Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die bewegenden Kräfte: Wind, Wasser, Dampf, Elektricität. des Verkehres ist aber zwei- bis viermal so groß; man kann für 1895 auf das Groß-britannische Reich etwa 12--13, auf die Vereinigten Staaten 10--11, auf Deutschland vielleicht noch mehr, auf Frankreich 6 Mill. Pferdekräfte im ganzen rechnen; auf die gesamten Kulturstaaten 1865 etwa 11--12, 1875 22, 1895 40--50 Mill. Pferdekräfte. Die Hälfte bis zwei Drittel derselben dient dem Verkehr, hauptsächlich den Eisenbahnen; von den stehenden Maschinen wieder über die Hälfte der Berg-, Hütten- und Salinenindustrie, wo es die größten Massen zu ziehen, zu heben, zu bearbeiten gilt; der Rest den übrigen vorangeschrittensten Großgewerben. Je größer die Dampfmaschinen sind, desto billiger arbeiten sie. Man rechnete in den achtziger Jahren die einstündigen Kosten einer Pferdekraft in der Maschine von 100 Pferdekräften auf 7, in der von 2 auf 44--95 Pf. Aber auch die besten und größten haben einen enormen Wärmeverlust, können die höheren, wirksamsten Dampfspannungen nicht aushalten; sie nützen die in der Kohle enthaltenen Wärmeeinheiten daher nur bis zu 12 % aus, weshalb schon Redtenbacher ihr Princip überhaupt als verfehlt betrachtete. Und was hat die Dampfkraft doch geleistet! Ihre außerordentlichen wirtschaft- Der König Dampf hat die moderne Industrie und den modernen Verkehr geschaffen; Der größte Konkurrent des Dampfes aber ist die Elektricität in ihrer Verbindung 1860 126140 km Telegraphenlinien mit 3502 Anstalten und 8,9 Mill. Depeschen, 1887 652000 - - - 50800 - - 148,2 - -. Die stärkeren sogenannten Induktionsströme, welche durch eine Antriebmaschine, Die bewegenden Kräfte: Wind, Waſſer, Dampf, Elektricität. des Verkehres iſt aber zwei- bis viermal ſo groß; man kann für 1895 auf das Groß-britanniſche Reich etwa 12—13, auf die Vereinigten Staaten 10—11, auf Deutſchland vielleicht noch mehr, auf Frankreich 6 Mill. Pferdekräfte im ganzen rechnen; auf die geſamten Kulturſtaaten 1865 etwa 11—12, 1875 22, 1895 40—50 Mill. Pferdekräfte. Die Hälfte bis zwei Drittel derſelben dient dem Verkehr, hauptſächlich den Eiſenbahnen; von den ſtehenden Maſchinen wieder über die Hälfte der Berg-, Hütten- und Salineninduſtrie, wo es die größten Maſſen zu ziehen, zu heben, zu bearbeiten gilt; der Reſt den übrigen vorangeſchrittenſten Großgewerben. Je größer die Dampfmaſchinen ſind, deſto billiger arbeiten ſie. Man rechnete in den achtziger Jahren die einſtündigen Koſten einer Pferdekraft in der Maſchine von 100 Pferdekräften auf 7, in der von 2 auf 44—95 Pf. Aber auch die beſten und größten haben einen enormen Wärmeverluſt, können die höheren, wirkſamſten Dampfſpannungen nicht aushalten; ſie nützen die in der Kohle enthaltenen Wärmeeinheiten daher nur bis zu 12 % aus, weshalb ſchon Redtenbacher ihr Princip überhaupt als verfehlt betrachtete. Und was hat die Dampfkraft doch geleiſtet! Ihre außerordentlichen wirtſchaft- Der König Dampf hat die moderne Induſtrie und den modernen Verkehr geſchaffen; Der größte Konkurrent des Dampfes aber iſt die Elektricität in ihrer Verbindung 1860 126140 km Telegraphenlinien mit 3502 Anſtalten und 8,9 Mill. Depeſchen, 1887 652000 - - - 50800 - - 148,2 - -. Die ſtärkeren ſogenannten Induktionsſtröme, welche durch eine Antriebmaſchine, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0229" n="213"/><fw place="top" type="header">Die bewegenden Kräfte: Wind, Waſſer, Dampf, Elektricität.</fw><lb/> des Verkehres iſt aber zwei- bis viermal ſo groß; man kann für 1895 auf das Groß-<lb/> britanniſche Reich etwa 12—13, auf die Vereinigten Staaten 10—11, auf Deutſchland<lb/> vielleicht noch mehr, auf Frankreich 6 Mill. Pferdekräfte im ganzen rechnen; auf die geſamten<lb/> Kulturſtaaten 1865 etwa 11—12, 1875 22, 1895 40—50 Mill. Pferdekräfte. 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Die bewegenden Kräfte: Wind, Waſſer, Dampf, Elektricität.
des Verkehres iſt aber zwei- bis viermal ſo groß; man kann für 1895 auf das Groß-
britanniſche Reich etwa 12—13, auf die Vereinigten Staaten 10—11, auf Deutſchland
vielleicht noch mehr, auf Frankreich 6 Mill. Pferdekräfte im ganzen rechnen; auf die geſamten
Kulturſtaaten 1865 etwa 11—12, 1875 22, 1895 40—50 Mill. Pferdekräfte. Die Hälfte
bis zwei Drittel derſelben dient dem Verkehr, hauptſächlich den Eiſenbahnen; von den
ſtehenden Maſchinen wieder über die Hälfte der Berg-, Hütten- und Salineninduſtrie,
wo es die größten Maſſen zu ziehen, zu heben, zu bearbeiten gilt; der Reſt den übrigen
vorangeſchrittenſten Großgewerben. Je größer die Dampfmaſchinen ſind, deſto billiger
arbeiten ſie. Man rechnete in den achtziger Jahren die einſtündigen Koſten einer
Pferdekraft in der Maſchine von 100 Pferdekräften auf 7, in der von 2 auf 44—95 Pf.
Aber auch die beſten und größten haben einen enormen Wärmeverluſt, können die
höheren, wirkſamſten Dampfſpannungen nicht aushalten; ſie nützen die in der Kohle
enthaltenen Wärmeeinheiten daher nur bis zu 12 % aus, weshalb ſchon Redtenbacher
ihr Princip überhaupt als verfehlt betrachtete.
Und was hat die Dampfkraft doch geleiſtet! Ihre außerordentlichen wirtſchaft-
lichen Vorzüge ſind folgende: ſie hat gegen Waſſer und Wind den Vorteil, frei von
jeder anderen örtlichen Feſſel zu ſein, als von der Nähe und Billigkeit des Heizmaterials;
ſie läßt ſich, ſagt Engel, ebenſo ſchnell erzeugen wie abſtellen, iſt ebenſo leicht zu den
höchſten Stärken zu konzentrieren, wie im kleinſten Maße wirkſam zu machen. Sie iſt
in Maſchinen anwendbar, die ſelbſt mit außerordentlicher Raſchheit und Ausdauer den
Ort wechſeln, darin das beſte Pferd unendlich übertreffend. Sie ermüdet, verſagt, ver-
ſiegt nicht.
Der König Dampf hat die moderne Induſtrie und den modernen Verkehr geſchaffen;
aber er droht überfrüh unſere Kohlenſchätze aufzuzehren; er iſt nur mit teueren, gefähr-
lichen, für die Schiffe zu großen und zu ſchweren Keſſelanlagen wirkſam zu machen.
Er hat einſeitig die Großinduſtrie befördert. Kein Wunder, daß man nach anderen
Kräften und Kraftmaſchinen ſuchte, zumal nach ſolchen ohne ſchwere und teuere Keſſel-
anlagen. Petroleum, Benzin, heiße Luft, Waſſerdruck aus den Waſſerleitungen, Gas
bot ſich dazu an. Am meiſten Anwendung fand die Gasmaſchine (1895 in Deutſchland
in 14760 Gewerbebetrieben mit 53909 Pferdekräften); ſie nutzt mit ihren aus Gas
und atmoſphäriſcher Luft gemiſchten Dämpfen die Wärmeenergie zu 25 % aus, iſt jeden
Augenblick in Betrieb zu ſetzen und abzuſtellen, iſt bis 50 Pferdekräfte viel billiger als
Dampf; ihre Verbreitung nimmt reißend auch in mittleren und größeren Betrieben zu.
Noch weit ſcheint ſie von der neuen Dieſelſchen Wärmemaſchine übertroffen zu werden,
welche mit dem Drucke von 40 Atmoſphären arbeiten kann, in jeder Maſchinengröße
gleiche Koſten macht, die Wärmeenergie bis zu 40 % ausnutzt.
Der größte Konkurrent des Dampfes aber iſt die Elektricität in ihrer Verbindung
mit dem Magnetismus. Licht und Elektricität ſind Ätherſchwingungen: die erſteren ſind
elektriſche Strahlen von kurzer, die letzteren von großer Wellenlänge; auf ihnen ruhen
die Lebensprozeſſe; ſie ſtellen die höchſte und feinſte Art der Bewegung dar; die Wiſſen-
ſchaft entdeckte ſie in der Hauptſache 1789—1840, lernte dann 1833—60 die chemiſch
hergeſtellten ſchwachen galvaniſchen Ströme zum Telegraphieren zu verwenden; die prak-
tiſche Durchführung fällt aber weſentlich in die Zeit nach 1860; in Europa zählte man
1860 126140 km Telegraphenlinien mit 3502 Anſtalten und 8,9 Mill. Depeſchen,
1887 652000 - - - 50800 - - 148,2 - -.
Die ſtärkeren ſogenannten Induktionsſtröme, welche durch eine Antriebmaſchine,
durch Bewegung von Drahtwindungen in einem ſtarken Magnetfeld entſtehen, welche erſt
die elektriſche Beleuchtung und Kraftverwendung in großem Stile ſchufen, lernte man
erſt in den letzten 25 Jahren, hauptſächlich ſeit 1888 zu großer praktiſcher Anwendung
durch die Dynamomaſchine zu bringen. Ihre künftige Verbreitung und Wirkſamkeit
kann man heute mehr nur ahnen als genauer beſtimmen. Die Dynamomaſchine bedarf
einer Hülfskraft, aber ſie ſteigert die ſie erzeugende Kraft unendlich; ſie iſt viel billiger
als Dampf und Gas; die Kraft läßt ſich ohne zu viel Verluſt aufſpeichern und wieder
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