Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.Gebett in Kranckheit. flucht ist nicht abgeschreckt, und meine Hoffnung istdadurch nicht vermindert, sondern durchs Demü- thigen hast du mich groß gemacht, durch Kranck- heiten und Schmertzen des Leibes hast du mich an meiner Seelen gesund gemacht; die Wunden heilen mich, und deine Züchtigungen sind mir gut, heil- sam, nützlich und selig. Und wann du dich schon stellest, als wärest du mein Feind geworden, so lasse ich doch nicht, dich anzuruffen als meinen Freund; und wann ich schon nie keine Verheissung deiner Gna- de empfangen hätte, so wollte ichs doch machen als ein Bettler, der von einem Reichen ein Allmosen fordert, ob er ihn schon nicht kennet: Und wann du mich schon als ein Hündlein von dem Tisch deiner Kinder verstiessest, so wollte ichs doch machen wie das Cananäische Weiblein, und dir nachschreyen, und sagen: HErr, nur ein Bröcklein von deinem Gnaden-Tisch; ich will gern ein armes Hündlein heissen, wann ich nur zu deinen Füssen mag liegen, und auflesen die Gnaden-Bröcklein, die andere ver- achten. Ach HErr! nur einen einzigen Gnaden- Groschen auf der Reise dieses betrübten Lebens, daß ich mit Ehren möge durch diese arge Welt kom- men: Nur einen kühlen Labe-Trunck aus dem Brun- nen des Lebens, und von den Wassern deines Beth- lehems; nur einen Stab in meine schwache Hand auf meiner Pilgrimschafft, wann er schon von schwe- rem Eisen, oder von stechenden Dornen seyn sollte. Thue mit mir, was dir beliebt: Laß mich arm wer- den, und mein Brod suchen, so will ich doch sagen: Ich S s 4
Gebett in Kranckheit. flucht iſt nicht abgeſchreckt, und meine Hoffnung iſtdadurch nicht vermindert, ſondern durchs Demü- thigen haſt du mich groß gemacht, durch Kranck- heiten und Schmertzen des Leibes haſt du mich an meiner Seelen geſund gemacht; die Wunden heilen mich, und deine Züchtigungen ſind mir gut, heil- ſam, nützlich und ſelig. Und wann du dich ſchon ſtelleſt, als wäreſt du mein Feind geworden, ſo laſſe ich doch nicht, dich anzuruffen als meinen Freund; und wann ich ſchon nie keine Verheiſſung deiner Gna- de empfangen hätte, ſo wollte ichs doch machen als ein Bettler, der von einem Reichen ein Allmoſen fordert, ob er ihn ſchon nicht kennet: Und wann du mich ſchon als ein Hündlein von dem Tiſch deiner Kinder verſtieſſeſt, ſo wollte ichs doch machen wie das Cananäiſche Weiblein, und dir nachſchreyen, und ſagen: HErr, nur ein Bröcklein von deinem Gnaden-Tiſch; ich will gern ein armes Hündlein heiſſen, wann ich nur zu deinen Füſſen mag liegen, und aufleſen die Gnaden-Bröcklein, die andere ver- achten. Ach HErr! nur einen einzigen Gnaden- Groſchen auf der Reiſe dieſes betrübten Lebens, daß ich mit Ehren möge durch dieſe arge Welt kom- men: Nur einen kühlen Labe-Trunck aus dem Brun- nen des Lebens, und von den Waſſern deines Beth- lehems; nur einen Stab in meine ſchwache Hand auf meiner Pilgrimſchafft, wann er ſchon von ſchwe- rem Eiſen, oder von ſtechenden Dornen ſeyn ſollte. Thue mit mir, was dir beliebt: Laß mich arm wer- den, und mein Brod ſuchen, ſo will ich doch ſagen: Ich S s 4
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Gebett in Kranckheit.
flucht iſt nicht abgeſchreckt, und meine Hoffnung iſt
dadurch nicht vermindert, ſondern durchs Demü-
thigen haſt du mich groß gemacht, durch Kranck-
heiten und Schmertzen des Leibes haſt du mich an
meiner Seelen geſund gemacht; die Wunden heilen
mich, und deine Züchtigungen ſind mir gut, heil-
ſam, nützlich und ſelig. Und wann du dich ſchon
ſtelleſt, als wäreſt du mein Feind geworden, ſo laſſe
ich doch nicht, dich anzuruffen als meinen Freund;
und wann ich ſchon nie keine Verheiſſung deiner Gna-
de empfangen hätte, ſo wollte ichs doch machen als
ein Bettler, der von einem Reichen ein Allmoſen
fordert, ob er ihn ſchon nicht kennet: Und wann du
mich ſchon als ein Hündlein von dem Tiſch deiner
Kinder verſtieſſeſt, ſo wollte ichs doch machen wie
das Cananäiſche Weiblein, und dir nachſchreyen,
und ſagen: HErr, nur ein Bröcklein von deinem
Gnaden-Tiſch; ich will gern ein armes Hündlein
heiſſen, wann ich nur zu deinen Füſſen mag liegen,
und aufleſen die Gnaden-Bröcklein, die andere ver-
achten. Ach HErr! nur einen einzigen Gnaden-
Groſchen auf der Reiſe dieſes betrübten Lebens,
daß ich mit Ehren möge durch dieſe arge Welt kom-
men: Nur einen kühlen Labe-Trunck aus dem Brun-
nen des Lebens, und von den Waſſern deines Beth-
lehems; nur einen Stab in meine ſchwache Hand
auf meiner Pilgrimſchafft, wann er ſchon von ſchwe-
rem Eiſen, oder von ſtechenden Dornen ſeyn ſollte.
Thue mit mir, was dir beliebt: Laß mich arm wer-
den, und mein Brod ſuchen, ſo will ich doch ſagen:
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