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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die Nährpflanzen und die Haustiere.
vor allem die, welche wegen mangelnder Durchschnittswärme auch in mittleren Klimaten
nicht überall vorkommen, wie Tabak und Wein, feinere Gemüse- und Obstarten; in den
Pfälzer Weinbaudistrikten steigt die Bevölkerung auf 15000 Menschen pro Quadratmeile.
Für die südlicheren Gegenden handelt es sich um die Gewürzpflanzen, dann um Thee,
Kaffee, Zuckerrohr, welche den Gegenden, wo sie, und zumal in besonderer Güte, gedeihen,
einen großen wirtschaftlichen Vorsprung verleihen.

Wenn auch keinen so großen Einfluß wie die Pflanzen, so üben doch auch die
Tiere einen solchen auf die Volkswirtschaft aus. Die wilden Tiere haben durch den
Kampf mit ihnen die Menschen zu Kraft und Energie, auch die jagdbaren haben durch
ihre Verfolgung bestimmte Rassen und Völker ebenso zur Anstrengung und Abhärtung,
zu Schlauheit und scharfen Sinnen erzogen. Fast überall war und ist die Ernährung
des Menschen mehr oder weniger von der Tierwelt abhängig; die Meere und Flüsse
haben durch ihren Reichtum an Fischen und Schaltieren in dem Leben vieler Völker
eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Neben dem Fleische, dem Blute, der Milch der
Tiere hat die Benutzung der Knochen zu Geräten, der Wolle und Häute, sowie der
Pelze zur Bekleidung stets große Bedeutung gehabt. So hat naturgemäß das ursprüng-
liche Vorkommen oder Fehlen der einzelnen Tierarten, das sich im ganzen auch nach
Klima, Wärme, Pflanzenwelt, Wasser und Bodenverhältnissen richtet, überall die wirt-
schaftliche Entwickelung mit bestimmt. Australiens weites Zurückbleiben hinter den
anderen Erdteilen hing mit seiner kümmerlichen, aus der Tertiärzeit stammenden Tierwelt
ebenso zusammen wie die älteren amerikanischen Zustände mit der Thatsache, daß Rind,
Pferd, Kamel und Schaf den Eingeborenen fehlten, daß sie als gezähmte Arbeitstiere
nur Hund und Lama besaßen, nirgends zur Milchwirtschaft, zum Ackerbau mit Rind-
vieh, zu nomadischer oder halbnomadischer Lebensweise kamen. Noch heute sind die ost-
asiatischen und afrikanischen Gebiete, welche spät unsere Haustiere kennen lernten, seit
Jahrtausenden eine Landwirtschaft ohne oder fast ohne sie trieben, wesentlich dadurch
wirtschaftlich ärmer geblieben. Im übrigen aber hat gerade die kleine Zahl von Tieren,
die der Mensch zähmen, zu Lasttieren, zum Reiten, zum Pflügen erziehen lernte, die er
als Hauptfleisch- und Milchtiere benutzte, eine sehr weitgehende Acclimatisation erfahren.
Einzelne, wie Hund, Schwein, Huhn, Kaninchen, kommen heute fast überall vor; auch Rind,
Pferd, Esel und Schaf sind sehr weit verbreitet. Wir sehen so, daß Drude recht hat,
wenn er sagt, die geographische Verbreitung der Tiere gehe im ganzen der der Pflanzen
parallel, aber sei doch etwas unabhängiger und leichter. Es ist ein analoger Gedanke,
den A. v. Humboldt im Kosmos ausspricht, wenn er sagt, der Mensch sei in minderem
Grade als Pflanzen und Tiere von der Natur abhängig; er entgehe leichter als sie den
Naturgewalten durch Geistesthätigkeit und stufenweise erhöhte Intelligenz wie durch
eine wunderbare, sich allen Klimaten anpassende Biegsamkeit des Organismus.

57. Allgemeine Ergebnisse. Wollen wir kurz versuchen, die Summe dessen
zu ziehen, was wir über den Zusammenhang der Volkswirtschaft mit der äußeren Natur
wissen, so weisen wir mit Sicherheit heute die extremen Anschauungen zurück, die auf
der einen Seite idealistisch den Einfluß der Natur ganz oder fast ganz negieren, auf der
anderen realistisch alle wirtschaftliche und sonstige Kultur auf Boden und Klima allein
zurückführen wollen. Den ersteren Standpunkt vertrat, freilich mehr in Bezug auf
menschliche Eigenschaften als auf die Volkswirtschaft, Hume; ihm folgte z. B. Th. Waitz
(Anthropologie der Naturvölker) in gewissem Sinne, wenn er gegenüber den ausschlag-
gebenden historischen Ursachen der Civilisation die Naturverhältnisse etwas geringschätzig
als Gelegenheitsursachen bezeichnete; in mancher Beziehung auch Peschel in seiner Polemik
gegen Ritter; ebenso übertreiben die Nationalökonomen, welche bei der Erklärung des
Reichtums von Holland oder England nur betonen, wie hier durch geistige Kräfte allein
die Kargheit der Natur überwunden sei. Ähnlich wollten alle die wirtschafts- und kultur-
geschichtlichen Erinnerungen, daß zu verschiedenen Zeiten, in der Hand verschiedener Rassen
und Völker dieselbe Natur, dasselbe Land bald wirtschaftliche Verkümmerung und Not,
bald höchsten Wohlstand und Civilisation gezeigt, wollte der Hinweis, dessen sich schon
Hume bedient, daß oft in demselben Lande, unter denselben Naturverhältnissen einzelne

Die Nährpflanzen und die Haustiere.
vor allem die, welche wegen mangelnder Durchſchnittswärme auch in mittleren Klimaten
nicht überall vorkommen, wie Tabak und Wein, feinere Gemüſe- und Obſtarten; in den
Pfälzer Weinbaudiſtrikten ſteigt die Bevölkerung auf 15000 Menſchen pro Quadratmeile.
Für die ſüdlicheren Gegenden handelt es ſich um die Gewürzpflanzen, dann um Thee,
Kaffee, Zuckerrohr, welche den Gegenden, wo ſie, und zumal in beſonderer Güte, gedeihen,
einen großen wirtſchaftlichen Vorſprung verleihen.

Wenn auch keinen ſo großen Einfluß wie die Pflanzen, ſo üben doch auch die
Tiere einen ſolchen auf die Volkswirtſchaft aus. Die wilden Tiere haben durch den
Kampf mit ihnen die Menſchen zu Kraft und Energie, auch die jagdbaren haben durch
ihre Verfolgung beſtimmte Raſſen und Völker ebenſo zur Anſtrengung und Abhärtung,
zu Schlauheit und ſcharfen Sinnen erzogen. Faſt überall war und iſt die Ernährung
des Menſchen mehr oder weniger von der Tierwelt abhängig; die Meere und Flüſſe
haben durch ihren Reichtum an Fiſchen und Schaltieren in dem Leben vieler Völker
eine ausſchlaggebende Rolle geſpielt. Neben dem Fleiſche, dem Blute, der Milch der
Tiere hat die Benutzung der Knochen zu Geräten, der Wolle und Häute, ſowie der
Pelze zur Bekleidung ſtets große Bedeutung gehabt. So hat naturgemäß das urſprüng-
liche Vorkommen oder Fehlen der einzelnen Tierarten, das ſich im ganzen auch nach
Klima, Wärme, Pflanzenwelt, Waſſer und Bodenverhältniſſen richtet, überall die wirt-
ſchaftliche Entwickelung mit beſtimmt. Auſtraliens weites Zurückbleiben hinter den
anderen Erdteilen hing mit ſeiner kümmerlichen, aus der Tertiärzeit ſtammenden Tierwelt
ebenſo zuſammen wie die älteren amerikaniſchen Zuſtände mit der Thatſache, daß Rind,
Pferd, Kamel und Schaf den Eingeborenen fehlten, daß ſie als gezähmte Arbeitstiere
nur Hund und Lama beſaßen, nirgends zur Milchwirtſchaft, zum Ackerbau mit Rind-
vieh, zu nomadiſcher oder halbnomadiſcher Lebensweiſe kamen. Noch heute ſind die oſt-
aſiatiſchen und afrikaniſchen Gebiete, welche ſpät unſere Haustiere kennen lernten, ſeit
Jahrtauſenden eine Landwirtſchaft ohne oder faſt ohne ſie trieben, weſentlich dadurch
wirtſchaftlich ärmer geblieben. Im übrigen aber hat gerade die kleine Zahl von Tieren,
die der Menſch zähmen, zu Laſttieren, zum Reiten, zum Pflügen erziehen lernte, die er
als Hauptfleiſch- und Milchtiere benutzte, eine ſehr weitgehende Acclimatiſation erfahren.
Einzelne, wie Hund, Schwein, Huhn, Kaninchen, kommen heute faſt überall vor; auch Rind,
Pferd, Eſel und Schaf ſind ſehr weit verbreitet. Wir ſehen ſo, daß Drude recht hat,
wenn er ſagt, die geographiſche Verbreitung der Tiere gehe im ganzen der der Pflanzen
parallel, aber ſei doch etwas unabhängiger und leichter. Es iſt ein analoger Gedanke,
den A. v. Humboldt im Kosmos ausſpricht, wenn er ſagt, der Menſch ſei in minderem
Grade als Pflanzen und Tiere von der Natur abhängig; er entgehe leichter als ſie den
Naturgewalten durch Geiſtesthätigkeit und ſtufenweiſe erhöhte Intelligenz wie durch
eine wunderbare, ſich allen Klimaten anpaſſende Biegſamkeit des Organismus.

57. Allgemeine Ergebniſſe. Wollen wir kurz verſuchen, die Summe deſſen
zu ziehen, was wir über den Zuſammenhang der Volkswirtſchaft mit der äußeren Natur
wiſſen, ſo weiſen wir mit Sicherheit heute die extremen Anſchauungen zurück, die auf
der einen Seite idealiſtiſch den Einfluß der Natur ganz oder faſt ganz negieren, auf der
anderen realiſtiſch alle wirtſchaftliche und ſonſtige Kultur auf Boden und Klima allein
zurückführen wollen. Den erſteren Standpunkt vertrat, freilich mehr in Bezug auf
menſchliche Eigenſchaften als auf die Volkswirtſchaft, Hume; ihm folgte z. B. Th. Waitz
(Anthropologie der Naturvölker) in gewiſſem Sinne, wenn er gegenüber den ausſchlag-
gebenden hiſtoriſchen Urſachen der Civiliſation die Naturverhältniſſe etwas geringſchätzig
als Gelegenheitsurſachen bezeichnete; in mancher Beziehung auch Peſchel in ſeiner Polemik
gegen Ritter; ebenſo übertreiben die Nationalökonomen, welche bei der Erklärung des
Reichtums von Holland oder England nur betonen, wie hier durch geiſtige Kräfte allein
die Kargheit der Natur überwunden ſei. Ähnlich wollten alle die wirtſchafts- und kultur-
geſchichtlichen Erinnerungen, daß zu verſchiedenen Zeiten, in der Hand verſchiedener Raſſen
und Völker dieſelbe Natur, dasſelbe Land bald wirtſchaftliche Verkümmerung und Not,
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Hume bedient, daß oft in demſelben Lande, unter denſelben Naturverhältniſſen einzelne

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[137/0153] Die Nährpflanzen und die Haustiere. vor allem die, welche wegen mangelnder Durchſchnittswärme auch in mittleren Klimaten nicht überall vorkommen, wie Tabak und Wein, feinere Gemüſe- und Obſtarten; in den Pfälzer Weinbaudiſtrikten ſteigt die Bevölkerung auf 15000 Menſchen pro Quadratmeile. Für die ſüdlicheren Gegenden handelt es ſich um die Gewürzpflanzen, dann um Thee, Kaffee, Zuckerrohr, welche den Gegenden, wo ſie, und zumal in beſonderer Güte, gedeihen, einen großen wirtſchaftlichen Vorſprung verleihen. Wenn auch keinen ſo großen Einfluß wie die Pflanzen, ſo üben doch auch die Tiere einen ſolchen auf die Volkswirtſchaft aus. Die wilden Tiere haben durch den Kampf mit ihnen die Menſchen zu Kraft und Energie, auch die jagdbaren haben durch ihre Verfolgung beſtimmte Raſſen und Völker ebenſo zur Anſtrengung und Abhärtung, zu Schlauheit und ſcharfen Sinnen erzogen. Faſt überall war und iſt die Ernährung des Menſchen mehr oder weniger von der Tierwelt abhängig; die Meere und Flüſſe haben durch ihren Reichtum an Fiſchen und Schaltieren in dem Leben vieler Völker eine ausſchlaggebende Rolle geſpielt. Neben dem Fleiſche, dem Blute, der Milch der Tiere hat die Benutzung der Knochen zu Geräten, der Wolle und Häute, ſowie der Pelze zur Bekleidung ſtets große Bedeutung gehabt. So hat naturgemäß das urſprüng- liche Vorkommen oder Fehlen der einzelnen Tierarten, das ſich im ganzen auch nach Klima, Wärme, Pflanzenwelt, Waſſer und Bodenverhältniſſen richtet, überall die wirt- ſchaftliche Entwickelung mit beſtimmt. Auſtraliens weites Zurückbleiben hinter den anderen Erdteilen hing mit ſeiner kümmerlichen, aus der Tertiärzeit ſtammenden Tierwelt ebenſo zuſammen wie die älteren amerikaniſchen Zuſtände mit der Thatſache, daß Rind, Pferd, Kamel und Schaf den Eingeborenen fehlten, daß ſie als gezähmte Arbeitstiere nur Hund und Lama beſaßen, nirgends zur Milchwirtſchaft, zum Ackerbau mit Rind- vieh, zu nomadiſcher oder halbnomadiſcher Lebensweiſe kamen. Noch heute ſind die oſt- aſiatiſchen und afrikaniſchen Gebiete, welche ſpät unſere Haustiere kennen lernten, ſeit Jahrtauſenden eine Landwirtſchaft ohne oder faſt ohne ſie trieben, weſentlich dadurch wirtſchaftlich ärmer geblieben. Im übrigen aber hat gerade die kleine Zahl von Tieren, die der Menſch zähmen, zu Laſttieren, zum Reiten, zum Pflügen erziehen lernte, die er als Hauptfleiſch- und Milchtiere benutzte, eine ſehr weitgehende Acclimatiſation erfahren. Einzelne, wie Hund, Schwein, Huhn, Kaninchen, kommen heute faſt überall vor; auch Rind, Pferd, Eſel und Schaf ſind ſehr weit verbreitet. Wir ſehen ſo, daß Drude recht hat, wenn er ſagt, die geographiſche Verbreitung der Tiere gehe im ganzen der der Pflanzen parallel, aber ſei doch etwas unabhängiger und leichter. Es iſt ein analoger Gedanke, den A. v. Humboldt im Kosmos ausſpricht, wenn er ſagt, der Menſch ſei in minderem Grade als Pflanzen und Tiere von der Natur abhängig; er entgehe leichter als ſie den Naturgewalten durch Geiſtesthätigkeit und ſtufenweiſe erhöhte Intelligenz wie durch eine wunderbare, ſich allen Klimaten anpaſſende Biegſamkeit des Organismus. 57. Allgemeine Ergebniſſe. Wollen wir kurz verſuchen, die Summe deſſen zu ziehen, was wir über den Zuſammenhang der Volkswirtſchaft mit der äußeren Natur wiſſen, ſo weiſen wir mit Sicherheit heute die extremen Anſchauungen zurück, die auf der einen Seite idealiſtiſch den Einfluß der Natur ganz oder faſt ganz negieren, auf der anderen realiſtiſch alle wirtſchaftliche und ſonſtige Kultur auf Boden und Klima allein zurückführen wollen. Den erſteren Standpunkt vertrat, freilich mehr in Bezug auf menſchliche Eigenſchaften als auf die Volkswirtſchaft, Hume; ihm folgte z. B. Th. Waitz (Anthropologie der Naturvölker) in gewiſſem Sinne, wenn er gegenüber den ausſchlag- gebenden hiſtoriſchen Urſachen der Civiliſation die Naturverhältniſſe etwas geringſchätzig als Gelegenheitsurſachen bezeichnete; in mancher Beziehung auch Peſchel in ſeiner Polemik gegen Ritter; ebenſo übertreiben die Nationalökonomen, welche bei der Erklärung des Reichtums von Holland oder England nur betonen, wie hier durch geiſtige Kräfte allein die Kargheit der Natur überwunden ſei. Ähnlich wollten alle die wirtſchafts- und kultur- geſchichtlichen Erinnerungen, daß zu verſchiedenen Zeiten, in der Hand verſchiedener Raſſen und Völker dieſelbe Natur, dasſelbe Land bald wirtſchaftliche Verkümmerung und Not, bald höchſten Wohlſtand und Civiliſation gezeigt, wollte der Hinweis, deſſen ſich ſchon Hume bedient, daß oft in demſelben Lande, unter denſelben Naturverhältniſſen einzelne

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/153>, abgerufen am 04.12.2024.