Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736.
Morgen-und Abend-Andachten. Sterben mache selbst den Tod mir zum Ge-winn. Gieb, daß ich nicht allein ein Christ im Wissen heisse, vielmehr ein wahrer Christ nach dem Gewissen sey, und daß ich mich mit Ernst der Heiligkeit befleisse, ent- fern von eitlem Ruhm und schnöder Heu- cheley. Laß mich vor allen dich von gantzen Hertzen lieben, und meinen Nächsten denn, als wenn ichs selber wär: Ja laß mir dein Gesetz ins Hertze seyn geschrieben, und was dein Wille heischt, das sey auch mein Be- gehr. Bin ich auf dich getaufft, und bin dein Glied geworden, so hilff, daß mich kein Feind von dein em Leibe reißt: Dein Geist regiere mich im reinen Christen-Orden, der dich als Haupt erkennt/ und deine Kirche heißt. Ich kan nicht immer hier in GOttes- Hause bleiben, drum geb ich dir mein Hertz zu ei- nem Tempel ein, und will an meine Brust die süsse Losung schreiben: Hier ist der HErr, mein GOtt, hier soll ein Bethel seyn. Gleich wie ein Hirsche hier nach frischem Wasser schreyet, so schreyet meine Seel, und dürstet, GOtt, nach dir: Wenn komm ich doch dahin/ wenn werd ich doch erfreuet, dein Angesicht zu sehn in Sions schönster Zier? Wohlan! du wirst mich einst aus die- ser Kirche führen, die nur die Streitende auf N 5
Morgen-und Abend-Andachten. Sterben mache ſelbſt den Tod mir zum Ge-winn. Gieb, daß ich nicht allein ein Chriſt im Wiſſen heiſſe, vielmehr ein wahrer Chriſt nach dem Gewiſſen ſey, und daß ich mich mit Ernſt der Heiligkeit befleiſſe, ent- fern von eitlem Ruhm und ſchnöder Heu- cheley. Laß mich vor allen dich von gantzen Hertzen lieben, und meinen Nächſten denn, als wenn ichs ſelber wär: Ja laß mir dein Geſetz ins Hertze ſeyn geſchrieben, und was dein Wille heiſcht, das ſey auch mein Be- gehr. Bin ich auf dich getaufft, und bin dein Glied geworden, ſo hilff, daß mich kein Feind von dein em Leibe reißt: Dein Geiſt regiere mich im reinen Chriſten-Orden, der dich als Haupt erkennt/ und deine Kirche heißt. Ich kan nicht immer hier in GOttes- Hauſe bleiben, drum geb ich dir mein Hertz zu ei- nem Tempel ein, und will an meine Bruſt die ſüſſe Loſung ſchreiben: Hier iſt der HErr, mein GOtt, hier ſoll ein Bethel ſeyn. Gleich wie ein Hirſche hier nach friſchem Waſſer ſchreyet, ſo ſchreyet meine Seel, und dürſtet, GOtt, nach dir: Wenn komm ich doch dahin/ wenn werd ich doch erfreuet, dein Angeſicht zu ſehn in Sions ſchönſter Zier? Wohlan! du wirſt mich einſt aus die- ſer Kirche führen, die nur die Streitende auf N 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0229" n="201"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Morgen-und Abend-Andachten.</hi></fw><lb/> Sterben mache ſelbſt den Tod mir zum Ge-<lb/> winn. Gieb, daß ich nicht allein ein Chriſt<lb/> im Wiſſen heiſſe, vielmehr ein wahrer<lb/> Chriſt nach dem Gewiſſen ſey, und daß ich<lb/> mich mit Ernſt der Heiligkeit befleiſſe, ent-<lb/> fern von eitlem Ruhm und ſchnöder Heu-<lb/> cheley. Laß mich vor allen dich von gantzen<lb/> Hertzen lieben, und meinen Nächſten denn,<lb/> als wenn ichs ſelber wär: Ja laß mir dein<lb/> Geſetz ins Hertze ſeyn geſchrieben, und was<lb/> dein Wille heiſcht, das ſey auch mein Be-<lb/> gehr. Bin ich auf dich getaufft, und bin dein<lb/> Glied geworden, ſo hilff, daß mich kein Feind<lb/> von dein em Leibe reißt: Dein Geiſt regiere<lb/> mich im reinen Chriſten-Orden, der dich als<lb/> Haupt erkennt/ und deine Kirche heißt. Ich<lb/> kan nicht immer hier in GOttes- Hauſe<lb/> bleiben, drum geb ich dir mein Hertz zu ei-<lb/> nem Tempel ein, und will an meine Bruſt<lb/> die ſüſſe Loſung ſchreiben: Hier iſt der<lb/> HErr, mein GOtt, hier ſoll ein Bethel ſeyn.<lb/> Gleich wie ein Hirſche hier nach friſchem<lb/> Waſſer ſchreyet, ſo ſchreyet meine Seel, und<lb/> dürſtet, GOtt, nach dir: Wenn komm ich<lb/> doch dahin/ wenn werd ich doch erfreuet,<lb/> dein Angeſicht zu ſehn in Sions ſchönſter<lb/> Zier? Wohlan! du wirſt mich einſt aus die-<lb/> ſer Kirche führen, die nur die Streitende<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 5</fw><fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0229]
Morgen-und Abend-Andachten.
Sterben mache ſelbſt den Tod mir zum Ge-
winn. Gieb, daß ich nicht allein ein Chriſt
im Wiſſen heiſſe, vielmehr ein wahrer
Chriſt nach dem Gewiſſen ſey, und daß ich
mich mit Ernſt der Heiligkeit befleiſſe, ent-
fern von eitlem Ruhm und ſchnöder Heu-
cheley. Laß mich vor allen dich von gantzen
Hertzen lieben, und meinen Nächſten denn,
als wenn ichs ſelber wär: Ja laß mir dein
Geſetz ins Hertze ſeyn geſchrieben, und was
dein Wille heiſcht, das ſey auch mein Be-
gehr. Bin ich auf dich getaufft, und bin dein
Glied geworden, ſo hilff, daß mich kein Feind
von dein em Leibe reißt: Dein Geiſt regiere
mich im reinen Chriſten-Orden, der dich als
Haupt erkennt/ und deine Kirche heißt. Ich
kan nicht immer hier in GOttes- Hauſe
bleiben, drum geb ich dir mein Hertz zu ei-
nem Tempel ein, und will an meine Bruſt
die ſüſſe Loſung ſchreiben: Hier iſt der
HErr, mein GOtt, hier ſoll ein Bethel ſeyn.
Gleich wie ein Hirſche hier nach friſchem
Waſſer ſchreyet, ſo ſchreyet meine Seel, und
dürſtet, GOtt, nach dir: Wenn komm ich
doch dahin/ wenn werd ich doch erfreuet,
dein Angeſicht zu ſehn in Sions ſchönſter
Zier? Wohlan! du wirſt mich einſt aus die-
ſer Kirche führen, die nur die Streitende
auf
N 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736/229 |
| Zitationshilfe: | Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736/229>, abgerufen am 16.07.2024. |
