Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

ten wären, und wolte sich soviel inniglicher darüber freuen, daß numehro
sein seliger Tod ihn völlig, solcher und allen andern Gefährlichkeiten in der
Welt entreissen würde. Jch freuete mich nicht wenig über sein Selbst-
Gerichte, versetzte ihm nur darauf Pauli Worte: So wir uns selber rich-
ten, so werden wir nicht gerichtet. Schieferdecker aber wolte sich weder
schämen noch grämen, gab wol gar denen Gerichten Schuld, warum sie
ihn diese Reise nach Spandow thun lassen, da sie doch gewust, daß er nach
wenigen Tagen solte abgethan werden. Da man nun merckete, wo er wie-
der hinein wolte, nemlich in seine alte Schwürigkeiten, brach man lieber
von solchem Handel ab, und verspahrete es, biß bequemere Stunden kä-
men, zu welchen man die Völlerey, als eins seiner Hauptlaster mit mehrer
Frucht rügen könte.

§. 150.

Jhro Majestät ersetzte diesen Tag nach Spandow von selbst
mit einem neuen Termino, daß sie also nicht am Dienstag, sondern an dem
drauf folgenden Mittewoche solten abgethan werden, sie auch also in ihrer
besorglichen Unbußfertigkeit nichts vorzuwenden finden konnten. Denn es
schiene schon, daß sich der Kranichfeld dieses nicht zum besten gebrauchen wolte,
wenn er so wenig Tage noch übrig zum Tode haben sollen, und dennoch
kurtz vor seinem Tode nach Spandowhätte geführet werden müssen: Jndessen
durffte er sich solches doch nicht verlauten lassen, ohngeacht ers uns Predi-
gern deutlich genug zu verstehen gab.

§. 151.

Wie ihnen solches in der Gerichts-Stube angesaget wurde,
war der Nachrichter von Franckfurt Stoff verschrieben, deme, weil unser
ordentlicher Scharffrichter drey Tage zuvor gestorben war, die Execution
anvertrauet wurde, Fixel gesellete sich zu demselben, und recommendirte sich
ihme als ein Sohn dem Vater zur Züchtigung, mit Bitte, sein Urthel an
ihme getrost und väterlich zu thun, er solte an ihme anders nichts thun, als
seiner Seelen aus dem sündlichen Leibe forderlich zum Himmel zu seyn. Man
wunderte sich dessen von dem Fixel, und meynete, er wäre dazu von uns aufge-
bracht worden, solches zum Scharffrichter zu sagen; Allein er redete solches aus
eigenem Triebe, konnte es auch nunmehro durch GOttes Gnade selber thun, da
er die Gerichte GOttes in der Welt in Ehrerbietigkeit hatte kennen lernen.

§. 152.

Schieffer-Decker that ziemlich zahm und gütig, da ihm
dieser Scharffrichter ebenfals zur rechten Busse gute Vorstellung that, und
hielt sein gesprochenes Wort, daß es ihm lieber wäre vom Franckfurtschen
als von einem andern Nachrichter getödtet zu werden, lobete auch diesen, daß

er
N 2

ten waͤren, und wolte ſich ſoviel inniglicher daruͤber freuen, daß numehro
ſein ſeliger Tod ihn voͤllig, ſolcher und allen andern Gefaͤhrlichkeiten in der
Welt entreiſſen wuͤrde. Jch freuete mich nicht wenig uͤber ſein Selbſt-
Gerichte, verſetzte ihm nur darauf Pauli Worte: So wir uns ſelber rich-
ten, ſo werden wir nicht gerichtet. Schieferdecker aber wolte ſich weder
ſchaͤmen noch graͤmen, gab wol gar denen Gerichten Schuld, warum ſie
ihn dieſe Reiſe nach Spandow thun laſſen, da ſie doch gewuſt, daß er nach
wenigen Tagen ſolte abgethan werden. Da man nun merckete, wo er wie-
der hinein wolte, nemlich in ſeine alte Schwuͤrigkeiten, brach man lieber
von ſolchem Handel ab, und verſpahrete es, biß bequemere Stunden kaͤ-
men, zu welchen man die Voͤllerey, als eins ſeiner Hauptlaſter mit mehrer
Frucht ruͤgen koͤnte.

§. 150.

Jhro Majeſtaͤt erſetzte dieſen Tag nach Spandow von ſelbſt
mit einem neuen Termino, daß ſie alſo nicht am Dienſtag, ſondern an dem
drauf folgenden Mittewoche ſolten abgethan werden, ſie auch alſo in ihrer
beſorglichen Unbußfertigkeit nichts vorzuwenden finden konnten. Denn es
ſchiene ſchon, daß ſich der Kranichfeld dieſes nicht zum beſten gebrauchen wolte,
wenn er ſo wenig Tage noch uͤbrig zum Tode haben ſollen, und dennoch
kurtz vor ſeinem Tode nach Spandowhaͤtte gefuͤhret werden muͤſſen: Jndeſſen
durffte er ſich ſolches doch nicht verlauten laſſen, ohngeacht ers uns Predi-
gern deutlich genug zu verſtehen gab.

§. 151.

Wie ihnen ſolches in der Gerichts-Stube angeſaget wurde,
war der Nachrichter von Franckfurt Stoff verſchrieben, deme, weil unſer
ordentlicher Scharffrichter drey Tage zuvor geſtorben war, die Execution
anvertrauet wurde, Fixel geſellete ſich zu demſelben, und recommendirte ſich
ihme als ein Sohn dem Vater zur Zuͤchtigung, mit Bitte, ſein Urthel an
ihme getroſt und vaͤterlich zu thun, er ſolte an ihme anders nichts thun, als
ſeiner Seelen aus dem ſuͤndlichen Leibe forderlich zum Himmel zu ſeyn. Man
wunderte ſich deſſen von dem Fixel, und meynete, er waͤre dazu von uns aufge-
bracht worden, ſolches zum Scharffrichter zu ſagen; Allein er redete ſolches aus
eigenem Triebe, konnte es auch nunmehro durch GOttes Gnade ſelber thun, da
er die Gerichte GOttes in der Welt in Ehrerbietigkeit hatte kennen lernen.

§. 152.

Schieffer-Decker that ziemlich zahm und guͤtig, da ihm
dieſer Scharffrichter ebenfals zur rechten Buſſe gute Vorſtellung that, und
hielt ſein geſprochenes Wort, daß es ihm lieber waͤre vom Franckfurtſchen
als von einem andern Nachrichter getoͤdtet zu werden, lobete auch dieſen, daß

er
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="99[97]"/>
ten wa&#x0364;ren, und wolte &#x017F;ich &#x017F;oviel inniglicher daru&#x0364;ber freuen, daß numehro<lb/>
&#x017F;ein &#x017F;eliger Tod ihn vo&#x0364;llig, &#x017F;olcher und allen andern Gefa&#x0364;hrlichkeiten in der<lb/>
Welt entrei&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde. Jch freuete mich nicht wenig u&#x0364;ber &#x017F;ein Selb&#x017F;t-<lb/>
Gerichte, ver&#x017F;etzte ihm nur darauf Pauli Worte: So wir uns &#x017F;elber rich-<lb/>
ten, &#x017F;o werden wir nicht gerichtet. Schieferdecker aber wolte &#x017F;ich weder<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;men noch gra&#x0364;men, gab wol gar denen Gerichten Schuld, warum &#x017F;ie<lb/>
ihn die&#x017F;e Rei&#x017F;e nach Spandow thun la&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;ie doch gewu&#x017F;t, daß er nach<lb/>
wenigen Tagen &#x017F;olte abgethan werden. Da man nun merckete, wo er wie-<lb/>
der hinein wolte, nemlich in &#x017F;eine alte Schwu&#x0364;rigkeiten, brach man lieber<lb/>
von &#x017F;olchem Handel ab, und ver&#x017F;pahrete es, biß bequemere Stunden ka&#x0364;-<lb/>
men, zu welchen man die Vo&#x0364;llerey, als eins &#x017F;einer Hauptla&#x017F;ter mit mehrer<lb/>
Frucht ru&#x0364;gen ko&#x0364;nte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 150.</head>
        <p>Jhro Maje&#x017F;ta&#x0364;t er&#x017F;etzte die&#x017F;en Tag nach Spandow von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit einem neuen <hi rendition="#aq">Termino,</hi> daß &#x017F;ie al&#x017F;o nicht am Dien&#x017F;tag, &#x017F;ondern an dem<lb/>
drauf folgenden Mittewoche &#x017F;olten abgethan werden, &#x017F;ie auch al&#x017F;o in ihrer<lb/>
be&#x017F;orglichen Unbußfertigkeit nichts vorzuwenden finden konnten. Denn es<lb/>
&#x017F;chiene &#x017F;chon, daß &#x017F;ich der Kranichfeld die&#x017F;es nicht zum be&#x017F;ten gebrauchen wolte,<lb/>
wenn er &#x017F;o wenig Tage noch u&#x0364;brig zum Tode haben &#x017F;ollen, und dennoch<lb/>
kurtz vor &#x017F;einem Tode nach Spandowha&#x0364;tte gefu&#x0364;hret werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: Jnde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
durffte er &#x017F;ich &#x017F;olches doch nicht verlauten la&#x017F;&#x017F;en, ohngeacht ers uns Predi-<lb/>
gern deutlich genug zu ver&#x017F;tehen gab.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 151.</head>
        <p>Wie ihnen &#x017F;olches in der Gerichts-Stube ange&#x017F;aget wurde,<lb/>
war der Nachrichter von Franckfurt Stoff ver&#x017F;chrieben, deme, weil un&#x017F;er<lb/>
ordentlicher Scharffrichter drey Tage zuvor ge&#x017F;torben war, die <hi rendition="#aq">Execution</hi><lb/>
anvertrauet wurde, Fixel ge&#x017F;ellete &#x017F;ich zu dem&#x017F;elben, und <hi rendition="#aq">recommendir</hi>te &#x017F;ich<lb/>
ihme als ein Sohn dem Vater zur Zu&#x0364;chtigung, mit Bitte, &#x017F;ein Urthel an<lb/>
ihme getro&#x017F;t und va&#x0364;terlich zu thun, er &#x017F;olte an ihme anders nichts thun, als<lb/>
&#x017F;einer Seelen aus dem &#x017F;u&#x0364;ndlichen Leibe forderlich zum Himmel zu &#x017F;eyn. Man<lb/>
wunderte &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en von dem Fixel, und meynete, er wa&#x0364;re dazu von uns aufge-<lb/>
bracht worden, &#x017F;olches zum Scharffrichter zu &#x017F;agen; Allein er redete &#x017F;olches aus<lb/>
eigenem Triebe, konnte es auch nunmehro durch GOttes Gnade &#x017F;elber thun, da<lb/>
er die Gerichte GOttes in der Welt in Ehrerbietigkeit hatte kennen lernen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 152.</head>
        <p>Schieffer-Decker that ziemlich zahm und gu&#x0364;tig, da ihm<lb/>
die&#x017F;er Scharffrichter ebenfals zur rechten Bu&#x017F;&#x017F;e gute Vor&#x017F;tellung that, und<lb/>
hielt &#x017F;ein ge&#x017F;prochenes Wort, daß es ihm lieber wa&#x0364;re vom Franckfurt&#x017F;chen<lb/>
als von einem andern Nachrichter geto&#x0364;dtet zu werden, lobete auch die&#x017F;en, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99[97]/0105] ten waͤren, und wolte ſich ſoviel inniglicher daruͤber freuen, daß numehro ſein ſeliger Tod ihn voͤllig, ſolcher und allen andern Gefaͤhrlichkeiten in der Welt entreiſſen wuͤrde. Jch freuete mich nicht wenig uͤber ſein Selbſt- Gerichte, verſetzte ihm nur darauf Pauli Worte: So wir uns ſelber rich- ten, ſo werden wir nicht gerichtet. Schieferdecker aber wolte ſich weder ſchaͤmen noch graͤmen, gab wol gar denen Gerichten Schuld, warum ſie ihn dieſe Reiſe nach Spandow thun laſſen, da ſie doch gewuſt, daß er nach wenigen Tagen ſolte abgethan werden. Da man nun merckete, wo er wie- der hinein wolte, nemlich in ſeine alte Schwuͤrigkeiten, brach man lieber von ſolchem Handel ab, und verſpahrete es, biß bequemere Stunden kaͤ- men, zu welchen man die Voͤllerey, als eins ſeiner Hauptlaſter mit mehrer Frucht ruͤgen koͤnte. §. 150. Jhro Majeſtaͤt erſetzte dieſen Tag nach Spandow von ſelbſt mit einem neuen Termino, daß ſie alſo nicht am Dienſtag, ſondern an dem drauf folgenden Mittewoche ſolten abgethan werden, ſie auch alſo in ihrer beſorglichen Unbußfertigkeit nichts vorzuwenden finden konnten. Denn es ſchiene ſchon, daß ſich der Kranichfeld dieſes nicht zum beſten gebrauchen wolte, wenn er ſo wenig Tage noch uͤbrig zum Tode haben ſollen, und dennoch kurtz vor ſeinem Tode nach Spandowhaͤtte gefuͤhret werden muͤſſen: Jndeſſen durffte er ſich ſolches doch nicht verlauten laſſen, ohngeacht ers uns Predi- gern deutlich genug zu verſtehen gab. §. 151. Wie ihnen ſolches in der Gerichts-Stube angeſaget wurde, war der Nachrichter von Franckfurt Stoff verſchrieben, deme, weil unſer ordentlicher Scharffrichter drey Tage zuvor geſtorben war, die Execution anvertrauet wurde, Fixel geſellete ſich zu demſelben, und recommendirte ſich ihme als ein Sohn dem Vater zur Zuͤchtigung, mit Bitte, ſein Urthel an ihme getroſt und vaͤterlich zu thun, er ſolte an ihme anders nichts thun, als ſeiner Seelen aus dem ſuͤndlichen Leibe forderlich zum Himmel zu ſeyn. Man wunderte ſich deſſen von dem Fixel, und meynete, er waͤre dazu von uns aufge- bracht worden, ſolches zum Scharffrichter zu ſagen; Allein er redete ſolches aus eigenem Triebe, konnte es auch nunmehro durch GOttes Gnade ſelber thun, da er die Gerichte GOttes in der Welt in Ehrerbietigkeit hatte kennen lernen. §. 152. Schieffer-Decker that ziemlich zahm und guͤtig, da ihm dieſer Scharffrichter ebenfals zur rechten Buſſe gute Vorſtellung that, und hielt ſein geſprochenes Wort, daß es ihm lieber waͤre vom Franckfurtſchen als von einem andern Nachrichter getoͤdtet zu werden, lobete auch dieſen, daß er N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/105
Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 99[97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/105>, abgerufen am 22.11.2024.