ACh GOtt! ists dann nicht bald genug? Sind die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet? Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur- tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei- tet, und elender Nächte sind mir viel worden; ich ü- berdencke meine Noth, und wann andere der süssen Nacht-Ruh geniessen, so läßt mich mein Anliegen nicht schlafen; ich laß auch alsdann der Traurig- keit ihren Willen, weil mir niemand zusiehet: Ich bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu sorgen; viel Bekümmernissen liegen mir auf mei- nem Hertzen, weil der Tröster, der meine Seele er- quicken soll, von mir gewichen ist. Ich dencke hin und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie mir zu helffen sey; ich wollte mich gern selbst trösten, und mein Hertz zufrieden stellen: Es ist aber umsonst; ich vertieffe mich offt so sehr in meinen traurigen Ge- dancken, daß ich mich kaum selbst erholen kan. Ich spreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach GOtt! es will so nicht hafften, wie ich wünsche: Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines Kindes, welches wie ein armes Würmelein sich in seinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe nach matt und kranck ist, sondern auch der Seelen nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei- nem guten Willen. Schreibe du doch selbst die herr- liche Trost-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und laß sie seyn ein köstlicher Balsam Gileads in meinen
Wun-
Gebett in Kranckheit.
Der Angefochtene hält an.
ACh GOtt! iſts dann nicht bald genug? Sind die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet? Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur- tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei- tet, und elender Nächte ſind mir viel worden; ich ü- berdencke meine Noth, und wann andere der ſüſſen Nacht-Ruh genieſſen, ſo läßt mich mein Anliegen nicht ſchlafen; ich laß auch alsdann der Traurig- keit ihren Willen, weil mir niemand zuſiehet: Ich bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu ſorgen; viel Bekümmerniſſen liegen mir auf mei- nem Hertzen, weil der Tröſter, der meine Seele er- quicken ſoll, von mir gewichen iſt. Ich dencke hin und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie mir zu helffen ſey; ich wollte mich gern ſelbſt tröſten, und mein Hertz zufrieden ſtellen: Es iſt aber umſonſt; ich vertieffe mich offt ſo ſehr in meinen traurigen Ge- dancken, daß ich mich kaum ſelbſt erholen kan. Ich ſpreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach GOtt! es will ſo nicht hafften, wie ich wünſche: Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines Kindes, welches wie ein armes Würmelein ſich in ſeinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe nach matt und kranck iſt, ſondern auch der Seelen nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei- nem guten Willen. Schreibe du doch ſelbſt die herr- liche Troſt-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und laß ſie ſeyn ein köſtlicher Balſam Gileads in meinen
Wun-
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Gebett in Kranckheit.
Der Angefochtene hält an.
ACh GOtt! iſts dann nicht bald genug? Sind
die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet?
Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur-
tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab
fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei-
tet, und elender Nächte ſind mir viel worden; ich ü-
berdencke meine Noth, und wann andere der ſüſſen
Nacht-Ruh genieſſen, ſo läßt mich mein Anliegen
nicht ſchlafen; ich laß auch alsdann der Traurig-
keit ihren Willen, weil mir niemand zuſiehet: Ich
bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu
ſorgen; viel Bekümmerniſſen liegen mir auf mei-
nem Hertzen, weil der Tröſter, der meine Seele er-
quicken ſoll, von mir gewichen iſt. Ich dencke hin
und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie
mir zu helffen ſey; ich wollte mich gern ſelbſt tröſten,
und mein Hertz zufrieden ſtellen: Es iſt aber umſonſt;
ich vertieffe mich offt ſo ſehr in meinen traurigen Ge-
dancken, daß ich mich kaum ſelbſt erholen kan.
Ich ſpreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach
GOtt! es will ſo nicht hafften, wie ich wünſche:
Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines
Kindes, welches wie ein armes Würmelein ſich in
ſeinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe
nach matt und kranck iſt, ſondern auch der Seelen
nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei-
nem guten Willen. Schreibe du doch ſelbſt die herr-
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/674>, abgerufen am 22.11.2024.
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