Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Untersuchung/ derer von super-klugen sprungen. Ob aber der wahre Grund diesesschönen Aberglaubens durch Disputationes ausgemacht sey/ kan ich eigentlich nicht wissen; iedoch will ich meine ohnmaßgebliche Erinne- rungen/ und hierüber noch habende Scrupel auch entdecken: Wenn ich nehmlich besorge/ daß/ woferne durch des Pathens Borgen dem Kinde etwas auffgeerbet werden könte/ dieses vielmehr zu des Kindes grösten Schaden aus- schlagen würde/ weil durch des Pathen Borgen/ das Kind leicht würde verwahrloset werden/ daß es sein Lebtage so arm bleiben müste/ daß es im- mer von andern borgen müsse; ja/ wenn auch gleich dieses Ubel nicht daraus erwüchse/ sondern der effect solches Borgens würcklich dahin ge- diehe/ daß das Kind mit der Zeit in dem Puncte so glücklich wäre/ (woferne es ein Gluck zu nen- nen ist/) daß ihme niemand etwas versagte/ so sa- ge ich unverholen/ daß ich wohl 10000. mahl ge- wündschet habe/ daß ich mein Lebtage nicht 1. Thaler möchte credit bekommen haben/ so wä- re ich nicht unschuldiger Weise in Schulden ge- rathen/ die ich samt der interesse zu meinen ru- in habe bezahlen müssen; es heist zwar in gemei- nen Sprichwort: Credit sey besser als bahr Geld. Alleine/ ich frage einen iedweden auff sein Gewissen/ der iemahls ist banckrott worden/ ob ihn nicht habe der Credit zum Schelme ge- macht?
Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen ſprungen. Ob aber der wahre Grund dieſesſchoͤnen Aberglaubens durch Diſputationes ausgemacht ſey/ kan ich eigentlich nicht wiſſen; iedoch will ich meine ohnmaßgebliche Erinne- rungen/ und hieruͤber noch habende Scrupel auch entdecken: Wenn ich nehmlich beſorge/ daß/ woferne durch des Pathens Borgen dem Kinde etwas auffgeerbet werden koͤnte/ dieſes vielmehr zu des Kindes groͤſten Schaden aus- ſchlagen wuͤrde/ weil durch des Pathen Borgen/ das Kind leicht wuͤrde verwahrloſet werden/ daß es ſein Lebtage ſo arm bleiben muͤſte/ daß es im- mer von andern borgen muͤſſe; ja/ wenn auch gleich dieſes Ubel nicht daraus erwuͤchſe/ ſondern der effect ſolches Borgens wuͤrcklich dahin ge- diehe/ daß das Kind mit der Zeit in dem Puncte ſo gluͤcklich waͤre/ (woferne es ein Gluck zu nen- nen iſt/) daß ihme niemand etwas verſagte/ ſo ſa- ge ich unverholen/ daß ich wohl 10000. mahl ge- wuͤndſchet habe/ daß ich mein Lebtage nicht 1. Thaler moͤchte credit bekommen haben/ ſo waͤ- re ich nicht unſchuldiger Weiſe in Schulden ge- rathen/ die ich ſamt der intereſſe zu meinen ru- in habe bezahlen muͤſſen; es heiſt zwar in gemei- nen Sprichwort: Credit ſey beſſer als bahr Geld. Alleine/ ich frage einen iedweden auff ſein Gewiſſen/ der iemahls iſt banckrott worden/ ob ihn nicht habe der Credit zum Schelme ge- macht?
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Unterſuchung/ derer von ſuper-klugen
ſprungen. Ob aber der wahre Grund dieſes
ſchoͤnen Aberglaubens durch Diſputationes
ausgemacht ſey/ kan ich eigentlich nicht wiſſen;
iedoch will ich meine ohnmaßgebliche Erinne-
rungen/ und hieruͤber noch habende Scrupel
auch entdecken: Wenn ich nehmlich beſorge/
daß/ woferne durch des Pathens Borgen dem
Kinde etwas auffgeerbet werden koͤnte/ dieſes
vielmehr zu des Kindes groͤſten Schaden aus-
ſchlagen wuͤrde/ weil durch des Pathen Borgen/
das Kind leicht wuͤrde verwahrloſet werden/ daß
es ſein Lebtage ſo arm bleiben muͤſte/ daß es im-
mer von andern borgen muͤſſe; ja/ wenn auch
gleich dieſes Ubel nicht daraus erwuͤchſe/ ſondern
der effect ſolches Borgens wuͤrcklich dahin ge-
diehe/ daß das Kind mit der Zeit in dem Puncte
ſo gluͤcklich waͤre/ (woferne es ein Gluck zu nen-
nen iſt/) daß ihme niemand etwas verſagte/ ſo ſa-
ge ich unverholen/ daß ich wohl 10000. mahl ge-
wuͤndſchet habe/ daß ich mein Lebtage nicht 1.
Thaler moͤchte credit bekommen haben/ ſo waͤ-
re ich nicht unſchuldiger Weiſe in Schulden ge-
rathen/ die ich ſamt der intereſſe zu meinen ru-
in habe bezahlen muͤſſen; es heiſt zwar in gemei-
nen Sprichwort: Credit ſey beſſer als bahr
Geld. Alleine/ ich frage einen iedweden auff
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Zitationshilfe: | Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/66>, abgerufen am 16.02.2025. |