dich suchen: Ach wie voller Eitelkeit ist die Welt, und wie voller Blindheit und Thorheit sind die vereitel- ten Hertzen der Menschen - Kinder! die Versuchun- gen der Welt, in Augen - Lust, Fleisches - Lust und hoffärtigem Leben, sind an allen Orten ausgesteckt, wie eine gifftig-süsse Speise, welche unvorsichtige Seelen an sich locket; auch ich, mein Hertzen-Kün- diger! kan nicht läugnen, daß ich nicht sollte Nei- gungen zur Liebe des eiteln Weltwesens gehabt ha- ben, ich hab nicht allemal die irdische Dinge in ih- rem Nichts angesehen, sondern als etwas, so noch einiges Suchens, Bemühens und Liebens werth seye: Ach GOtt! vergieb mir auch die böse Begier- den, die mich jemals zu einer sündlichen Liebe der Welt verleitet haben: Ach wende doch mein Hertz und meine Augen ab, daß sie das Eitele weder sehen noch lieben: Wende meine Ohren ab, daß ich nicht höre die verführende Liebkosungen der Welt, auch nicht einmal die Reitzungen meines eignen Fleisches und Bluts; wende meine Füsse ab von den verdamm- lichen Sünden-Wegen, die voller Gruben und Ge- fahr seyn, und unvorsichtige Seelen ins ewige Ver- derben stürtzen: Gieb, daß ich fürsichtiglich wande- le, als ein Kind des Lichts, daß ich meide alle Wer- cke der Finsterniß, ja selbst auch allen bösen Schein, wodurch ich meinen Nächsten möchte ärgern. Ach bewahre mich, GOtt meine Stärcke, daß ich mich nicht gleich stelle der Welt, und laß mich doch nim- mermehr in solche Thorheit gerathen, daß ich das Sichtbare dem Unfichtbaren, und das Zeitliche dem
Ewi-
Gebett wider die Liebe
dich ſuchen: Ach wie voller Eitelkeit iſt die Welt, und wie voller Blindheit und Thorheit ſind die vereitel- ten Hertzen der Menſchen - Kinder! die Verſuchun- gen der Welt, in Augen - Luſt, Fleiſches - Luſt und hoffärtigem Leben, ſind an allen Orten ausgeſteckt, wie eine gifftig-ſüſſe Speiſe, welche unvorſichtige Seelen an ſich locket; auch ich, mein Hertzen-Kün- diger! kan nicht läugnen, daß ich nicht ſollte Nei- gungen zur Liebe des eiteln Weltweſens gehabt ha- ben, ich hab nicht allemal die irdiſche Dinge in ih- rem Nichts angeſehen, ſondern als etwas, ſo noch einiges Suchens, Bemühens und Liebens werth ſeye: Ach GOtt! vergieb mir auch die böſe Begier- den, die mich jemals zu einer ſündlichen Liebe der Welt verleitet haben: Ach wende doch mein Hertz und meine Augen ab, daß ſie das Eitele weder ſehen noch lieben: Wende meine Ohren ab, daß ich nicht höre die verführende Liebkoſungen der Welt, auch nicht einmal die Reitzungen meines eignen Fleiſches und Bluts; wende meine Füſſe ab von den verdamm- lichen Sünden-Wegen, die voller Gruben und Ge- fahr ſeyn, und unvorſichtige Seelen ins ewige Ver- derben ſtürtzen: Gieb, daß ich fürſichtiglich wande- le, als ein Kind des Lichts, daß ich meide alle Wer- cke der Finſterniß, ja ſelbſt auch allen böſen Schein, wodurch ich meinen Nächſten möchte ärgern. Ach bewahre mich, GOtt meine Stärcke, daß ich mich nicht gleich ſtelle der Welt, und laß mich doch nim- mermehr in ſolche Thorheit gerathen, daß ich das Sichtbare dem Unfichtbaren, und das Zeitliche dem
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Gebett wider die Liebe
dich ſuchen: Ach wie voller Eitelkeit iſt die Welt, und
wie voller Blindheit und Thorheit ſind die vereitel-
ten Hertzen der Menſchen - Kinder! die Verſuchun-
gen der Welt, in Augen - Luſt, Fleiſches - Luſt und
hoffärtigem Leben, ſind an allen Orten ausgeſteckt,
wie eine gifftig-ſüſſe Speiſe, welche unvorſichtige
Seelen an ſich locket; auch ich, mein Hertzen-Kün-
diger! kan nicht läugnen, daß ich nicht ſollte Nei-
gungen zur Liebe des eiteln Weltweſens gehabt ha-
ben, ich hab nicht allemal die irdiſche Dinge in ih-
rem Nichts angeſehen, ſondern als etwas, ſo noch
einiges Suchens, Bemühens und Liebens werth
ſeye: Ach GOtt! vergieb mir auch die böſe Begier-
den, die mich jemals zu einer ſündlichen Liebe der
Welt verleitet haben: Ach wende doch mein Hertz
und meine Augen ab, daß ſie das Eitele weder ſehen
noch lieben: Wende meine Ohren ab, daß ich nicht
höre die verführende Liebkoſungen der Welt, auch
nicht einmal die Reitzungen meines eignen Fleiſches
und Bluts; wende meine Füſſe ab von den verdamm-
lichen Sünden-Wegen, die voller Gruben und Ge-
fahr ſeyn, und unvorſichtige Seelen ins ewige Ver-
derben ſtürtzen: Gieb, daß ich fürſichtiglich wande-
le, als ein Kind des Lichts, daß ich meide alle Wer-
cke der Finſterniß, ja ſelbſt auch allen böſen Schein,
wodurch ich meinen Nächſten möchte ärgern. Ach
bewahre mich, GOtt meine Stärcke, daß ich mich
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/444>, abgerufen am 28.06.2024.
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