und hab noch nie gesehen den Gerechten verlassen, auch den nicht, wenn sein Saame hat müssen nach Brod gehen. Dörffen Kinder bitten von ihren El- tern: So darf ich auch wohl von dir meinem himm- lischen Vatter bitten, einen Nähr-Pfenning, mich und die Meinige in Nahrung und ehrbarer Kleidung zu unterhalten; einen Wehr-Pfenning, den ich mei- ner lieben Obrigkeit für ihren Schutz zu geben schul- dig bin; einen Ehren-Pfenning, meinem Nächsten zur Ehre und Hülffe anzuwenden; einen Allmosen- Pfenning für die Armen, auf daß ich auch habe zu geben dem Dürfftigen, und denselben nicht Trost- und Hülff-los müsse lassen von meiner Thüre gehen: einen Noth - Pfenning, wenn mich Unglück oder Kranckheit sollte überfallen, und auf ein langwieri- ges Lager-Bethe hinlegen, da ichs nicht erwerben kan, daß ich alsdann nicht müsse darben: Endlich auch, wann es dir beliebet, einen Erb-Pfenning, da- mit ich die Meinen nicht allzu bloß der argen und bösen Welt hinterlasse, sondern nur so viel nachlas- se, womit sie sich ehrlich können durch die Welt brin- gen.
Ich verwundere mich manchmal über die Klug- heit und List der Kinder dieser Welt, in ihrem Ge- schlecht, und seuffze billich bey mir selbst: Ach! daß ich bey Dauben-Einfalt auch mit solcher Klugheit nach himmlischen Dingen trachten möchte, als die Kinder der Welt nach dem Zeitlichen und Irdischen! Ist das zeitliche Gut von Dieben nicht frey, die frey- willig eingelassen, freywillig geheget, sich in freywil-
lige
Gebett eines Kauffmanns.
und hab noch nie geſehen den Gerechten verlaſſen, auch den nicht, wenn ſein Saame hat müſſen nach Brod gehen. Dörffen Kinder bitten von ihren El- tern: So darf ich auch wohl von dir meinem himm- liſchen Vatter bitten, einen Nähr-Pfenning, mich und die Meinige in Nahrung und ehrbarer Kleidung zu unterhalten; einen Wehr-Pfenning, den ich mei- ner lieben Obrigkeit für ihren Schutz zu geben ſchul- dig bin; einen Ehren-Pfenning, meinem Nächſten zur Ehre und Hülffe anzuwenden; einen Allmoſen- Pfenning für die Armen, auf daß ich auch habe zu geben dem Dürfftigen, und denſelben nicht Troſt- und Hülff-los müſſe laſſen von meiner Thüre gehen: einen Noth - Pfenning, wenn mich Unglück oder Kranckheit ſollte überfallen, und auf ein langwieri- ges Lager-Bethe hinlegen, da ichs nicht erwerben kan, daß ich alsdann nicht müſſe darben: Endlich auch, wann es dir beliebet, einen Erb-Pfenning, da- mit ich die Meinen nicht allzu bloß der argen und böſen Welt hinterlaſſe, ſondern nur ſo viel nachlaſ- ſe, womit ſie ſich ehrlich können durch die Welt brin- gen.
Ich verwundere mich manchmal über die Klug- heit und Liſt der Kinder dieſer Welt, in ihrem Ge- ſchlecht, und ſeuffze billich bey mir ſelbſt: Ach! daß ich bey Dauben-Einfalt auch mit ſolcher Klugheit nach himmliſchen Dingen trachten möchte, als die Kinder der Welt nach dem Zeitlichen und Irdiſchen! Iſt das zeitliche Gut von Dieben nicht frey, die frey- willig eingelaſſen, freywillig geheget, ſich in freywil-
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Gebett eines Kauffmanns.
und hab noch nie geſehen den Gerechten verlaſſen,
auch den nicht, wenn ſein Saame hat müſſen nach
Brod gehen. Dörffen Kinder bitten von ihren El-
tern: So darf ich auch wohl von dir meinem himm-
liſchen Vatter bitten, einen Nähr-Pfenning, mich
und die Meinige in Nahrung und ehrbarer Kleidung
zu unterhalten; einen Wehr-Pfenning, den ich mei-
ner lieben Obrigkeit für ihren Schutz zu geben ſchul-
dig bin; einen Ehren-Pfenning, meinem Nächſten
zur Ehre und Hülffe anzuwenden; einen Allmoſen-
Pfenning für die Armen, auf daß ich auch habe zu
geben dem Dürfftigen, und denſelben nicht Troſt-
und Hülff-los müſſe laſſen von meiner Thüre gehen:
einen Noth - Pfenning, wenn mich Unglück oder
Kranckheit ſollte überfallen, und auf ein langwieri-
ges Lager-Bethe hinlegen, da ichs nicht erwerben
kan, daß ich alsdann nicht müſſe darben: Endlich
auch, wann es dir beliebet, einen Erb-Pfenning, da-
mit ich die Meinen nicht allzu bloß der argen und
böſen Welt hinterlaſſe, ſondern nur ſo viel nachlaſ-
ſe, womit ſie ſich ehrlich können durch die Welt brin-
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Ich verwundere mich manchmal über die Klug-
heit und Liſt der Kinder dieſer Welt, in ihrem Ge-
ſchlecht, und ſeuffze billich bey mir ſelbſt: Ach! daß
ich bey Dauben-Einfalt auch mit ſolcher Klugheit
nach himmliſchen Dingen trachten möchte, als die
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Iſt das zeitliche Gut von Dieben nicht frey, die frey-
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/546>, abgerufen am 22.11.2024.
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