Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. sätzen als jedes andere kompliziertere Verhältnis. Es führt trotz seiner Schattenseiten dasschwierige Zusammenwirken vieler Freier in demselben Geschäft auf die einfachste Weise herbei. Wir kommen darauf gleich zurück. f) Liegen so die Vorbedingungen für den Großbetrieb in allgemein staatlichen, Immer ist die Gestaltung des Großbetriebes in den verschiedenen Zweigen der In der Landwirtschaft erzeugt der Großbetrieb wohl auch ein System nebeneinander Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. ſätzen als jedes andere kompliziertere Verhältnis. Es führt trotz ſeiner Schattenſeiten dasſchwierige Zuſammenwirken vieler Freier in demſelben Geſchäft auf die einfachſte Weiſe herbei. Wir kommen darauf gleich zurück. f) Liegen ſo die Vorbedingungen für den Großbetrieb in allgemein ſtaatlichen, Immer iſt die Geſtaltung des Großbetriebes in den verſchiedenen Zweigen der In der Landwirtſchaft erzeugt der Großbetrieb wohl auch ein Syſtem nebeneinander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0448" n="432"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> ſätzen als jedes andere kompliziertere Verhältnis. Es führt trotz ſeiner Schattenſeiten das<lb/> ſchwierige Zuſammenwirken vieler Freier in demſelben Geſchäft auf die einfachſte Weiſe<lb/> herbei. Wir kommen darauf gleich zurück.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">f</hi>) Liegen ſo die Vorbedingungen für den Großbetrieb in allgemein ſtaatlichen,<lb/> wirtſchaftlich-techniſchen und ſocialen, ſowie rechtlichen Verhältniſſen und ihren Folgen, ſo<lb/> iſt die ſpeciell treibende Urſache, die ihn Schritt für Schritt weiter ausdehnt, die Kon-<lb/> kurrenz einerſeits, die Vereinheitlichung der Bedürfniſſe, der begehrten Waren in immer<lb/> weiteren Gebieten andererſeits. Nur ſoweit Tauſende und Millionen dasſelbe begehren,<lb/> kann man es in großen Betrieben für ſie herſtellen. Aller individuelle Bedarf erfordert<lb/> eine ſpecialiſierte, d. h. eine Produktion in kleinem Umfang. Die Vereinheitlichung der<lb/> Bedürfniſſe wird heute durch den Verkehr, die Preſſe, das Reiſen gefördert, vor allem<lb/> aber dadurch, daß die beſſeren und billigeren Produkte, ſoweit ſie leicht transportabel ſind,<lb/> durch die zunehmende Konkurrenz überall angeboten werden. Der Druck der Konkurrenz<lb/> wäre nicht möglich, wenn nicht der große Betrieb an ſo vielen Punkten beſſer und<lb/> billiger produzierte. Er kann es, weil er leiſtungsfähigere, dauerhafte, ſociale Körper<lb/> darſtellt, mit kaufmänniſchen und techniſchen Intelligenzen an der Spitze, mit gut ein-<lb/> geſchulten, hoch bezahlten Werkmeiſtern und Arbeitern produziert, Markt, Bedarf,<lb/> Kreditverhältniſſe beſſer kennt und benutzt, die neueſten, beſten techniſchen Methoden<lb/> anwendet, über größere Kapitalien, beſſere Reklame verfügt als die kleinen Geſchäfte. —</p><lb/> <p>Immer iſt die Geſtaltung des Großbetriebes in den verſchiedenen Zweigen der<lb/> Volkswirtſchaft eine ſehr verſchiedene, und ſeiner Zunahme ſtehen in vielen Gebieten teils<lb/> hiſtoriſche, teils dauernde Hinderniſſe im Wege. Darüber noch einige Worte.</p><lb/> <p>In der Landwirtſchaft erzeugt der Großbetrieb wohl auch ein Syſtem nebeneinander<lb/> liegender Ställe, Vorratshäuſer, Werkſtätten und Maſchinenräume, eine vermehrte<lb/> Kapitalanwendung, aber keine Centraliſierung der Arbeit in Fabrikgebäuden; die wich-<lb/> tigſten Arbeiten bleiben decentraliſiert, wie noch mehr im großen Forſtbetrieb. Daß<lb/> der Großbetrieb der Landwirtſchaft den kleinen nicht beſeitigt, ſahen wir ſchon mehrfach;<lb/> er ſtellt gegenüber dem rationell verbeſſerten Kleinbetrieb mehr eine bloße Summierung<lb/> als eine Steigerung der Kräfte und Produktionsmittel dar, während der kleine Forſt-<lb/> betrieb meiſt unvollkommen bleibt, ſchon weil er eine Schlageinteilung in 30—120 Schläge,<lb/> von welchen einer jährlich abgetrieben wird, nicht geſtattet. Das große Bergwerk hat<lb/> ſeine Maſchinen und Förderhäuſer, aber die techniſche Arbeit iſt unten in den Schächten<lb/> und weit auseinander liegenden Gängen decentraliſiert. Sein Kapital und ſeine Technik<lb/> iſt aber ſo ausgebildet, daß der kleine Betrieb verſchwinden muß. Die Großbetriebe des<lb/> Verkehrs haben centrale Anlagen für Wagenparks, Schiffe, Werkſtätten, aber die<lb/> Thätigkeit zerſtreut ſich über die Eiſenbahn- und Schiffslinien. Die Hamburg-Amerika-<lb/> Linie hat auf dem Lande heute ein Perſonal von 8145, auf 80 Oceandampfern ein<lb/> ſolches von 6120 Perſonen. Die Verkehrsorganiſation ſtrebt heute am allermeiſten nach<lb/> Großbetrieb und Centraliſation; immer aber erhalten ſich auch viele kleine lokale Ver-<lb/> kehrsgeſchäfte; die Beherbergungsgewerbe, die unſere Statiſtik zum Verkehr rechnet, ſind<lb/> überwiegend Klein- und Mittelbetriebe, weil ſie dem örtlichen Bedarfe dienen. Die<lb/> großen Bankbetriebe, vielleicht die älteſten der neueren Großbetriebsentwickelung, haben<lb/> weder einen großen Maſchinenapparat und feſte Kapitalanlagen, noch ein ſo ſehr großes<lb/> Perſonal, ihr Schwerpunkt liegt in ihrem umlaufenden Kapital; decentraliſiert und doch<lb/> einheitlich war ihre Geſchäftsthätigkeit frühe; die Florentiner Geſellſchaft der Peruzzi<lb/> hatte Anfang des 14. Jahrhunderts ſchon 14 Filialen und 150 Faktoren in der ganzen<lb/> Welt. Die Deutſche Bank in Berlin beſchäftigte 1895 am Orte in ihren Rieſengebäuden<lb/> und 16 Depoſitenſtellen 1005 Perſonen, 617 in ihren außerhalb Berlins befindlichen<lb/> Filialen und Niederlaſſungen. Das kleine Bankgeſchäft geht heute raſch zurück; aber<lb/> immer erhält es ſich für beſtimmte Klaſſen und Bedürfniſſe; die örtliche Perſonen- und<lb/> Sachkenntnis iſt am ſicherſten von kleinen Ortsgeſchäften, freilich teilweiſe auch von<lb/> Filialen großer Geſchäfte zu erreichen. Die großen Warenhäuſer der neueſten Zeit, die<lb/> Rieſenbazare, die großen Verkaufsgeſchäfte haben bedeutende techniſch-maſchinelle Ein-<lb/> richtungen, aber im übrigen liegt ihr Schwerpunkt in ihrem Perſonal und ihrem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [432/0448]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
ſätzen als jedes andere kompliziertere Verhältnis. Es führt trotz ſeiner Schattenſeiten das
ſchwierige Zuſammenwirken vieler Freier in demſelben Geſchäft auf die einfachſte Weiſe
herbei. Wir kommen darauf gleich zurück.
f) Liegen ſo die Vorbedingungen für den Großbetrieb in allgemein ſtaatlichen,
wirtſchaftlich-techniſchen und ſocialen, ſowie rechtlichen Verhältniſſen und ihren Folgen, ſo
iſt die ſpeciell treibende Urſache, die ihn Schritt für Schritt weiter ausdehnt, die Kon-
kurrenz einerſeits, die Vereinheitlichung der Bedürfniſſe, der begehrten Waren in immer
weiteren Gebieten andererſeits. Nur ſoweit Tauſende und Millionen dasſelbe begehren,
kann man es in großen Betrieben für ſie herſtellen. Aller individuelle Bedarf erfordert
eine ſpecialiſierte, d. h. eine Produktion in kleinem Umfang. Die Vereinheitlichung der
Bedürfniſſe wird heute durch den Verkehr, die Preſſe, das Reiſen gefördert, vor allem
aber dadurch, daß die beſſeren und billigeren Produkte, ſoweit ſie leicht transportabel ſind,
durch die zunehmende Konkurrenz überall angeboten werden. Der Druck der Konkurrenz
wäre nicht möglich, wenn nicht der große Betrieb an ſo vielen Punkten beſſer und
billiger produzierte. Er kann es, weil er leiſtungsfähigere, dauerhafte, ſociale Körper
darſtellt, mit kaufmänniſchen und techniſchen Intelligenzen an der Spitze, mit gut ein-
geſchulten, hoch bezahlten Werkmeiſtern und Arbeitern produziert, Markt, Bedarf,
Kreditverhältniſſe beſſer kennt und benutzt, die neueſten, beſten techniſchen Methoden
anwendet, über größere Kapitalien, beſſere Reklame verfügt als die kleinen Geſchäfte. —
Immer iſt die Geſtaltung des Großbetriebes in den verſchiedenen Zweigen der
Volkswirtſchaft eine ſehr verſchiedene, und ſeiner Zunahme ſtehen in vielen Gebieten teils
hiſtoriſche, teils dauernde Hinderniſſe im Wege. Darüber noch einige Worte.
In der Landwirtſchaft erzeugt der Großbetrieb wohl auch ein Syſtem nebeneinander
liegender Ställe, Vorratshäuſer, Werkſtätten und Maſchinenräume, eine vermehrte
Kapitalanwendung, aber keine Centraliſierung der Arbeit in Fabrikgebäuden; die wich-
tigſten Arbeiten bleiben decentraliſiert, wie noch mehr im großen Forſtbetrieb. Daß
der Großbetrieb der Landwirtſchaft den kleinen nicht beſeitigt, ſahen wir ſchon mehrfach;
er ſtellt gegenüber dem rationell verbeſſerten Kleinbetrieb mehr eine bloße Summierung
als eine Steigerung der Kräfte und Produktionsmittel dar, während der kleine Forſt-
betrieb meiſt unvollkommen bleibt, ſchon weil er eine Schlageinteilung in 30—120 Schläge,
von welchen einer jährlich abgetrieben wird, nicht geſtattet. Das große Bergwerk hat
ſeine Maſchinen und Förderhäuſer, aber die techniſche Arbeit iſt unten in den Schächten
und weit auseinander liegenden Gängen decentraliſiert. Sein Kapital und ſeine Technik
iſt aber ſo ausgebildet, daß der kleine Betrieb verſchwinden muß. Die Großbetriebe des
Verkehrs haben centrale Anlagen für Wagenparks, Schiffe, Werkſtätten, aber die
Thätigkeit zerſtreut ſich über die Eiſenbahn- und Schiffslinien. Die Hamburg-Amerika-
Linie hat auf dem Lande heute ein Perſonal von 8145, auf 80 Oceandampfern ein
ſolches von 6120 Perſonen. Die Verkehrsorganiſation ſtrebt heute am allermeiſten nach
Großbetrieb und Centraliſation; immer aber erhalten ſich auch viele kleine lokale Ver-
kehrsgeſchäfte; die Beherbergungsgewerbe, die unſere Statiſtik zum Verkehr rechnet, ſind
überwiegend Klein- und Mittelbetriebe, weil ſie dem örtlichen Bedarfe dienen. Die
großen Bankbetriebe, vielleicht die älteſten der neueren Großbetriebsentwickelung, haben
weder einen großen Maſchinenapparat und feſte Kapitalanlagen, noch ein ſo ſehr großes
Perſonal, ihr Schwerpunkt liegt in ihrem umlaufenden Kapital; decentraliſiert und doch
einheitlich war ihre Geſchäftsthätigkeit frühe; die Florentiner Geſellſchaft der Peruzzi
hatte Anfang des 14. Jahrhunderts ſchon 14 Filialen und 150 Faktoren in der ganzen
Welt. Die Deutſche Bank in Berlin beſchäftigte 1895 am Orte in ihren Rieſengebäuden
und 16 Depoſitenſtellen 1005 Perſonen, 617 in ihren außerhalb Berlins befindlichen
Filialen und Niederlaſſungen. Das kleine Bankgeſchäft geht heute raſch zurück; aber
immer erhält es ſich für beſtimmte Klaſſen und Bedürfniſſe; die örtliche Perſonen- und
Sachkenntnis iſt am ſicherſten von kleinen Ortsgeſchäften, freilich teilweiſe auch von
Filialen großer Geſchäfte zu erreichen. Die großen Warenhäuſer der neueſten Zeit, die
Rieſenbazare, die großen Verkaufsgeſchäfte haben bedeutende techniſch-maſchinelle Ein-
richtungen, aber im übrigen liegt ihr Schwerpunkt in ihrem Perſonal und ihrem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |