wir lediglich GOtt überlassen, und von
einer Morgen-Wache bis zur andern warten, wenn es zu sothanem er-

wünsch-

gebethen, geſungen und klaͤglich gethan haͤtte, wenn man ihme nur die Frey-
heit verſtattet, daß er die Damm-Muͤhlen Pluͤnderung verſchweigen duͤrf-
fen; Allein das war unſer Werck nicht, waren wir bißhero mit GOtt ziem-
lich durch dieſes Mannes Boßheit gebrochen, ſo hofften wir auch mit GOtt
durch die Heucheley zukommen.

§. 142.

Wir funden auch, daß ers naͤher an ſich treten ließ, nur
wie er alle Tage neue Schieffer deckete ſo ging es noch weiter hin mit ſol-
chem Zeuge, am erſten Tage hernach wolte er ſich todes wuͤrdig, wegen der
Muͤhlen-Pluͤnderung anſehen; Allein er wolte nicht mit dem Rade, ſon-
dern mit dem Schwerdte getoͤdtet ſeyn, weil er ja in der Muͤhlen keinen
Menſchen ermordet, ſondern nur gepluͤndert haͤtte; des folgenden Tages
war wieder was neues: Er wolte erſt Fixeln abgethan ſehen, wenn dieſer
wuͤrde executiret ſeyn, wolte er ſich ſodann auch gerne abthun laſſen, maſſen
er immer glaubete Fixel wuͤrde Pardon erhalten. Es waren aber lauter un-
noͤthige Dinge, die er unmuͤglich mit Ernſt alſo, als waͤrens ſeine Hinder-
niſſe, vorſchuͤtzen konte, ſondern daß es doch muͤſte was geſaget heiſſen, ſtel-
lete er ſolches unnuͤtze Zeug vor, und glaube ich gewiß, wenn er uͤber Jahr
und Tag geſeſſen und auf ſeinen Tod harren ſollen, der Schwuͤrigkeiten
wuͤrden unzehlig mehr von ihme erdacht worden ſeyn.

§. 143.

Jch ſagte ſolches dem armen Fixel, der ſich über dieſe Thor-
heit betruͤbte, und zur Antwort gab: Es ſolte ihm hertzlich leid thun, wenn
er einen eintzigen jaͤmmerlichen Tod mit anſchauen ſolte, und ſofern er von
ſeiner erſten Abthuung koͤnte Troſt gewinnen, wolte er den Koͤnig ſelbſt bit-
ten laſſen, daß er der erſte in der Execution wuͤrde, wolte ihme auch noch
dieſen Mittag ſolchen unnoͤthigen Scrupel benehmen und bitten laſſen, was
noͤthigers nunmehro zu beſorgen. Solche Rede dieſes jungen Menſchen
beſchaͤmete den alten Schieferdecker nicht wenig, als man dieſelbe wieder ſagte,
daß er auch ſelbſt ſtutzig wurde, und nicht wuſte, was er aus ſolcher declarirten
Glaubens-Tapferkeit machen ſolte.

§. 144.

Unſer wuͤndſchen von GOtt war, daß wir ſeine Seele nur
in ſolchem Stande befeſtigen moͤchten, von denen Poſtulatis gedaͤchten wir
ihn endlich auch herabzubringen, daß ihme ſo wenig ſeine Todes-Art, als die
Reihe an den Tod zu gehen ſolte im Wege bleiben, ſofern die Seele in
Buſſe und Verlangen nach dem ewigen Leben ſich recht wuͤrde einführen
laſſen. Solches alles aber muſten wir lediglich GOtt uͤberlaſſen, und von
einer Morgen-Wache bis zur andern warten, wenn es zu ſothanem er-

wuͤnſch-
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[96[94]/0102] gebethen, geſungen und klaͤglich gethan haͤtte, wenn man ihme nur die Frey- heit verſtattet, daß er die Damm-Muͤhlen Pluͤnderung verſchweigen duͤrf- fen; Allein das war unſer Werck nicht, waren wir bißhero mit GOtt ziem- lich durch dieſes Mannes Boßheit gebrochen, ſo hofften wir auch mit GOtt durch die Heucheley zukommen. §. 142. Wir funden auch, daß ers naͤher an ſich treten ließ, nur wie er alle Tage neue Schieffer deckete ſo ging es noch weiter hin mit ſol- chem Zeuge, am erſten Tage hernach wolte er ſich todes wuͤrdig, wegen der Muͤhlen-Pluͤnderung anſehen; Allein er wolte nicht mit dem Rade, ſon- dern mit dem Schwerdte getoͤdtet ſeyn, weil er ja in der Muͤhlen keinen Menſchen ermordet, ſondern nur gepluͤndert haͤtte; des folgenden Tages war wieder was neues: Er wolte erſt Fixeln abgethan ſehen, wenn dieſer wuͤrde executiret ſeyn, wolte er ſich ſodann auch gerne abthun laſſen, maſſen er immer glaubete Fixel wuͤrde Pardon erhalten. Es waren aber lauter un- noͤthige Dinge, die er unmuͤglich mit Ernſt alſo, als waͤrens ſeine Hinder- niſſe, vorſchuͤtzen konte, ſondern daß es doch muͤſte was geſaget heiſſen, ſtel- lete er ſolches unnuͤtze Zeug vor, und glaube ich gewiß, wenn er uͤber Jahr und Tag geſeſſen und auf ſeinen Tod harren ſollen, der Schwuͤrigkeiten wuͤrden unzehlig mehr von ihme erdacht worden ſeyn. §. 143. Jch ſagte ſolches dem armen Fixel, der ſich über dieſe Thor- heit betruͤbte, und zur Antwort gab: Es ſolte ihm hertzlich leid thun, wenn er einen eintzigen jaͤmmerlichen Tod mit anſchauen ſolte, und ſofern er von ſeiner erſten Abthuung koͤnte Troſt gewinnen, wolte er den Koͤnig ſelbſt bit- ten laſſen, daß er der erſte in der Execution wuͤrde, wolte ihme auch noch dieſen Mittag ſolchen unnoͤthigen Scrupel benehmen und bitten laſſen, was noͤthigers nunmehro zu beſorgen. Solche Rede dieſes jungen Menſchen beſchaͤmete den alten Schieferdecker nicht wenig, als man dieſelbe wieder ſagte, daß er auch ſelbſt ſtutzig wurde, und nicht wuſte, was er aus ſolcher declarirten Glaubens-Tapferkeit machen ſolte. §. 144. Unſer wuͤndſchen von GOtt war, daß wir ſeine Seele nur in ſolchem Stande befeſtigen moͤchten, von denen Poſtulatis gedaͤchten wir ihn endlich auch herabzubringen, daß ihme ſo wenig ſeine Todes-Art, als die Reihe an den Tod zu gehen ſolte im Wege bleiben, ſofern die Seele in Buſſe und Verlangen nach dem ewigen Leben ſich recht wuͤrde einführen laſſen. Solches alles aber muſten wir lediglich GOtt uͤberlaſſen, und von einer Morgen-Wache bis zur andern warten, wenn es zu ſothanem er- wuͤnſch-

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 96[94]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/102>, abgerufen am 22.11.2024.