Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. Altertum und in der neueren Zeit bis in unser Jahrhundert ein Geschäftsleben undeine Marktproduktion eigentlich nur in Anlehnung an die Familienwirtschaft vor- handen, so drängte gerade die Beschränktheit dieser Form doch an manchen Stellen auf die Schaffung von geschäfts- und unternehmerartigen Organisationen neuer und größerer Art: die Technik, die über die einfache Werkstatt hinausging, erzeugte sie hier, dort waren es Absatzbedürfnisse, welche zu neuen Gestaltungen führten. Wie die Dorfgenossenschaften Wege, Brunnen, Wald, auch Backhaus und Mühle Eine besonders eigentümliche Entwickelung hat das genossenschaftliche und korpo- Das Brauen, ursprünglich hauptsächlich städtisches Nebengewerbe der Wohl- Die älteren Salinen bestanden aus einem oder mehreren gemeinsamen Sool- Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Altertum und in der neueren Zeit bis in unſer Jahrhundert ein Geſchäftsleben undeine Marktproduktion eigentlich nur in Anlehnung an die Familienwirtſchaft vor- handen, ſo drängte gerade die Beſchränktheit dieſer Form doch an manchen Stellen auf die Schaffung von geſchäfts- und unternehmerartigen Organiſationen neuer und größerer Art: die Technik, die über die einfache Werkſtatt hinausging, erzeugte ſie hier, dort waren es Abſatzbedürfniſſe, welche zu neuen Geſtaltungen führten. Wie die Dorfgenoſſenſchaften Wege, Brunnen, Wald, auch Backhaus und Mühle Eine beſonders eigentümliche Entwickelung hat das genoſſenſchaftliche und korpo- Das Brauen, urſprünglich hauptſächlich ſtädtiſches Nebengewerbe der Wohl- Die älteren Salinen beſtanden aus einem oder mehreren gemeinſamen Sool- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0438" n="422"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> Altertum und in der neueren Zeit bis in unſer Jahrhundert ein Geſchäftsleben und<lb/> eine Marktproduktion eigentlich nur in Anlehnung an die Familienwirtſchaft vor-<lb/> handen, ſo drängte gerade die Beſchränktheit dieſer Form doch an manchen Stellen auf<lb/> die Schaffung von geſchäfts- und unternehmerartigen Organiſationen neuer und größerer<lb/> Art: die Technik, die über die einfache Werkſtatt hinausging, erzeugte ſie hier, dort waren<lb/> es Abſatzbedürfniſſe, welche zu neuen Geſtaltungen führten.</p><lb/> <p>Wie die Dorfgenoſſenſchaften Wege, Brunnen, Wald, auch Backhaus und Mühle<lb/> gemeinſam verwalteten, ſo ſind an einzelnen Stellen Waldgenoſſenſchaften dazu<lb/> gekommen, Sägemühlen und Floßanſtalten einzurichten, Flößerei und Holzhandel<lb/> gemeinſam zu treiben. Wir treffen daneben Mühlen- und Fiſchereigenoſſenſchaften,<lb/> Hausgenoſſenſchaften der Münzer mit eigentümlicher Organiſation, mit Anteilsrechten,<lb/> korporativer Gemeinwirtſchaft oder kartellartiger Leitung der Einzelbetriebe. Die Zünfte<lb/> haben mancherlei Verſuche zu genoſſenſchaftlichen Einrichtungen gemacht; ſie beſtehen<lb/> teilweiſe in gemeinſamen Verkaufshäuſern, Walken, Färbehäuſern, dann in Bleichen und<lb/> Teichrahmen; man verſucht ſich im gemeinſamen Einkauf des Rohſtoffes, auch im gemein-<lb/> ſamen Abſatz; es wollte freilich nicht recht gelingen. Eher haben die Magiſtrate<lb/> indirekt, durch Verhandlungen den Abſatz, der aber ein ſolcher auf Rechnung der einzelnen<lb/> blieb, gefördert. Die Handelsgilden hatten in ihren Hallen, Krahnen, Quais und anderem<lb/> einen gemeinſamen Beſitz, ſowie in den gemeinſamen Fahrten und handelspolitiſchen<lb/> Maßregeln ein Element der Genoſſenſchaft ſowohl als Anſätze zu einer gemeinſamen<lb/> Großunternehmung; die ſogenannten regulierten Handelscompagnien des 14.—17. Jahr-<lb/> hunderts waren genoſſenſchaftliche, kartellartige Verbände von Kaufleuten und Reedern,<lb/> wobei die einzelnen Geſchäfte für ihre Rechnung, aber unter Kontrolle und nach Vor-<lb/> ſchrift des Vorſtandes machten. Wir kommen darauf zurück.</p><lb/> <p>Eine beſonders eigentümliche Entwickelung hat das genoſſenſchaftliche und korpo-<lb/> rative Leben in der älteren Brauerei, dem Salinenweſen und dem Bergwerksbetrieb<lb/> erhalten.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">Brauen</hi>, urſprünglich hauptſächlich ſtädtiſches Nebengewerbe der Wohl-<lb/> habenden, wurde in Deutſchland aus feuerpolizeilichen und monopoliſtiſchen Gründen<lb/> ein erbliches Vorrecht der patriciſchen größeren Hausbeſitzer, die zu einer Gilde, einem<lb/> Kartellverband zuſammentraten, um gemeinſam Produktion und Abſatz zu ordnen; ſo<lb/> kamen ſie teilweiſe zu einem Reihebrauen, wie ja auch die Schlächter und Bäcker vielfach<lb/> als kartellartige Verabredung eine Reiheproduktion eingeführt hatten, dann zur An-<lb/> ſtellung gemeinſamer Braumeiſter, oft auch zum Beſitz gemeinſamer Braukeſſel, die<lb/> herumgingen, und endlich zum Bau von gemeinſamen Brauhäuſern, die jeder der Reihe<lb/> nach benutzte. Dieſe zu feſter Rechtsorganiſation gewordenen und verknöcherten Ein-<lb/> richtungen verſagten ſchon im 17. und 18. Jahrhundert trotz zahlreicher bureaukratiſcher<lb/> Reformen den Dienſt, lieferten zu ſchlechtes Bier, erlagen erſt der Konkurrenz der länd-<lb/> lichen größeren Brauereien der Rittergüter, mit der Gewerbefreiheit der der freien<lb/> ſtädtiſchen Unternehmungen. Zur eigentlichen Großunternehmung war die Entwickelung<lb/> nicht gelangt; auch im gemeinſamen Brauhaus ſott jede Woche ein anderer Brau-<lb/> berechtigter auf eigene Rechnung und mußte dann oft 1—2 Jahre warten, bis das<lb/> Brauen wieder an ihn kam. Die Urſache, daß in vielen Städten die einſt blühende<lb/> Brauerei mit einer ſolchen Verfaſſung zu Grunde ging, lag darin, daß das Brauen für<lb/> jeden Berechtigten doch ein Anhängſel ſeiner Hauswirtſchaft blieb: man entſchloß ſich<lb/> zu einer gemeinſamen Pfanne, einem gemeinſamen Brauhaus, einem gemeinſamen Brau-<lb/> meiſter, aber nicht zu einem gemeinſamen Betrieb und Abſatz. Und ſo fehlte der wirk-<lb/> liche techniſche Fortſchritt und die lebendige kaufmänniſche Abſatzgewinnung.</p><lb/> <p>Die älteren <hi rendition="#g">Salinen</hi> beſtanden aus einem oder mehreren gemeinſamen Sool-<lb/> brunnen nebſt Leitungen und Schöpfeinrichtungen ſowie aus einer Anzahl, oft mehr als<lb/> 100 kleinen Siedehäuſern, den ſogenannten Koten. Das Eigentum an den Soolbrunnen<lb/> ſtand urſprünglich dem König oder anderen Großen, ſpäter allen möglichen Belehnten,<lb/> Kirchen, Adeligen oder Bürgern zu, die, in eine oder mehrere Genoſſenſchaften oder<lb/> Korporationen gegliedert, ſchon frühe bloße Rentenbezieher ohne Einfluß auf die Saline<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [422/0438]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Altertum und in der neueren Zeit bis in unſer Jahrhundert ein Geſchäftsleben und
eine Marktproduktion eigentlich nur in Anlehnung an die Familienwirtſchaft vor-
handen, ſo drängte gerade die Beſchränktheit dieſer Form doch an manchen Stellen auf
die Schaffung von geſchäfts- und unternehmerartigen Organiſationen neuer und größerer
Art: die Technik, die über die einfache Werkſtatt hinausging, erzeugte ſie hier, dort waren
es Abſatzbedürfniſſe, welche zu neuen Geſtaltungen führten.
Wie die Dorfgenoſſenſchaften Wege, Brunnen, Wald, auch Backhaus und Mühle
gemeinſam verwalteten, ſo ſind an einzelnen Stellen Waldgenoſſenſchaften dazu
gekommen, Sägemühlen und Floßanſtalten einzurichten, Flößerei und Holzhandel
gemeinſam zu treiben. Wir treffen daneben Mühlen- und Fiſchereigenoſſenſchaften,
Hausgenoſſenſchaften der Münzer mit eigentümlicher Organiſation, mit Anteilsrechten,
korporativer Gemeinwirtſchaft oder kartellartiger Leitung der Einzelbetriebe. Die Zünfte
haben mancherlei Verſuche zu genoſſenſchaftlichen Einrichtungen gemacht; ſie beſtehen
teilweiſe in gemeinſamen Verkaufshäuſern, Walken, Färbehäuſern, dann in Bleichen und
Teichrahmen; man verſucht ſich im gemeinſamen Einkauf des Rohſtoffes, auch im gemein-
ſamen Abſatz; es wollte freilich nicht recht gelingen. Eher haben die Magiſtrate
indirekt, durch Verhandlungen den Abſatz, der aber ein ſolcher auf Rechnung der einzelnen
blieb, gefördert. Die Handelsgilden hatten in ihren Hallen, Krahnen, Quais und anderem
einen gemeinſamen Beſitz, ſowie in den gemeinſamen Fahrten und handelspolitiſchen
Maßregeln ein Element der Genoſſenſchaft ſowohl als Anſätze zu einer gemeinſamen
Großunternehmung; die ſogenannten regulierten Handelscompagnien des 14.—17. Jahr-
hunderts waren genoſſenſchaftliche, kartellartige Verbände von Kaufleuten und Reedern,
wobei die einzelnen Geſchäfte für ihre Rechnung, aber unter Kontrolle und nach Vor-
ſchrift des Vorſtandes machten. Wir kommen darauf zurück.
Eine beſonders eigentümliche Entwickelung hat das genoſſenſchaftliche und korpo-
rative Leben in der älteren Brauerei, dem Salinenweſen und dem Bergwerksbetrieb
erhalten.
Das Brauen, urſprünglich hauptſächlich ſtädtiſches Nebengewerbe der Wohl-
habenden, wurde in Deutſchland aus feuerpolizeilichen und monopoliſtiſchen Gründen
ein erbliches Vorrecht der patriciſchen größeren Hausbeſitzer, die zu einer Gilde, einem
Kartellverband zuſammentraten, um gemeinſam Produktion und Abſatz zu ordnen; ſo
kamen ſie teilweiſe zu einem Reihebrauen, wie ja auch die Schlächter und Bäcker vielfach
als kartellartige Verabredung eine Reiheproduktion eingeführt hatten, dann zur An-
ſtellung gemeinſamer Braumeiſter, oft auch zum Beſitz gemeinſamer Braukeſſel, die
herumgingen, und endlich zum Bau von gemeinſamen Brauhäuſern, die jeder der Reihe
nach benutzte. Dieſe zu feſter Rechtsorganiſation gewordenen und verknöcherten Ein-
richtungen verſagten ſchon im 17. und 18. Jahrhundert trotz zahlreicher bureaukratiſcher
Reformen den Dienſt, lieferten zu ſchlechtes Bier, erlagen erſt der Konkurrenz der länd-
lichen größeren Brauereien der Rittergüter, mit der Gewerbefreiheit der der freien
ſtädtiſchen Unternehmungen. Zur eigentlichen Großunternehmung war die Entwickelung
nicht gelangt; auch im gemeinſamen Brauhaus ſott jede Woche ein anderer Brau-
berechtigter auf eigene Rechnung und mußte dann oft 1—2 Jahre warten, bis das
Brauen wieder an ihn kam. Die Urſache, daß in vielen Städten die einſt blühende
Brauerei mit einer ſolchen Verfaſſung zu Grunde ging, lag darin, daß das Brauen für
jeden Berechtigten doch ein Anhängſel ſeiner Hauswirtſchaft blieb: man entſchloß ſich
zu einer gemeinſamen Pfanne, einem gemeinſamen Brauhaus, einem gemeinſamen Brau-
meiſter, aber nicht zu einem gemeinſamen Betrieb und Abſatz. Und ſo fehlte der wirk-
liche techniſche Fortſchritt und die lebendige kaufmänniſche Abſatzgewinnung.
Die älteren Salinen beſtanden aus einem oder mehreren gemeinſamen Sool-
brunnen nebſt Leitungen und Schöpfeinrichtungen ſowie aus einer Anzahl, oft mehr als
100 kleinen Siedehäuſern, den ſogenannten Koten. Das Eigentum an den Soolbrunnen
ſtand urſprünglich dem König oder anderen Großen, ſpäter allen möglichen Belehnten,
Kirchen, Adeligen oder Bürgern zu, die, in eine oder mehrere Genoſſenſchaften oder
Korporationen gegliedert, ſchon frühe bloße Rentenbezieher ohne Einfluß auf die Saline
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