Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Morgen-und Abend-Andachten.
neigt, die finstre Nacht ist da; Komm, kehre
bey mir ein, mein bester Trost auf Erden/
sey mir mit deiner Huld auch in den Fin-
stern nah. Der Freytag ist vorbey, ach wär
ich frey von Sünden, so würd ich auch bey
dir frey von der Straffe seyn. Allein, so
muß ich mich auch heute schuldig finden, mir
kommt viel Böses ietzt und wenig Gutes
ein. Ich hab es schlecht bedacht, wie du an
diesem Tage vor aller Menschen Schuld so
schmertzlich hast gebüst, wie dir dein Lei-
dens-Gang durch ungemeine Plage biß
an des Creutzes-Stamm so sauer worden
ist. Die Bande, die du trugst; die Dornen,
die dich ritzten; die Geisseln, die den Leib
mit Striemen angefüllt, die Wunden,
welche Blut mit gantzen Strömen schwitz-
ten; dein Durst, dein Gallen-Tranck, dein
blasses Todten-Bild, die hätten heute mir
vor Augen sollen schweben! Dir, du Ge-
creutzigter, solt ich gecreutzigt seyn, allein
mich über zeugt mein Sünden-volles Le-
ben/ dein Blut will über mich und meine
Boßheit schreyn. O unbeflecktes Lamm, ich
habe dich erwürget, und meine Missethat
hat dich ans Creutze bracht; doch hast du
meine Schuld mit Blut und Tod verbür-
get, und selbsten dich vor mich zum Schul-

dener
Q 2

Morgen-und Abend-Andachten.
neigt, die finſtre Nacht iſt da; Komm, kehre
bey mir ein, mein beſter Troſt auf Erden/
ſey mir mit deiner Huld auch in den Fin-
ſtern nah. Der Freytag iſt vorbey, ach wär
ich frey von Sünden, ſo würd ich auch bey
dir frey von der Straffe ſeyn. Allein, ſo
muß ich mich auch heute ſchuldig finden, mir
kommt viel Böſes ietzt und wenig Gutes
ein. Ich hab es ſchlecht bedacht, wie du an
dieſem Tage vor aller Menſchen Schuld ſo
ſchmertzlich haſt gebüſt, wie dir dein Lei-
dens-Gang durch ungemeine Plage biß
an des Creutzes-Stamm ſo ſauer worden
iſt. Die Bande, die du trugſt; die Dornen,
die dich ritzten; die Geiſſeln, die den Leib
mit Striemen angefüllt, die Wunden,
welche Blut mit gantzen Strömen ſchwitz-
ten; dein Durſt, dein Gallen-Tranck, dein
blaſſes Todten-Bild, die hätten heute mir
vor Augen ſollen ſchweben! Dir, du Ge-
creutzigter, ſolt ich gecreutzigt ſeyn, allein
mich über zeugt mein Sünden-volles Le-
ben/ dein Blut will über mich und meine
Boßheit ſchreyn. O unbeflecktes Lamm, ich
habe dich erwürget, und meine Miſſethat
hat dich ans Creutze bracht; doch haſt du
meine Schuld mit Blut und Tod verbür-
get, und ſelbſten dich vor mich zum Schul-

dener
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0271" n="243"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Morgen-und Abend-Andachten.</hi></fw><lb/>
neigt, die fin&#x017F;tre Nacht i&#x017F;t da; Komm, kehre<lb/>
bey mir ein, mein be&#x017F;ter Tro&#x017F;t auf Erden/<lb/>
&#x017F;ey mir mit deiner Huld auch in den Fin-<lb/>
&#x017F;tern nah. Der Freytag i&#x017F;t vorbey, ach wär<lb/>
ich frey von Sünden, &#x017F;o würd ich auch bey<lb/>
dir frey von der Straffe &#x017F;eyn. Allein, &#x017F;o<lb/>
muß ich mich auch heute &#x017F;chuldig finden, mir<lb/>
kommt viel Bö&#x017F;es ietzt und wenig Gutes<lb/>
ein. Ich hab es &#x017F;chlecht bedacht, wie du an<lb/>
die&#x017F;em Tage vor aller Men&#x017F;chen Schuld &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chmertzlich ha&#x017F;t gebü&#x017F;t, wie dir dein Lei-<lb/>
dens-Gang durch ungemeine Plage biß<lb/>
an des Creutzes-Stamm &#x017F;o &#x017F;auer worden<lb/>
i&#x017F;t. Die Bande, die du trug&#x017F;t; die Dornen,<lb/>
die dich ritzten; die Gei&#x017F;&#x017F;eln, die den Leib<lb/>
mit Striemen angefüllt, die Wunden,<lb/>
welche Blut mit gantzen Strömen &#x017F;chwitz-<lb/>
ten; dein Dur&#x017F;t, dein Gallen-Tranck, dein<lb/>
bla&#x017F;&#x017F;es Todten-Bild, die hätten heute mir<lb/>
vor Augen &#x017F;ollen &#x017F;chweben! Dir, du Ge-<lb/>
creutzigter, &#x017F;olt ich gecreutzigt &#x017F;eyn, allein<lb/>
mich über zeugt mein Sünden-volles Le-<lb/>
ben/ dein Blut will über mich und meine<lb/>
Boßheit &#x017F;chreyn. O unbeflecktes Lamm, ich<lb/>
habe dich erwürget, und meine Mi&#x017F;&#x017F;ethat<lb/>
hat dich ans Creutze bracht; doch ha&#x017F;t du<lb/>
meine Schuld mit Blut und Tod verbür-<lb/>
get, und &#x017F;elb&#x017F;ten dich vor mich zum Schul-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dener</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0271] Morgen-und Abend-Andachten. neigt, die finſtre Nacht iſt da; Komm, kehre bey mir ein, mein beſter Troſt auf Erden/ ſey mir mit deiner Huld auch in den Fin- ſtern nah. Der Freytag iſt vorbey, ach wär ich frey von Sünden, ſo würd ich auch bey dir frey von der Straffe ſeyn. Allein, ſo muß ich mich auch heute ſchuldig finden, mir kommt viel Böſes ietzt und wenig Gutes ein. Ich hab es ſchlecht bedacht, wie du an dieſem Tage vor aller Menſchen Schuld ſo ſchmertzlich haſt gebüſt, wie dir dein Lei- dens-Gang durch ungemeine Plage biß an des Creutzes-Stamm ſo ſauer worden iſt. Die Bande, die du trugſt; die Dornen, die dich ritzten; die Geiſſeln, die den Leib mit Striemen angefüllt, die Wunden, welche Blut mit gantzen Strömen ſchwitz- ten; dein Durſt, dein Gallen-Tranck, dein blaſſes Todten-Bild, die hätten heute mir vor Augen ſollen ſchweben! Dir, du Ge- creutzigter, ſolt ich gecreutzigt ſeyn, allein mich über zeugt mein Sünden-volles Le- ben/ dein Blut will über mich und meine Boßheit ſchreyn. O unbeflecktes Lamm, ich habe dich erwürget, und meine Miſſethat hat dich ans Creutze bracht; doch haſt du meine Schuld mit Blut und Tod verbür- get, und ſelbſten dich vor mich zum Schul- dener Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736/271
Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Der mit Rechtschaffenen Hertzen Zu seinem Jesu sich nahende Sünder, In auserlesenen Buß- Beicht- und Comunion-Andachten. Chemnitz, 1736, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_andachten_1736/271>, abgerufen am 18.07.2024.