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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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nen, daß er bey der Mühlen-Plünderung nicht gewesen wäre. Das Ge-
richte nahm ihn wiederum vor, und da er bereits zum andernmale von der
Folter-Bancke aufgestanden, und die That bekandt hatte, aber auch bald
darauf umsattelte, machte man endlich einen Ernst darauß, bevorab da ihn die
Fixelin genauer beschrieben, wie er seinen Tod längstens schon mit seinem
Bruder-Morde, und Blut-Schande mit dessen Weibe verdienet hätte. Und
obgleich die Herren Judices biß dato von diesem Dingen noch nichts erfah-
ren biß es die Fixelin ausgesaget hatte, so säumeten sie doch nicht lange,
völligere Kundschafft von Havelberg einzuholen.

§. 64.

Er ward von uns Predigern ernstlich verwarnet, seinem
armen Leibe die Marter nicht zu machen, er würde es nachgehends, wie auch
geschahe, bedauren, in dem er sich dennoch damit von der Damm-Mühlen
Plünderung nicht purgiren noch vom Tode erretten konnte; Allein Zurede
war fruchtloß, er blieb sicher und meynete, daß es abermals ein Ubergang
seyn würde, aber er fand sich betrogen, muste sich mit Daum-Stöcken und
Schnüren bearbeiten lassen, da gieng er in Bekänntniß heraus. Der Fixelin
war es zu der Zeit eben also zugeschnitten, da er bey ihrem Vortritt zum
Zeugen wieder sie angefodert wurde, wolte er frechum nicht, sondern ant-
wortete dem Gerichte: Sie mag ihr Theil auch holen wie ich, und es selber
bekennen, diese gehet abermals vom loco torturae herunter, und wiederholete
freywillig ihr vormahliges Geständniß, also, daß alles mit der vorigen Auß-
sage genau übereinstimmete und man es schier für unmüglich hielt, sie würde
so ausverschämt werden, und von solchem wiederholeten Bekänntniß noch-
mals absetzen.

§. 65.

Unsre Arbeit zur Bereitung der Condemnirten war bey nahe
14. Tage fortgesetzet, aber mit schlechten Succeß an denen meisten, doch
freuete man sich über Fixeln, der zur Veränderung seines Hertzens nicht
säumete, auch in unsrer Abwesenheit seine Zeit wol anwandte, ließ sich von
andern jungen Leuten, die mit ihme in einer Stube arrestiret sassen, aus der
Bibel vorlesen, vorbethen und singen, daß er in kurtzer Zeit viele Evange-
lische Sprüche, und gantze Lieder, sonderlich: Nun freuet euch lieben
Christen gemein etc.
auswendig selbst singen lernete, und solches nicht so
obenhin, sondern mit solchen Reflexionen, daß man sich darüber wundern
muste, wenn er selbige nach geendigten Gesange von sich sagete, und darüber
mit uns conferirete.

§. 28.
F 2

nen, daß er bey der Muͤhlen-Pluͤnderung nicht geweſen waͤre. Das Ge-
richte nahm ihn wiederum vor, und da er bereits zum andernmale von der
Folter-Bancke aufgeſtanden, und die That bekandt hatte, aber auch bald
darauf umſattelte, machte man endlich einen Ernſt darauß, bevorab da ihn die
Fixelin genauer beſchrieben, wie er ſeinen Tod laͤngſtens ſchon mit ſeinem
Bruder-Morde, und Blut-Schande mit deſſen Weibe verdienet haͤtte. Und
obgleich die Herren Judices biß dato von dieſem Dingen noch nichts erfah-
ren biß es die Fixelin ausgeſaget hatte, ſo ſaͤumeten ſie doch nicht lange,
voͤlligere Kundſchafft von Havelberg einzuholen.

§. 64.

Er ward von uns Predigern ernſtlich verwarnet, ſeinem
armen Leibe die Marter nicht zu machen, er wuͤrde es nachgehends, wie auch
geſchahe, bedauren, in dem er ſich dennoch damit von der Damm-Muͤhlen
Pluͤnderung nicht purgiren noch vom Tode erretten konnte; Allein Zurede
war fruchtloß, er blieb ſicher und meynete, daß es abermals ein Ubergang
ſeyn wuͤrde, aber er fand ſich betrogen, muſte ſich mit Daum-Stoͤcken und
Schnuͤren bearbeiten laſſen, da gieng er in Bekaͤnntniß heraus. Der Fixelin
war es zu der Zeit eben alſo zugeſchnitten, da er bey ihrem Vortritt zum
Zeugen wieder ſie angefodert wurde, wolte er frechum nicht, ſondern ant-
wortete dem Gerichte: Sie mag ihr Theil auch holen wie ich, und es ſelber
bekennen, dieſe gehet abermals vom loco torturæ herunter, und wiederholete
freywillig ihr vormahliges Geſtaͤndniß, alſo, daß alles mit der vorigen Auß-
ſage genau uͤbereinſtimmete und man es ſchier fuͤr unmuͤglich hielt, ſie wuͤrde
ſo ausverſchaͤmt werden, und von ſolchem wiederholeten Bekaͤnntniß noch-
mals abſetzen.

§. 65.

Unſre Arbeit zur Bereitung der Condemnirten war bey nahe
14. Tage fortgeſetzet, aber mit ſchlechten Succeß an denen meiſten, doch
freuete man ſich uͤber Fixeln, der zur Veraͤnderung ſeines Hertzens nicht
ſaͤumete, auch in unſrer Abweſenheit ſeine Zeit wol anwandte, ließ ſich von
andern jungen Leuten, die mit ihme in einer Stube arreſtiret ſaſſen, aus der
Bibel vorleſen, vorbethen und ſingen, daß er in kurtzer Zeit viele Evange-
liſche Spruͤche, und gantze Lieder, ſonderlich: Nun freuet euch lieben
Chriſten gemein ꝛc.
auswendig ſelbſt ſingen lernete, und ſolches nicht ſo
obenhin, ſondern mit ſolchen Reflexionen, daß man ſich daruͤber wundern
muſte, wenn er ſelbige nach geendigten Geſange von ſich ſagete, und daruͤber
mit uns conferirete.

§. 28.
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[43[41]/0041] nen, daß er bey der Muͤhlen-Pluͤnderung nicht geweſen waͤre. Das Ge- richte nahm ihn wiederum vor, und da er bereits zum andernmale von der Folter-Bancke aufgeſtanden, und die That bekandt hatte, aber auch bald darauf umſattelte, machte man endlich einen Ernſt darauß, bevorab da ihn die Fixelin genauer beſchrieben, wie er ſeinen Tod laͤngſtens ſchon mit ſeinem Bruder-Morde, und Blut-Schande mit deſſen Weibe verdienet haͤtte. Und obgleich die Herren Judices biß dato von dieſem Dingen noch nichts erfah- ren biß es die Fixelin ausgeſaget hatte, ſo ſaͤumeten ſie doch nicht lange, voͤlligere Kundſchafft von Havelberg einzuholen. §. 64.Er ward von uns Predigern ernſtlich verwarnet, ſeinem armen Leibe die Marter nicht zu machen, er wuͤrde es nachgehends, wie auch geſchahe, bedauren, in dem er ſich dennoch damit von der Damm-Muͤhlen Pluͤnderung nicht purgiren noch vom Tode erretten konnte; Allein Zurede war fruchtloß, er blieb ſicher und meynete, daß es abermals ein Ubergang ſeyn wuͤrde, aber er fand ſich betrogen, muſte ſich mit Daum-Stoͤcken und Schnuͤren bearbeiten laſſen, da gieng er in Bekaͤnntniß heraus. Der Fixelin war es zu der Zeit eben alſo zugeſchnitten, da er bey ihrem Vortritt zum Zeugen wieder ſie angefodert wurde, wolte er frechum nicht, ſondern ant- wortete dem Gerichte: Sie mag ihr Theil auch holen wie ich, und es ſelber bekennen, dieſe gehet abermals vom loco torturæ herunter, und wiederholete freywillig ihr vormahliges Geſtaͤndniß, alſo, daß alles mit der vorigen Auß- ſage genau uͤbereinſtimmete und man es ſchier fuͤr unmuͤglich hielt, ſie wuͤrde ſo ausverſchaͤmt werden, und von ſolchem wiederholeten Bekaͤnntniß noch- mals abſetzen. §. 65.Unſre Arbeit zur Bereitung der Condemnirten war bey nahe 14. Tage fortgeſetzet, aber mit ſchlechten Succeß an denen meiſten, doch freuete man ſich uͤber Fixeln, der zur Veraͤnderung ſeines Hertzens nicht ſaͤumete, auch in unſrer Abweſenheit ſeine Zeit wol anwandte, ließ ſich von andern jungen Leuten, die mit ihme in einer Stube arreſtiret ſaſſen, aus der Bibel vorleſen, vorbethen und ſingen, daß er in kurtzer Zeit viele Evange- liſche Spruͤche, und gantze Lieder, ſonderlich: Nun freuet euch lieben Chriſten gemein ꝛc. auswendig ſelbſt ſingen lernete, und ſolches nicht ſo obenhin, ſondern mit ſolchen Reflexionen, daß man ſich daruͤber wundern muſte, wenn er ſelbige nach geendigten Geſange von ſich ſagete, und daruͤber mit uns conferirete. §. 28. F 2

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 43[41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/41>, abgerufen am 21.11.2024.