Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Weibern hochgehaltenen Aberglauben. geben sie für/ es sey beschrien/ und martern esauff eine andere Art mit Baden und Räuchern; will es noch nicht helffen/ muß es das Aelterlein heissen/ und nehmen diesen Nahmen und Be- nennung her von der Gestalt der kleinen Pa- tienten/ weil sie wie alte Leute aussehen; die Wei- ber wollen es aber recht klug geben/ weil es gantz junge Kinder sind/ und die Kranckheit nicht das Alter nennen/ sondern richten sich nach dem Pa- tienten/ und gebrauchen das Wort in Diminu- tivo, und sagen/ es hiesse das Aelterle. An statt aber eines heilsamen ordentlichen Hülffs-Mit- tels/ haben sie ein verzweiffeltes Mord-Mittel ersonnen/ nehmlich: Sie binden die arme/ ohne dem schmachtende Kinder auff eine Kuchen- Scheibe/ und schieben solche/ nach ausgenomme- nen Brodte/ etliche mahl in einem Back-Ofen/ daß es nicht Wunder wäre/ das Kind erstickte in der Hitze/ oder bekäme die schwere Noth/ hier zu murmeln sie sachte etwas/ welches ich aber nicht erfahren kan/ was es für Worte seyn mö- gen; zweiffelsfrey aber wird es wieder das an- dere Gebot GOttes lauffen. Und also wolle ein Mensch erwegen/ ob Eltern mit gutem Gewis- sen ihre krancken Kinder solchen Hencker-mäßi- gen Teuffels-Vetteln in ihre Cur geben können? Das J 2
Weibern hochgehaltenen Aberglauben. geben ſie fuͤr/ es ſey beſchrien/ und martern esauff eine andere Art mit Baden und Raͤuchern; will es noch nicht helffen/ muß es das Aelterlein heiſſen/ und nehmen dieſen Nahmen und Be- nennung her von der Geſtalt der kleinen Pa- tienten/ weil ſie wie alte Leute ausſehen; die Wei- ber wollen es aber recht klug geben/ weil es gantz junge Kinder ſind/ und die Kranckheit nicht das Alter nennen/ ſondern richten ſich nach dem Pa- tienten/ und gebrauchen das Wort in Diminu- tivo, und ſagen/ es hieſſe das Aelterle. An ſtatt aber eines heilſamen ordentlichen Huͤlffs-Mit- tels/ haben ſie ein verzweiffeltes Mord-Mittel erſonnen/ nehmlich: Sie binden die arme/ ohne dem ſchmachtende Kinder auff eine Kuchen- Scheibe/ und ſchieben ſolche/ nach ausgenomme- nen Brodte/ etliche mahl in einem Back-Ofen/ daß es nicht Wunder waͤre/ das Kind erſtickte in der Hitze/ oder bekaͤme die ſchwere Noth/ hier zu murmeln ſie ſachte etwas/ welches ich aber nicht erfahren kan/ was es fuͤr Worte ſeyn moͤ- gen; zweiffelsfrey aber wird es wieder das an- dere Gebot GOttes lauffen. Und alſo wolle ein Menſch erwegen/ ob Eltern mit gutem Gewiſ- ſen ihre krancken Kinder ſolchen Hencker-maͤßi- gen Teuffels-Vetteln in ihre Cur geben koͤnnen? Das J 2
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
geben ſie fuͤr/ es ſey beſchrien/ und martern es
auff eine andere Art mit Baden und Raͤuchern;
will es noch nicht helffen/ muß es das Aelterlein
heiſſen/ und nehmen dieſen Nahmen und Be-
nennung her von der Geſtalt der kleinen Pa-
tienten/ weil ſie wie alte Leute ausſehen; die Wei-
ber wollen es aber recht klug geben/ weil es gantz
junge Kinder ſind/ und die Kranckheit nicht das
Alter nennen/ ſondern richten ſich nach dem Pa-
tienten/ und gebrauchen das Wort in Diminu-
tivo, und ſagen/ es hieſſe das Aelterle. An ſtatt
aber eines heilſamen ordentlichen Huͤlffs-Mit-
tels/ haben ſie ein verzweiffeltes Mord-Mittel
erſonnen/ nehmlich: Sie binden die arme/ ohne
dem ſchmachtende Kinder auff eine Kuchen-
Scheibe/ und ſchieben ſolche/ nach ausgenomme-
nen Brodte/ etliche mahl in einem Back-Ofen/
daß es nicht Wunder waͤre/ das Kind erſtickte
in der Hitze/ oder bekaͤme die ſchwere Noth/ hier
zu murmeln ſie ſachte etwas/ welches ich aber
nicht erfahren kan/ was es fuͤr Worte ſeyn moͤ-
gen; zweiffelsfrey aber wird es wieder das an-
dere Gebot GOttes lauffen. Und alſo wolle ein
Menſch erwegen/ ob Eltern mit gutem Gewiſ-
ſen ihre krancken Kinder ſolchen Hencker-maͤßi-
gen Teuffels-Vetteln in ihre Cur geben
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