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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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aus, und durch ein paar muntere Kinder, in denen die Hautfarbe der Eltern zu Franzel's großer Freude fast bis zu einer unmerklich tiefern Tinte gebrochen erschien. Dennoch entging es der glücklichen Franzel nicht, daß Hanney seit einiger Zeit etwas verändert, daß der frühere frohe Sinn etwas von ihm gewichen schien. Er saß oft Viertelstundenlang wie in Gedanken, und wenn sie ihn anredete, war er betroffen und wußte wohl gar nicht mehr, wovon sie in der letzten Viertelstunde mit ihm gesprochen hatte. Sie fragte und beobachtete, aber sie erhielt nur ausweichende Antwort und konnte nichts bemerken, was sie auf eine sichere Spur gebracht hätte.

Eines Abends trat sie unbeachtet in den Garten, wo er gerne zu sitzen Pflegte und auf die Donau hinaus sah. Sie duckte sich hinter die hohen Kürbisranken und die Maiskolben, um ungesehen näher zu kommen. Hanney stand an einen Baum gelehnt und sah starr in das Wasser hinaus, in welchem die untergehende Sonne brannte... es kam Franzel vor, als ob er mit halber Stimme vor sich hin sänge . . . noch ein paar Schritte, und sie hörte und verstand, was er sang.

Ich möchte sterben, da wo ich geboren, Im lieben Land, wo meine Salzach braust!

Es war das Heimweh, das über ihn gekommen war, das ihm in den Worten seines eigenen Liedes zur Klage wurde. Sie störte ihn nicht; unbemerkt schlich sie zurück, er saß noch lange ungestört und einsam bis in die dunkelnde Nacht.

aus, und durch ein paar muntere Kinder, in denen die Hautfarbe der Eltern zu Franzel's großer Freude fast bis zu einer unmerklich tiefern Tinte gebrochen erschien. Dennoch entging es der glücklichen Franzel nicht, daß Hanney seit einiger Zeit etwas verändert, daß der frühere frohe Sinn etwas von ihm gewichen schien. Er saß oft Viertelstundenlang wie in Gedanken, und wenn sie ihn anredete, war er betroffen und wußte wohl gar nicht mehr, wovon sie in der letzten Viertelstunde mit ihm gesprochen hatte. Sie fragte und beobachtete, aber sie erhielt nur ausweichende Antwort und konnte nichts bemerken, was sie auf eine sichere Spur gebracht hätte.

Eines Abends trat sie unbeachtet in den Garten, wo er gerne zu sitzen Pflegte und auf die Donau hinaus sah. Sie duckte sich hinter die hohen Kürbisranken und die Maiskolben, um ungesehen näher zu kommen. Hanney stand an einen Baum gelehnt und sah starr in das Wasser hinaus, in welchem die untergehende Sonne brannte... es kam Franzel vor, als ob er mit halber Stimme vor sich hin sänge . . . noch ein paar Schritte, und sie hörte und verstand, was er sang.

Ich möchte sterben, da wo ich geboren, Im lieben Land, wo meine Salzach braust!

Es war das Heimweh, das über ihn gekommen war, das ihm in den Worten seines eigenen Liedes zur Klage wurde. Sie störte ihn nicht; unbemerkt schlich sie zurück, er saß noch lange ungestört und einsam bis in die dunkelnde Nacht.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/91>, abgerufen am 21.11.2024.