Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Hanney gab den gewandten listigen Wildschützen, dessen tüchtige Kraft in die Bahnen des Verbrechens gedrängt wird, weil sie in den kastenartigen Verhältnissen des Staats keinen Platz zu naturgemäßer Entwicklung findet, mit außerordentlicher Wahrheit und Einfachheit. Dabei war in den vielen Auftritten, wo er den Nachstellungen der Jäger und Schergen durch eine kühne List entgeht, sein lustiger Humor von der besten Wirkung. Auch Wolfsind probte und spielte mit ganz ungewohntem Feuer. Sie hatte die Wirthstochter in einer einsamen und abgelegenen Waldschenke zu spielen, welche Hiesel als Wildschützen kennt, dennoch aber sich gezwungen fühlt, ihn zu lieben und hingerissen von der innern Tüchtigkeit seines Wesens sein Schicksal zu theilen. In einer Abschiedsscene, während welcher von außen die Büchsen der Verfolger knallen, kommt es zur Erklärung zwischen Beiden, und Hanney und Wolfsind wußten sich so ganz in die Lage hinein zu versetzen, daß die Mitspielenden, welche zusahen, nicht genug Worte für ihre Lobeserhebungen zu finden wußten. Was sie aber nicht sahen, war der in der Rolle nicht vorgeschriebene Händedruck, welchen Hanney im Feuer der Leidenschaft sich erlaubte und welcher zu seinem Entzücken von Wolfsind erwidert ward. Hingerissen davon benützte er die durch den Actschluß entstandene kurze Pause, um Wolfsind hinter die Coulissen zu folgen und sie anzureden. Sie stand an ein gemaltes Felsstück gelehnt und schien den Hinzutretenden zu er- Hanney gab den gewandten listigen Wildschützen, dessen tüchtige Kraft in die Bahnen des Verbrechens gedrängt wird, weil sie in den kastenartigen Verhältnissen des Staats keinen Platz zu naturgemäßer Entwicklung findet, mit außerordentlicher Wahrheit und Einfachheit. Dabei war in den vielen Auftritten, wo er den Nachstellungen der Jäger und Schergen durch eine kühne List entgeht, sein lustiger Humor von der besten Wirkung. Auch Wolfsind probte und spielte mit ganz ungewohntem Feuer. Sie hatte die Wirthstochter in einer einsamen und abgelegenen Waldschenke zu spielen, welche Hiesel als Wildschützen kennt, dennoch aber sich gezwungen fühlt, ihn zu lieben und hingerissen von der innern Tüchtigkeit seines Wesens sein Schicksal zu theilen. In einer Abschiedsscene, während welcher von außen die Büchsen der Verfolger knallen, kommt es zur Erklärung zwischen Beiden, und Hanney und Wolfsind wußten sich so ganz in die Lage hinein zu versetzen, daß die Mitspielenden, welche zusahen, nicht genug Worte für ihre Lobeserhebungen zu finden wußten. Was sie aber nicht sahen, war der in der Rolle nicht vorgeschriebene Händedruck, welchen Hanney im Feuer der Leidenschaft sich erlaubte und welcher zu seinem Entzücken von Wolfsind erwidert ward. Hingerissen davon benützte er die durch den Actschluß entstandene kurze Pause, um Wolfsind hinter die Coulissen zu folgen und sie anzureden. Sie stand an ein gemaltes Felsstück gelehnt und schien den Hinzutretenden zu er- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> Hanney gab den gewandten listigen Wildschützen, dessen tüchtige Kraft in die Bahnen des Verbrechens gedrängt wird, weil sie in den kastenartigen Verhältnissen des Staats keinen Platz zu naturgemäßer Entwicklung findet, mit außerordentlicher Wahrheit und Einfachheit. Dabei war in den vielen Auftritten, wo er den Nachstellungen der Jäger und Schergen durch eine kühne List entgeht, sein lustiger Humor von der besten Wirkung. Auch Wolfsind probte und spielte mit ganz ungewohntem Feuer. Sie hatte die Wirthstochter in einer einsamen und abgelegenen Waldschenke zu spielen, welche Hiesel als Wildschützen kennt, dennoch aber sich gezwungen fühlt, ihn zu lieben und hingerissen von der innern Tüchtigkeit seines Wesens sein Schicksal zu theilen. In einer Abschiedsscene, während welcher von außen die Büchsen der Verfolger knallen, kommt es zur Erklärung zwischen Beiden, und Hanney und Wolfsind wußten sich so ganz in die Lage hinein zu versetzen, daß die Mitspielenden, welche zusahen, nicht genug Worte für ihre Lobeserhebungen zu finden wußten. Was sie aber nicht sahen, war der in der Rolle nicht vorgeschriebene Händedruck, welchen Hanney im Feuer der Leidenschaft sich erlaubte und welcher zu seinem Entzücken von Wolfsind erwidert ward. Hingerissen davon benützte er die durch den Actschluß entstandene kurze Pause, um Wolfsind hinter die Coulissen zu folgen und sie anzureden. Sie stand an ein gemaltes Felsstück gelehnt und schien den Hinzutretenden zu er-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Hanney gab den gewandten listigen Wildschützen, dessen tüchtige Kraft in die Bahnen des Verbrechens gedrängt wird, weil sie in den kastenartigen Verhältnissen des Staats keinen Platz zu naturgemäßer Entwicklung findet, mit außerordentlicher Wahrheit und Einfachheit. Dabei war in den vielen Auftritten, wo er den Nachstellungen der Jäger und Schergen durch eine kühne List entgeht, sein lustiger Humor von der besten Wirkung. Auch Wolfsind probte und spielte mit ganz ungewohntem Feuer. Sie hatte die Wirthstochter in einer einsamen und abgelegenen Waldschenke zu spielen, welche Hiesel als Wildschützen kennt, dennoch aber sich gezwungen fühlt, ihn zu lieben und hingerissen von der innern Tüchtigkeit seines Wesens sein Schicksal zu theilen. In einer Abschiedsscene, während welcher von außen die Büchsen der Verfolger knallen, kommt es zur Erklärung zwischen Beiden, und Hanney und Wolfsind wußten sich so ganz in die Lage hinein zu versetzen, daß die Mitspielenden, welche zusahen, nicht genug Worte für ihre Lobeserhebungen zu finden wußten. Was sie aber nicht sahen, war der in der Rolle nicht vorgeschriebene Händedruck, welchen Hanney im Feuer der Leidenschaft sich erlaubte und welcher zu seinem Entzücken von Wolfsind erwidert ward. Hingerissen davon benützte er die durch den Actschluß entstandene kurze Pause, um Wolfsind hinter die Coulissen zu folgen und sie anzureden. Sie stand an ein gemaltes Felsstück gelehnt und schien den Hinzutretenden zu er-
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Zitationshilfe: | Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/31>, abgerufen am 16.07.2024. |