OHeilig, heilig, heiliger GOtt! vor welchem die Himmel selbst nicht rein seyn, und vor welchem auch die allerheiligsten Seraphim ihre An- gesichter bedecken müssen: Darff ich wohl meine Au- gen zu dir aufheben gen Himmel, da ich dich, meinen himmlischen Vatter! durch meine Sünden so sehr erzürnet habe? Ach das sündliche und betrügliche Hertz, wie sucht es mit den elenden Feigen-Blättern, seine Blösse zu decken! die doch vor dir nicht gelten, o Hertzen-Kündiger! der du Hertzen und Nieren prüffest: Mein eigen Gewissen sagt mirs, welches mehr ist dann tausend Zeugen, daß ich mich an dir meinem Bundes - GOtt gar schwer versündiget habe. Hab ich gesündiget, was soll ich dir thun? o Menschen - Hüter! sollte ich läugnen, was du, o allwissender GOtt! und mein Gewissen besser weißt, so würde es mir nicht gelingen, sondern ich würde Sünde mit Sünde häuffen, so will ich dann meine Sünden vor dir offenhertzig bekennen, und sagen: An dir, o mein GOtt! hab ich gesündiget, und Ubels vor dir gethan, und bin nicht werth, daß ich dein Kind heisse. Mein Gewissen klagt mich an, ich finde keine Ruhe in meinem Hertzen, da durch meine Schuld der Tröster von mir gewichen, der meine Seele erquicken sollte. Die Sünde ist wie ein Ge- schwür und Eyter in meinen Gebeinen, und lässet mir keine Ruhe Tag und Nacht; sehe ich den Him- mel an, so beschuldiget er mich des Undancks ge- gen dich meinen lieben Vatter in dem Himmel:
Neh-
Gebett in Gewiſſens-Angſt.
OHeilig, heilig, heiliger GOtt! vor welchem die Himmel ſelbſt nicht rein ſeyn, und vor welchem auch die allerheiligſten Seraphim ihre An- geſichter bedecken müſſen: Darff ich wohl meine Au- gen zu dir aufheben gen Himmel, da ich dich, meinen himmliſchen Vatter! durch meine Sünden ſo ſehr erzürnet habe? Ach das ſündliche und betrügliche Hertz, wie ſucht es mit den elenden Feigen-Blättern, ſeine Blöſſe zu decken! die doch vor dir nicht gelten, o Hertzen-Kündiger! der du Hertzen und Nieren prüffeſt: Mein eigen Gewiſſen ſagt mirs, welches mehr iſt dann tauſend Zeugen, daß ich mich an dir meinem Bundes - GOtt gar ſchwer verſündiget habe. Hab ich geſündiget, was ſoll ich dir thun? o Menſchen - Hüter! ſollte ich läugnen, was du, o allwiſſender GOtt! und mein Gewiſſen beſſer weißt, ſo würde es mir nicht gelingen, ſondern ich würde Sünde mit Sünde häuffen, ſo will ich dann meine Sünden vor dir offenhertzig bekennen, und ſagen: An dir, o mein GOtt! hab ich geſündiget, und Ubels vor dir gethan, und bin nicht werth, daß ich dein Kind heiſſe. Mein Gewiſſen klagt mich an, ich finde keine Ruhe in meinem Hertzen, da durch meine Schuld der Tröſter von mir gewichen, der meine Seele erquicken ſollte. Die Sünde iſt wie ein Ge- ſchwür und Eyter in meinen Gebeinen, und läſſet mir keine Ruhe Tag und Nacht; ſehe ich den Him- mel an, ſo beſchuldiget er mich des Undancks ge- gen dich meinen lieben Vatter in dem Himmel:
Neh-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0594"n="572"/><fwplace="top"type="header">Gebett in Gewiſſens-Angſt.</fw><lb/><p><hirendition="#in">O</hi>Heilig, heilig, heiliger GOtt! vor welchem<lb/>
die Himmel ſelbſt nicht rein ſeyn, und vor<lb/>
welchem auch die allerheiligſten Seraphim ihre An-<lb/>
geſichter bedecken müſſen: Darff ich wohl meine Au-<lb/>
gen zu dir aufheben gen Himmel, da ich dich, meinen<lb/>
himmliſchen Vatter! durch meine Sünden ſo ſehr<lb/>
erzürnet habe? Ach das ſündliche und betrügliche<lb/>
Hertz, wie ſucht es mit den elenden Feigen-Blättern,<lb/>ſeine Blöſſe zu decken! die doch vor dir nicht gelten,<lb/>
o Hertzen-Kündiger! der du Hertzen und Nieren<lb/>
prüffeſt: Mein eigen Gewiſſen ſagt mirs, welches<lb/>
mehr iſt dann tauſend Zeugen, daß ich mich an dir<lb/>
meinem Bundes - GOtt gar ſchwer verſündiget<lb/>
habe. Hab ich geſündiget, was ſoll ich dir thun? o<lb/>
Menſchen - Hüter! ſollte ich läugnen, was du, o<lb/>
allwiſſender GOtt! und mein Gewiſſen beſſer weißt,<lb/>ſo würde es mir nicht gelingen, ſondern ich würde<lb/>
Sünde mit Sünde häuffen, ſo will ich dann meine<lb/>
Sünden vor dir offenhertzig bekennen, und ſagen:<lb/>
An dir, o mein GOtt! hab ich geſündiget, und<lb/>
Ubels vor dir gethan, und bin nicht werth, daß ich<lb/>
dein Kind heiſſe. Mein Gewiſſen klagt mich an, ich<lb/>
finde keine Ruhe in meinem Hertzen, da durch meine<lb/>
Schuld der Tröſter von mir gewichen, der meine<lb/>
Seele erquicken ſollte. Die Sünde iſt wie ein Ge-<lb/>ſchwür und Eyter in meinen Gebeinen, und läſſet<lb/>
mir keine Ruhe Tag und Nacht; ſehe ich den Him-<lb/>
mel an, ſo beſchuldiget er mich des Undancks ge-<lb/>
gen dich meinen lieben Vatter in dem Himmel:<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Neh-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[572/0594]
Gebett in Gewiſſens-Angſt.
OHeilig, heilig, heiliger GOtt! vor welchem
die Himmel ſelbſt nicht rein ſeyn, und vor
welchem auch die allerheiligſten Seraphim ihre An-
geſichter bedecken müſſen: Darff ich wohl meine Au-
gen zu dir aufheben gen Himmel, da ich dich, meinen
himmliſchen Vatter! durch meine Sünden ſo ſehr
erzürnet habe? Ach das ſündliche und betrügliche
Hertz, wie ſucht es mit den elenden Feigen-Blättern,
ſeine Blöſſe zu decken! die doch vor dir nicht gelten,
o Hertzen-Kündiger! der du Hertzen und Nieren
prüffeſt: Mein eigen Gewiſſen ſagt mirs, welches
mehr iſt dann tauſend Zeugen, daß ich mich an dir
meinem Bundes - GOtt gar ſchwer verſündiget
habe. Hab ich geſündiget, was ſoll ich dir thun? o
Menſchen - Hüter! ſollte ich läugnen, was du, o
allwiſſender GOtt! und mein Gewiſſen beſſer weißt,
ſo würde es mir nicht gelingen, ſondern ich würde
Sünde mit Sünde häuffen, ſo will ich dann meine
Sünden vor dir offenhertzig bekennen, und ſagen:
An dir, o mein GOtt! hab ich geſündiget, und
Ubels vor dir gethan, und bin nicht werth, daß ich
dein Kind heiſſe. Mein Gewiſſen klagt mich an, ich
finde keine Ruhe in meinem Hertzen, da durch meine
Schuld der Tröſter von mir gewichen, der meine
Seele erquicken ſollte. Die Sünde iſt wie ein Ge-
ſchwür und Eyter in meinen Gebeinen, und läſſet
mir keine Ruhe Tag und Nacht; ſehe ich den Him-
mel an, ſo beſchuldiget er mich des Undancks ge-
gen dich meinen lieben Vatter in dem Himmel:
Neh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/594>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.