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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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men gar Manchen nimmer antrifft, den man gesund und wohlauf verlassen hat, wie man fort ist . . .

Die Franzel war selbige Zeit auch nicht mehr in der kleinen Hütte nebenan. So ist sie mir fast ganz aus dem Gedächtniß gekommen, und ich habe sogar nie recht erfahren, was es denn eigentlich mit ihr für eine Bewandtniß hat, und wie sie mitten unter lauter Weißen zu ihrem schwarzen Mohrengesicht gekommen ist.

Das kann ich dir schon erzählen, wenn du's wissen willst! sagte die Alte, indem sie aufstand, das Feuer im Ofen aufstörte und ein Scheit Holz nachschob. Ich weiß es noch, als wenn's gestern gewesen wäre, und hab' der Franzel ihre Mutter schon gekannt, wie sie noch in die Schul' gangen ist. Sie ist dann herangewachsen und ist groß geworden und sauber, und alle Welt hat eine Freud' gehabt, wie brav sie war, zumeist ihr Vater. Das war ein Scharler, wie der deinige, nur noch ein bissel nöthiger, denn wie er gestorben ist, ist von seiner ganzen Erbschaft nicht viel mehr übergeblieben, als eine Hacken und ein paar Wasserstiefel. Die Franzel -- sie hat auch so geheißen -- war ein Muster von einem Mädel und hat keinen Burschen angeschaut, so viel ihr auch zu lieb gegangen sind und ihr schön gethan haben. Da sind wieder Kriegszeiten kommen, und die Franzosen sind aus dem Kaiserlichen herein ins Land und haben sich bald da bald dort festgesetzt, so daß wir alle Augenblick nicht mehr gewußt haben, ob wir bayerisch sind oder kaiser-

men gar Manchen nimmer antrifft, den man gesund und wohlauf verlassen hat, wie man fort ist . . .

Die Franzel war selbige Zeit auch nicht mehr in der kleinen Hütte nebenan. So ist sie mir fast ganz aus dem Gedächtniß gekommen, und ich habe sogar nie recht erfahren, was es denn eigentlich mit ihr für eine Bewandtniß hat, und wie sie mitten unter lauter Weißen zu ihrem schwarzen Mohrengesicht gekommen ist.

Das kann ich dir schon erzählen, wenn du's wissen willst! sagte die Alte, indem sie aufstand, das Feuer im Ofen aufstörte und ein Scheit Holz nachschob. Ich weiß es noch, als wenn's gestern gewesen wäre, und hab' der Franzel ihre Mutter schon gekannt, wie sie noch in die Schul' gangen ist. Sie ist dann herangewachsen und ist groß geworden und sauber, und alle Welt hat eine Freud' gehabt, wie brav sie war, zumeist ihr Vater. Das war ein Scharler, wie der deinige, nur noch ein bissel nöthiger, denn wie er gestorben ist, ist von seiner ganzen Erbschaft nicht viel mehr übergeblieben, als eine Hacken und ein paar Wasserstiefel. Die Franzel — sie hat auch so geheißen — war ein Muster von einem Mädel und hat keinen Burschen angeschaut, so viel ihr auch zu lieb gegangen sind und ihr schön gethan haben. Da sind wieder Kriegszeiten kommen, und die Franzosen sind aus dem Kaiserlichen herein ins Land und haben sich bald da bald dort festgesetzt, so daß wir alle Augenblick nicht mehr gewußt haben, ob wir bayerisch sind oder kaiser-

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[0039] men gar Manchen nimmer antrifft, den man gesund und wohlauf verlassen hat, wie man fort ist . . . Die Franzel war selbige Zeit auch nicht mehr in der kleinen Hütte nebenan. So ist sie mir fast ganz aus dem Gedächtniß gekommen, und ich habe sogar nie recht erfahren, was es denn eigentlich mit ihr für eine Bewandtniß hat, und wie sie mitten unter lauter Weißen zu ihrem schwarzen Mohrengesicht gekommen ist. Das kann ich dir schon erzählen, wenn du's wissen willst! sagte die Alte, indem sie aufstand, das Feuer im Ofen aufstörte und ein Scheit Holz nachschob. Ich weiß es noch, als wenn's gestern gewesen wäre, und hab' der Franzel ihre Mutter schon gekannt, wie sie noch in die Schul' gangen ist. Sie ist dann herangewachsen und ist groß geworden und sauber, und alle Welt hat eine Freud' gehabt, wie brav sie war, zumeist ihr Vater. Das war ein Scharler, wie der deinige, nur noch ein bissel nöthiger, denn wie er gestorben ist, ist von seiner ganzen Erbschaft nicht viel mehr übergeblieben, als eine Hacken und ein paar Wasserstiefel. Die Franzel — sie hat auch so geheißen — war ein Muster von einem Mädel und hat keinen Burschen angeschaut, so viel ihr auch zu lieb gegangen sind und ihr schön gethan haben. Da sind wieder Kriegszeiten kommen, und die Franzosen sind aus dem Kaiserlichen herein ins Land und haben sich bald da bald dort festgesetzt, so daß wir alle Augenblick nicht mehr gewußt haben, ob wir bayerisch sind oder kaiser-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/39>, abgerufen am 06.05.2024.