Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.Weibern hochgehaltenen Aberglauben. wurde/ daß ihr der Rock und auch das Hembdedermassen weit auffgeschlitzt war/ wodurch er einen solchen Ort erblickte/ den die Erbarkeit zu verdecken befiehlet/ dahero machte er sich die Ge- dancken/ ob hätte die Magd solches mit Fleiß ge- than/ ihn zu einer verbotenen Liebe damit anzu- reitzen. Weil er aber ein Mann war/ welcher viel auff Reputation und Respect hielt/ wurde er der Magd von Stund an so Spinnen-feind/ daß er sie kaum mehr ansehen kunte/ und schaffete sie wieder fort. Dieses ist nun zwar ein Exempel/ wodurch man den ietzt vorhabenden Punct möchte beschönigen wollen; alleine/ wenn ich diese Umstände etwas genau beobachte/ so erhel- let so viel daraus/ daß das Abwischen der Hände schwerlich etwas zur Feindschafft würde contri- buiret haben/ wenn nicht vielmehr der garstige Anblick des darunter verborgenen Orts solches verursachet hätte. Behält derohalben dieser Glaubens-Grund seine Stelle wohl unter de- nen Aberglauben. Die Magd hielt ohne Zweiffel nichts auff diesen Aberglauben/ Dennoch must sie des Herren Gunst sich hierdurch lassen rauben. Es sey nun aber wie ihm sey/ so wird ein ie- der sehen/ Daß demnach dieser Glaubens-Grund mit nichten kan bestehen. Das
Weibern hochgehaltenen Aberglauben. wurde/ daß ihr der Rock und auch das Hembdedermaſſen weit auffgeſchlitzt war/ wodurch er einen ſolchen Ort erblickte/ den die Erbarkeit zu verdecken befiehlet/ dahero machte er ſich die Ge- dancken/ ob haͤtte die Magd ſolches mit Fleiß ge- than/ ihn zu einer verbotenen Liebe damit anzu- reitzen. Weil er aber ein Mann war/ welcher viel auff Reputation und Reſpect hielt/ wurde er der Magd von Stund an ſo Spinnen-feind/ daß er ſie kaum mehr anſehen kunte/ und ſchaffete ſie wieder fort. Dieſes iſt nun zwar ein Exempel/ wodurch man den ietzt vorhabenden Punct moͤchte beſchoͤnigen wollen; alleine/ wenn ich dieſe Umſtaͤnde etwas genau beobachte/ ſo erhel- let ſo viel daraus/ daß das Abwiſchen der Haͤnde ſchwerlich etwas zur Feindſchafft wuͤrde contri- buiret haben/ wenn nicht vielmehr der garſtige Anblick des darunter verborgenen Orts ſolches verurſachet haͤtte. Behaͤlt derohalben dieſer Glaubens-Grund ſeine Stelle wohl unter de- nen Aberglauben. Die Magd hielt ohne Zweiffel nichts auff dieſen Aberglauben/ Dennoch muſt ſie des Herren Gunſt ſich hierdurch laſſen rauben. Es ſey nun aber wie ihm ſey/ ſo wird ein ie- der ſehen/ Daß demnach dieſer Glaubens-Grund mit nichten kan beſtehen. Das
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
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dermaſſen weit auffgeſchlitzt war/ wodurch er
einen ſolchen Ort erblickte/ den die Erbarkeit zu
verdecken befiehlet/ dahero machte er ſich die Ge-
dancken/ ob haͤtte die Magd ſolches mit Fleiß ge-
than/ ihn zu einer verbotenen Liebe damit anzu-
reitzen. Weil er aber ein Mann war/ welcher
viel auff Reputation und Reſpect hielt/ wurde
er der Magd von Stund an ſo Spinnen-feind/
daß er ſie kaum mehr anſehen kunte/ und ſchaffete
ſie wieder fort. Dieſes iſt nun zwar ein Exempel/
wodurch man den ietzt vorhabenden Punct
moͤchte beſchoͤnigen wollen; alleine/ wenn ich
dieſe Umſtaͤnde etwas genau beobachte/ ſo erhel-
let ſo viel daraus/ daß das Abwiſchen der Haͤnde
ſchwerlich etwas zur Feindſchafft wuͤrde contri-
buiret haben/ wenn nicht vielmehr der garſtige
Anblick des darunter verborgenen Orts ſolches
verurſachet haͤtte. Behaͤlt derohalben dieſer
Glaubens-Grund ſeine Stelle wohl unter de-
nen Aberglauben.
Die Magd hielt ohne Zweiffel nichts auff
dieſen Aberglauben/
Dennoch muſt ſie des Herren Gunſt ſich
hierdurch laſſen rauben.
Es ſey nun aber wie ihm ſey/ ſo wird ein ie-
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Daß demnach dieſer Glaubens-Grund mit
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