Der Intellekt solcher Menschen ist bedingt durch die engen Grenzen ihrer Beob- achtung; sie fassen das Nächste lebendig und gut auf, haben Augen und Ohren von unglaublicher Schärfe; ihre Anschauungen sind stark und haften fest; Leute, welche nicht fünf zählen können, bemerken unter einer großen Herde Rindvieh jedes fehlende Ochsen- gesicht. Aber alle Beobachtung ist auf das Sinnliche eingeschränkt; allgemeine Thatsachen fassen sie nicht; allgemeinere Ideen wie Ursache und Wirkung begreifen sie nur dunkel; das Gleichförmige im Vielfältigen können sie nicht fassen, mit schlechten Zeitmaßen aus- gestattet, Entferntes nicht klar voraussehen; mangelnder Unterscheidungssinn läßt sie Nützliches und Unnützliches oft nicht richtig erfassen. Erinnerung, Scharfsinn, Auf- fassung haben sie für Anekdoten und Fabeln, aber nicht für das Wesentliche der Dinge. Bei großer Fähigkeit nachzuahmen, fehlt ihnen jede produktive Einbildungskraft, daher sie Jahrtausende hindurch mit denselben Werkzeugen arbeiten, dieselben Hütten bauen. Jedes fragende Gespräch wie jedes Nachdenken ermüdet sie.
Die psychologischen und religiösen Vorstellungen der niedrigsten Rassen hängen mit der geringen Fähigkeit, Lebloses vom Belebten, Wachen vom Traum, Leben vom Tod zu unterscheiden, zusammen. Die Seele erscheint als ein Schatten, der den Körper zeitweise verlasse, in ihn zurückkehre, sich aber auch, besonders nach dem Tode, anderswo festsetzen könne.
Im einzelnen weichen nun die verschiedenen niederen Rassen von diesem Durch- schnittsbild mannigfach ab. Der Malaye ist ernst, bedachtsam, verschlossen, während der Papua heiter, geschwätzig und ausgelassen erscheint. Manche der Naturvölker zeigen schon eine erhebliche Entwickelung über einen derartigen Zustand hinaus. Die Malayo- Polynesier haben Handel und Eigentum, sie besitzen Häuptlinge, deren Gewalt auf Kraft und Kunst der Rede beruht; sie haben höhere religiöse Vorstellungen, feiern in Liedern und Sagen ihre großen Männer. Höher als alle anderen Naturvölker stehen einzelne der nordamerikanischen Indianerstämme, die ja auch zu einer nicht unerheblichen Gesittung gelangt sind. Sie haben es zu einem erstaunlichen Maß sittlicher Selbst- beherrschung durch kriegerische Zucht gebracht, so daß sie alle Todesqualen und Martern mit Hohnlächeln ertragen, ohne Streben nach individuellem Besitz ihre ganze Kraft in den Dienst des Stammes oder der Stammesbündnisse stellen.
62. Ethnographische Einzelbeschreibung: die Neger und ver- wandten Stämme. Die Negerstämme Afrikas, die ihr Centrum im Sudan und in den Bantustämmen haben, nach Nordosten mit hamitisch-semitischen Elementen gemischt sind, von daher auch die Elemente eines höheren Wirtschaftslebens erhalten haben, wurden früher vielfach unterschätzt. Es ist eine Rasse, die allein neben den höherstehenden es zu einer Bevölkerung von gegen 200 Millionen in Afrika, 20 Millionen in Amerika gebracht hat, die fast durchgängig zu einem leidlich geordneten Bodenbau und Hirtenleben gekommen ist. Es fehlt ihnen der Sinn für das Ideale wie für die Wahrheit, sie sind arm an eigener Erfindung; aber es sind Stämme mit starken Muskeln, naiv sinnlicher, kräftiger Empfindung; große Gutmütigkeit und natürliche Sanftmut stehen einer ungezügelten Phantasie und Roheit gegenüber; eitel, ausgelassen wie die Kinder in ihrer Freude, fressen sie Menschenfleisch und töten in der Leidenschaft ohne Gewissensbisse; sie sterben vor Heimweh, aber jede Pfeife verführt sie zum Tanz. Der Übergang von der leicht- fertigsten Lustigkeit zu düsterer Verzweiflung kommt kaum bei anderen Völkern so vor; umständliche Geschwätzigkeit liebt der Neger über alle Maßen; im Handel ist er zudring- lich, unermüdlich, bald schmeichelnd, bald jammernd, besucht Märkte fast mehr der Unter- haltung als des Gewinnes wegen, überlistet den Europäer dabei sehr häufig. Die Kinder lernen leicht bis zum 12. Jahre, haben ein erstaunliches Gedächtnis, mit dem 14. bis 20. Jahre tritt vollständiger geistiger Stillstand ein. Ihre Trägheit und Sorglosigkeit hat man oft übertrieben; ihre Kornspeicher sprechen für eine gewisse Sorglichkeit; ihre physische Kraft und Gewandtheit ist dem Europäer überlegen; der Neger und jedenfalls die Negerin arbeiten, soweit die Bedürfnisse sie dazu nötigen; niemals freilich aus Freude an der Arbeit. Sie arbeiten auch als freie Leute mit Energie, wenn sie ein lockendes Ziel vor sich sehen, so z. B. die die Unabhängigkeit liebenden Kaffern als Knechte oder Arbeiter,
Die niederſten Raſſen, die Neger.
Der Intellekt ſolcher Menſchen iſt bedingt durch die engen Grenzen ihrer Beob- achtung; ſie faſſen das Nächſte lebendig und gut auf, haben Augen und Ohren von unglaublicher Schärfe; ihre Anſchauungen ſind ſtark und haften feſt; Leute, welche nicht fünf zählen können, bemerken unter einer großen Herde Rindvieh jedes fehlende Ochſen- geſicht. Aber alle Beobachtung iſt auf das Sinnliche eingeſchränkt; allgemeine Thatſachen faſſen ſie nicht; allgemeinere Ideen wie Urſache und Wirkung begreifen ſie nur dunkel; das Gleichförmige im Vielfältigen können ſie nicht faſſen, mit ſchlechten Zeitmaßen aus- geſtattet, Entferntes nicht klar vorausſehen; mangelnder Unterſcheidungsſinn läßt ſie Nützliches und Unnützliches oft nicht richtig erfaſſen. Erinnerung, Scharfſinn, Auf- faſſung haben ſie für Anekdoten und Fabeln, aber nicht für das Weſentliche der Dinge. Bei großer Fähigkeit nachzuahmen, fehlt ihnen jede produktive Einbildungskraft, daher ſie Jahrtauſende hindurch mit denſelben Werkzeugen arbeiten, dieſelben Hütten bauen. Jedes fragende Geſpräch wie jedes Nachdenken ermüdet ſie.
Die pſychologiſchen und religiöſen Vorſtellungen der niedrigſten Raſſen hängen mit der geringen Fähigkeit, Lebloſes vom Belebten, Wachen vom Traum, Leben vom Tod zu unterſcheiden, zuſammen. Die Seele erſcheint als ein Schatten, der den Körper zeitweiſe verlaſſe, in ihn zurückkehre, ſich aber auch, beſonders nach dem Tode, anderswo feſtſetzen könne.
Im einzelnen weichen nun die verſchiedenen niederen Raſſen von dieſem Durch- ſchnittsbild mannigfach ab. Der Malaye iſt ernſt, bedachtſam, verſchloſſen, während der Papua heiter, geſchwätzig und ausgelaſſen erſcheint. Manche der Naturvölker zeigen ſchon eine erhebliche Entwickelung über einen derartigen Zuſtand hinaus. Die Malayo- Polyneſier haben Handel und Eigentum, ſie beſitzen Häuptlinge, deren Gewalt auf Kraft und Kunſt der Rede beruht; ſie haben höhere religiöſe Vorſtellungen, feiern in Liedern und Sagen ihre großen Männer. Höher als alle anderen Naturvölker ſtehen einzelne der nordamerikaniſchen Indianerſtämme, die ja auch zu einer nicht unerheblichen Geſittung gelangt ſind. Sie haben es zu einem erſtaunlichen Maß ſittlicher Selbſt- beherrſchung durch kriegeriſche Zucht gebracht, ſo daß ſie alle Todesqualen und Martern mit Hohnlächeln ertragen, ohne Streben nach individuellem Beſitz ihre ganze Kraft in den Dienſt des Stammes oder der Stammesbündniſſe ſtellen.
62. Ethnographiſche Einzelbeſchreibung: die Neger und ver- wandten Stämme. Die Negerſtämme Afrikas, die ihr Centrum im Sudan und in den Bantuſtämmen haben, nach Nordoſten mit hamitiſch-ſemitiſchen Elementen gemiſcht ſind, von daher auch die Elemente eines höheren Wirtſchaftslebens erhalten haben, wurden früher vielfach unterſchätzt. Es iſt eine Raſſe, die allein neben den höherſtehenden es zu einer Bevölkerung von gegen 200 Millionen in Afrika, 20 Millionen in Amerika gebracht hat, die faſt durchgängig zu einem leidlich geordneten Bodenbau und Hirtenleben gekommen iſt. Es fehlt ihnen der Sinn für das Ideale wie für die Wahrheit, ſie ſind arm an eigener Erfindung; aber es ſind Stämme mit ſtarken Muskeln, naiv ſinnlicher, kräftiger Empfindung; große Gutmütigkeit und natürliche Sanftmut ſtehen einer ungezügelten Phantaſie und Roheit gegenüber; eitel, ausgelaſſen wie die Kinder in ihrer Freude, freſſen ſie Menſchenfleiſch und töten in der Leidenſchaft ohne Gewiſſensbiſſe; ſie ſterben vor Heimweh, aber jede Pfeife verführt ſie zum Tanz. Der Übergang von der leicht- fertigſten Luſtigkeit zu düſterer Verzweiflung kommt kaum bei anderen Völkern ſo vor; umſtändliche Geſchwätzigkeit liebt der Neger über alle Maßen; im Handel iſt er zudring- lich, unermüdlich, bald ſchmeichelnd, bald jammernd, beſucht Märkte faſt mehr der Unter- haltung als des Gewinnes wegen, überliſtet den Europäer dabei ſehr häufig. Die Kinder lernen leicht bis zum 12. Jahre, haben ein erſtaunliches Gedächtnis, mit dem 14. bis 20. Jahre tritt vollſtändiger geiſtiger Stillſtand ein. Ihre Trägheit und Sorgloſigkeit hat man oft übertrieben; ihre Kornſpeicher ſprechen für eine gewiſſe Sorglichkeit; ihre phyſiſche Kraft und Gewandtheit iſt dem Europäer überlegen; der Neger und jedenfalls die Negerin arbeiten, ſoweit die Bedürfniſſe ſie dazu nötigen; niemals freilich aus Freude an der Arbeit. Sie arbeiten auch als freie Leute mit Energie, wenn ſie ein lockendes Ziel vor ſich ſehen, ſo z. B. die die Unabhängigkeit liebenden Kaffern als Knechte oder Arbeiter,
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Die niederſten Raſſen, die Neger.
Der Intellekt ſolcher Menſchen iſt bedingt durch die engen Grenzen ihrer Beob-
achtung; ſie faſſen das Nächſte lebendig und gut auf, haben Augen und Ohren von
unglaublicher Schärfe; ihre Anſchauungen ſind ſtark und haften feſt; Leute, welche nicht
fünf zählen können, bemerken unter einer großen Herde Rindvieh jedes fehlende Ochſen-
geſicht. Aber alle Beobachtung iſt auf das Sinnliche eingeſchränkt; allgemeine Thatſachen
faſſen ſie nicht; allgemeinere Ideen wie Urſache und Wirkung begreifen ſie nur dunkel;
das Gleichförmige im Vielfältigen können ſie nicht faſſen, mit ſchlechten Zeitmaßen aus-
geſtattet, Entferntes nicht klar vorausſehen; mangelnder Unterſcheidungsſinn läßt ſie
Nützliches und Unnützliches oft nicht richtig erfaſſen. Erinnerung, Scharfſinn, Auf-
faſſung haben ſie für Anekdoten und Fabeln, aber nicht für das Weſentliche der Dinge.
Bei großer Fähigkeit nachzuahmen, fehlt ihnen jede produktive Einbildungskraft, daher
ſie Jahrtauſende hindurch mit denſelben Werkzeugen arbeiten, dieſelben Hütten bauen.
Jedes fragende Geſpräch wie jedes Nachdenken ermüdet ſie.
Die pſychologiſchen und religiöſen Vorſtellungen der niedrigſten Raſſen hängen
mit der geringen Fähigkeit, Lebloſes vom Belebten, Wachen vom Traum, Leben vom
Tod zu unterſcheiden, zuſammen. Die Seele erſcheint als ein Schatten, der den Körper
zeitweiſe verlaſſe, in ihn zurückkehre, ſich aber auch, beſonders nach dem Tode, anderswo
feſtſetzen könne.
Im einzelnen weichen nun die verſchiedenen niederen Raſſen von dieſem Durch-
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Papua heiter, geſchwätzig und ausgelaſſen erſcheint. Manche der Naturvölker zeigen
ſchon eine erhebliche Entwickelung über einen derartigen Zuſtand hinaus. Die Malayo-
Polyneſier haben Handel und Eigentum, ſie beſitzen Häuptlinge, deren Gewalt auf
Kraft und Kunſt der Rede beruht; ſie haben höhere religiöſe Vorſtellungen, feiern in
Liedern und Sagen ihre großen Männer. Höher als alle anderen Naturvölker ſtehen
einzelne der nordamerikaniſchen Indianerſtämme, die ja auch zu einer nicht unerheblichen
Geſittung gelangt ſind. Sie haben es zu einem erſtaunlichen Maß ſittlicher Selbſt-
beherrſchung durch kriegeriſche Zucht gebracht, ſo daß ſie alle Todesqualen und Martern
mit Hohnlächeln ertragen, ohne Streben nach individuellem Beſitz ihre ganze Kraft in
den Dienſt des Stammes oder der Stammesbündniſſe ſtellen.
62. Ethnographiſche Einzelbeſchreibung: die Neger und ver-
wandten Stämme. Die Negerſtämme Afrikas, die ihr Centrum im Sudan und in
den Bantuſtämmen haben, nach Nordoſten mit hamitiſch-ſemitiſchen Elementen gemiſcht
ſind, von daher auch die Elemente eines höheren Wirtſchaftslebens erhalten haben, wurden
früher vielfach unterſchätzt. Es iſt eine Raſſe, die allein neben den höherſtehenden es zu einer
Bevölkerung von gegen 200 Millionen in Afrika, 20 Millionen in Amerika gebracht hat,
die faſt durchgängig zu einem leidlich geordneten Bodenbau und Hirtenleben gekommen iſt.
Es fehlt ihnen der Sinn für das Ideale wie für die Wahrheit, ſie ſind arm an eigener
Erfindung; aber es ſind Stämme mit ſtarken Muskeln, naiv ſinnlicher, kräftiger
Empfindung; große Gutmütigkeit und natürliche Sanftmut ſtehen einer ungezügelten
Phantaſie und Roheit gegenüber; eitel, ausgelaſſen wie die Kinder in ihrer Freude,
freſſen ſie Menſchenfleiſch und töten in der Leidenſchaft ohne Gewiſſensbiſſe; ſie ſterben
vor Heimweh, aber jede Pfeife verführt ſie zum Tanz. Der Übergang von der leicht-
fertigſten Luſtigkeit zu düſterer Verzweiflung kommt kaum bei anderen Völkern ſo vor;
umſtändliche Geſchwätzigkeit liebt der Neger über alle Maßen; im Handel iſt er zudring-
lich, unermüdlich, bald ſchmeichelnd, bald jammernd, beſucht Märkte faſt mehr der Unter-
haltung als des Gewinnes wegen, überliſtet den Europäer dabei ſehr häufig. Die Kinder
lernen leicht bis zum 12. Jahre, haben ein erſtaunliches Gedächtnis, mit dem 14. bis
20. Jahre tritt vollſtändiger geiſtiger Stillſtand ein. Ihre Trägheit und Sorgloſigkeit
hat man oft übertrieben; ihre Kornſpeicher ſprechen für eine gewiſſe Sorglichkeit; ihre
phyſiſche Kraft und Gewandtheit iſt dem Europäer überlegen; der Neger und jedenfalls
die Negerin arbeiten, ſoweit die Bedürfniſſe ſie dazu nötigen; niemals freilich aus Freude
an der Arbeit. Sie arbeiten auch als freie Leute mit Energie, wenn ſie ein lockendes Ziel
vor ſich ſehen, ſo z. B. die die Unabhängigkeit liebenden Kaffern als Knechte oder Arbeiter,
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/165>, abgerufen am 04.12.2024.
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