so lieb ich ihn hatte, und wider seine Aufrichtigkeit keinen Zweiffel hegete, machte ichs zehenmal schärffer: Denn ich bißher noch immer Sorge trug Kranichfeld würde in Lügen und Verstockung beharren, dahero man weitere Behutsamkeit gebrauchen möchte, wenn er dennoch bey beharrlicher Täu- scherey das heilige Nachtmahl begehren solte; Allein der nunmehro auf- richtige Fixel blieb bey dem feste, was er bißher bekannt und zum neuen, da er seine Versuchung gelitten, durch den Herrn Kriegs-Rath Annisium zu Pro- tocoll gebracht und ausgesaget hatte, wie sein Weib, die Fixelin so wol, als Schieffer-Decker bey der Damm-Mühlen-Plünderung gewesen, that da- bey mit gar tieffen Seufftzer hinzu, daß man auch daraus schliessen konnte, wie ihm seine Confession von Hertzen gienge: Ach wolte GOtt, ich hätte sie nicht mitgenommen und gesehen, wie gerne wolte ich revociren; Allein ich habe mich der Warheit gewidmet, darin will ich leben und sterben, und wird GOtt mich im Himmel bey dieser Warheit nicht lassen zu schanden werden.
§. 162.
Es waren zwey fremde Prediger zugegen, die solches ge- höret hatten so weit, daß ich auch mit der Absolution an ihm geschäfftig war, davon sandte ich den Feld-Prediger von ihro Excellentz des Herrn General- Lieutenant von Gersdorffs Regiment nebst dem andern zu ihme, punctuell dem Schieffer-Decker solches zu melden, mit solchem Ernst wie sie mich fragend und ihn antwortend selbst gehöret hätten.
§. 163.
Sie waren beyde geübte Leute, die mehrmals schon eine gesegnete Arbeit an armen Sündern unter Händen gehabt, waren auch von solcher Geschicklichkeit, daß sie die vorgefallene Umstände mit Nachdruck dem Schiesser-Decker erzehlen konnten: Von Stunde an, da er solche Relation aus des Herrn Feld-Predigers Munde hörete, fiel der Mann auf andere herrliche Gedancken, sagende: Nun liegt mein gantzer Krahm, ich weiß dawider nunmehro kein eintziges Wort zu sprechen, es ist mir auch leid, daß ich bißher so viel vergebliche und sündliche Worte geredet: Der ehrliche Fixel hat die Warheit recht geredet, ich bin auch, und die Fixelin mit mir warhafftig beym Mühlen-Raube gewesen, daß ich mich aber so lange immer gesperret, ist mein verzweiffelter Unglaube gewesen, der es nim- mer glauben können, Fixel würde dabey so beständig bleiben, mich so accu- rat gesehen und gehöret zu haben, weil er mich sein Lebelang mit seinen Au- gen nicht eher als in der Mühlen gesehen hatte; fiel seinem Herrn Prediger mit Thränen zu Fusse, bekandte diese und die übrige Sünden, jedoch daß er vielmals kläglich heraus brach: Ach die Damm-Mühle! die Damm-
Müh-
ſo lieb ich ihn hatte, und wider ſeine Aufrichtigkeit keinen Zweiffel hegete, machte ichs zehenmal ſchaͤrffer: Denn ich bißher noch immer Sorge trug Kranichfeld wuͤrde in Luͤgen und Verſtockung beharren, dahero man weitere Behutſamkeit gebrauchen moͤchte, wenn er dennoch bey beharrlicher Taͤu- ſcherey das heilige Nachtmahl begehren ſolte; Allein der nunmehro auf- richtige Fixel blieb bey dem feſte, was er bißher bekannt und zum neuen, da er ſeine Verſuchung gelitten, durch den Herrn Kriegs-Rath Anniſium zu Pro- tocoll gebracht und ausgeſaget hatte, wie ſein Weib, die Fixelin ſo wol, als Schieffer-Decker bey der Damm-Muͤhlen-Pluͤnderung geweſen, that da- bey mit gar tieffen Seufftzer hinzu, daß man auch daraus ſchlieſſen konnte, wie ihm ſeine Confesſion von Hertzen gienge: Ach wolte GOtt, ich haͤtte ſie nicht mitgenommen und geſehen, wie gerne wolte ich revociren; Allein ich habe mich der Warheit gewidmet, darin will ich leben und ſterben, und wird GOtt mich im Himmel bey dieſer Warheit nicht laſſen zu ſchanden werden.
§. 162.
Es waren zwey fremde Prediger zugegen, die ſolches ge- hoͤret hatten ſo weit, daß ich auch mit der Abſolution an ihm geſchaͤfftig war, davon ſandte ich den Feld-Prediger von ihro Excellentz des Herrn General- Lieutenant von Gersdorffs Regiment nebſt dem andern zu ihme, punctuell dem Schieffer-Decker ſolches zu melden, mit ſolchem Ernſt wie ſie mich fragend und ihn antwortend ſelbſt gehoͤret haͤtten.
§. 163.
Sie waren beyde geuͤbte Leute, die mehrmals ſchon eine geſegnete Arbeit an armen Suͤndern unter Haͤnden gehabt, waren auch von ſolcher Geſchicklichkeit, daß ſie die vorgefallene Umſtaͤnde mit Nachdruck dem Schieſſer-Decker erzehlen konnten: Von Stunde an, da er ſolche Relation aus des Herrn Feld-Predigers Munde hoͤrete, fiel der Mann auf andere herrliche Gedancken, ſagende: Nun liegt mein gantzer Krahm, ich weiß dawider nunmehro kein eintziges Wort zu ſprechen, es iſt mir auch leid, daß ich bißher ſo viel vergebliche und ſuͤndliche Worte geredet: Der ehrliche Fixel hat die Warheit recht geredet, ich bin auch, und die Fixelin mit mir warhafftig beym Muͤhlen-Raube geweſen, daß ich mich aber ſo lange immer geſperret, iſt mein verzweiffelter Unglaube geweſen, der es nim- mer glauben koͤnnen, Fixel wuͤrde dabey ſo beſtaͤndig bleiben, mich ſo accu- rat geſehen und gehoͤret zu haben, weil er mich ſein Lebelang mit ſeinen Au- gen nicht eher als in der Muͤhlen geſehen hatte; fiel ſeinem Herrn Prediger mit Thraͤnen zu Fuſſe, bekandte dieſe und die uͤbrige Suͤnden, jedoch daß er vielmals klaͤglich heraus brach: Ach die Damm-Muͤhle! die Damm-
Muͤh-
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[103[101]/0109]
ſo lieb ich ihn hatte, und wider ſeine Aufrichtigkeit keinen Zweiffel hegete,
machte ichs zehenmal ſchaͤrffer: Denn ich bißher noch immer Sorge trug
Kranichfeld wuͤrde in Luͤgen und Verſtockung beharren, dahero man weitere
Behutſamkeit gebrauchen moͤchte, wenn er dennoch bey beharrlicher Taͤu-
ſcherey das heilige Nachtmahl begehren ſolte; Allein der nunmehro auf-
richtige Fixel blieb bey dem feſte, was er bißher bekannt und zum neuen,
da er ſeine Verſuchung gelitten, durch den Herrn Kriegs-Rath Anniſium zu Pro-
tocoll gebracht und ausgeſaget hatte, wie ſein Weib, die Fixelin ſo wol, als
Schieffer-Decker bey der Damm-Muͤhlen-Pluͤnderung geweſen, that da-
bey mit gar tieffen Seufftzer hinzu, daß man auch daraus ſchlieſſen konnte,
wie ihm ſeine Confesſion von Hertzen gienge: Ach wolte GOtt, ich haͤtte ſie
nicht mitgenommen und geſehen, wie gerne wolte ich revociren; Allein ich
habe mich der Warheit gewidmet, darin will ich leben und ſterben, und wird
GOtt mich im Himmel bey dieſer Warheit nicht laſſen zu ſchanden werden.
§. 162. Es waren zwey fremde Prediger zugegen, die ſolches ge-
hoͤret hatten ſo weit, daß ich auch mit der Abſolution an ihm geſchaͤfftig war,
davon ſandte ich den Feld-Prediger von ihro Excellentz des Herrn General-
Lieutenant von Gersdorffs Regiment nebſt dem andern zu ihme, punctuell
dem Schieffer-Decker ſolches zu melden, mit ſolchem Ernſt wie ſie mich
fragend und ihn antwortend ſelbſt gehoͤret haͤtten.
§. 163. Sie waren beyde geuͤbte Leute, die mehrmals ſchon eine
geſegnete Arbeit an armen Suͤndern unter Haͤnden gehabt, waren auch von
ſolcher Geſchicklichkeit, daß ſie die vorgefallene Umſtaͤnde mit Nachdruck
dem Schieſſer-Decker erzehlen konnten: Von Stunde an, da er ſolche
Relation aus des Herrn Feld-Predigers Munde hoͤrete, fiel der Mann auf
andere herrliche Gedancken, ſagende: Nun liegt mein gantzer Krahm, ich
weiß dawider nunmehro kein eintziges Wort zu ſprechen, es iſt mir auch
leid, daß ich bißher ſo viel vergebliche und ſuͤndliche Worte geredet: Der
ehrliche Fixel hat die Warheit recht geredet, ich bin auch, und die Fixelin
mit mir warhafftig beym Muͤhlen-Raube geweſen, daß ich mich aber ſo
lange immer geſperret, iſt mein verzweiffelter Unglaube geweſen, der es nim-
mer glauben koͤnnen, Fixel wuͤrde dabey ſo beſtaͤndig bleiben, mich ſo accu-
rat geſehen und gehoͤret zu haben, weil er mich ſein Lebelang mit ſeinen Au-
gen nicht eher als in der Muͤhlen geſehen hatte; fiel ſeinem Herrn Prediger
mit Thraͤnen zu Fuſſe, bekandte dieſe und die uͤbrige Suͤnden, jedoch daß
er vielmals klaͤglich heraus brach: Ach die Damm-Muͤhle! die Damm-
Muͤh-
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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 103[101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/109>, abgerufen am 18.02.2025.
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