Dagegen betrug die Zahl der Fabrikarbeiter mit Einschluß der Weber im Jahre 1861 50147 Personen; noch 1849 waren es 17105 gewesen. Nicht weniger als 15649 Handwerker sind in den 10 Jahren von 1852--62 aus Baden ausgewandert, meist nach Amerika, um dort jenseit des Ozeans sich den Heerd zu gründen, für den sie in der Heimath keinen Platz mehr fanden. Viele frühere Meister sind auch als Arbeiter in Fabriken eingetreten. Dietz versichert, daß nunmehr durch diese Aenderung die Lage der übrig- gebliebenen Handwerker im Lande sich wesentlich gebessert habe.
Bis zum 15. Oktober 1862 hatte in Baden der Zunftzwang gedauert; seither existirt Gewerbefreiheit; war die Ausübung des Zunftzwangs sowie des obrig- keitlichen Konzessionswesens auch nicht allzustrenge gewesen, immer fühlte man sich beengt; und vor Allem war etwas erschwert, was in solchen Zeiten allgemeiner Umbildung der Technik und der Gliederung der Arbeitskräfte erleich- tert werden sollte, der Uebergang zu andern Geschäften und Betrieben, die Uebersiedlung nach andern Orten. Das ist jetzt leichter, und insofern war die Gewerbe- freiheit auch eine momentane Erleichterung für das Kleingewerbe. 1 Abgesehen aber hiervon, drückt die Kon- kurrenz der Großindustrie jetzt noch mehr als vorher. 2 Der Zunftzwang war für manchen kleinen unvollkom- menen Betrieb noch eine Art Schutzmauer, die jetzt
1 Dietz S. 145.
2 S. Viebahn III, 548.
Die Aufnahmen der kleinern Staaten.
Dagegen betrug die Zahl der Fabrikarbeiter mit Einſchluß der Weber im Jahre 1861 50147 Perſonen; noch 1849 waren es 17105 geweſen. Nicht weniger als 15649 Handwerker ſind in den 10 Jahren von 1852—62 aus Baden ausgewandert, meiſt nach Amerika, um dort jenſeit des Ozeans ſich den Heerd zu gründen, für den ſie in der Heimath keinen Platz mehr fanden. Viele frühere Meiſter ſind auch als Arbeiter in Fabriken eingetreten. Dietz verſichert, daß nunmehr durch dieſe Aenderung die Lage der übrig- gebliebenen Handwerker im Lande ſich weſentlich gebeſſert habe.
Bis zum 15. Oktober 1862 hatte in Baden der Zunftzwang gedauert; ſeither exiſtirt Gewerbefreiheit; war die Ausübung des Zunftzwangs ſowie des obrig- keitlichen Konzeſſionsweſens auch nicht allzuſtrenge geweſen, immer fühlte man ſich beengt; und vor Allem war etwas erſchwert, was in ſolchen Zeiten allgemeiner Umbildung der Technik und der Gliederung der Arbeitskräfte erleich- tert werden ſollte, der Uebergang zu andern Geſchäften und Betrieben, die Ueberſiedlung nach andern Orten. Das iſt jetzt leichter, und inſofern war die Gewerbe- freiheit auch eine momentane Erleichterung für das Kleingewerbe. 1 Abgeſehen aber hiervon, drückt die Kon- kurrenz der Großinduſtrie jetzt noch mehr als vorher. 2 Der Zunftzwang war für manchen kleinen unvollkom- menen Betrieb noch eine Art Schutzmauer, die jetzt
1 Dietz S. 145.
2 S. Viebahn III, 548.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0128"n="106"/><fwplace="top"type="header">Die Aufnahmen der kleinern Staaten.</fw><lb/><p>Dagegen betrug die Zahl der Fabrikarbeiter mit<lb/>
Einſchluß der Weber im Jahre 1861 50147 Perſonen;<lb/>
noch 1849 waren es 17105 geweſen. Nicht weniger<lb/>
als 15649 Handwerker ſind in den 10 Jahren von<lb/>
1852—62 aus Baden ausgewandert, meiſt nach<lb/>
Amerika, um dort jenſeit des Ozeans ſich den Heerd<lb/>
zu gründen, für den ſie in der Heimath keinen Platz<lb/>
mehr fanden. Viele frühere Meiſter ſind auch als<lb/>
Arbeiter in Fabriken eingetreten. Dietz verſichert, daß<lb/>
nunmehr durch dieſe Aenderung die Lage der übrig-<lb/>
gebliebenen Handwerker im Lande ſich weſentlich gebeſſert<lb/>
habe.</p><lb/><p>Bis zum 15. Oktober 1862 hatte in Baden der<lb/>
Zunftzwang gedauert; ſeither exiſtirt Gewerbefreiheit;<lb/>
war die Ausübung des Zunftzwangs ſowie des obrig-<lb/>
keitlichen Konzeſſionsweſens auch nicht allzuſtrenge geweſen,<lb/>
immer fühlte man ſich beengt; und vor Allem war etwas<lb/>
erſchwert, was in ſolchen Zeiten allgemeiner Umbildung<lb/>
der Technik und der Gliederung der Arbeitskräfte erleich-<lb/>
tert werden ſollte, der Uebergang zu andern Geſchäften<lb/>
und Betrieben, die Ueberſiedlung nach andern Orten.<lb/>
Das iſt jetzt leichter, und inſofern war die Gewerbe-<lb/>
freiheit auch eine momentane Erleichterung für das<lb/>
Kleingewerbe. <noteplace="foot"n="1">Dietz S. 145.</note> Abgeſehen aber hiervon, drückt die Kon-<lb/>
kurrenz der Großinduſtrie jetzt noch mehr als vorher. <noteplace="foot"n="2">S. Viebahn <hirendition="#aq">III</hi>, 548.</note><lb/>
Der Zunftzwang war für manchen kleinen unvollkom-<lb/>
menen Betrieb noch eine Art Schutzmauer, die jetzt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[106/0128]
Die Aufnahmen der kleinern Staaten.
Dagegen betrug die Zahl der Fabrikarbeiter mit
Einſchluß der Weber im Jahre 1861 50147 Perſonen;
noch 1849 waren es 17105 geweſen. Nicht weniger
als 15649 Handwerker ſind in den 10 Jahren von
1852—62 aus Baden ausgewandert, meiſt nach
Amerika, um dort jenſeit des Ozeans ſich den Heerd
zu gründen, für den ſie in der Heimath keinen Platz
mehr fanden. Viele frühere Meiſter ſind auch als
Arbeiter in Fabriken eingetreten. Dietz verſichert, daß
nunmehr durch dieſe Aenderung die Lage der übrig-
gebliebenen Handwerker im Lande ſich weſentlich gebeſſert
habe.
Bis zum 15. Oktober 1862 hatte in Baden der
Zunftzwang gedauert; ſeither exiſtirt Gewerbefreiheit;
war die Ausübung des Zunftzwangs ſowie des obrig-
keitlichen Konzeſſionsweſens auch nicht allzuſtrenge geweſen,
immer fühlte man ſich beengt; und vor Allem war etwas
erſchwert, was in ſolchen Zeiten allgemeiner Umbildung
der Technik und der Gliederung der Arbeitskräfte erleich-
tert werden ſollte, der Uebergang zu andern Geſchäften
und Betrieben, die Ueberſiedlung nach andern Orten.
Das iſt jetzt leichter, und inſofern war die Gewerbe-
freiheit auch eine momentane Erleichterung für das
Kleingewerbe. 1 Abgeſehen aber hiervon, drückt die Kon-
kurrenz der Großinduſtrie jetzt noch mehr als vorher. 2
Der Zunftzwang war für manchen kleinen unvollkom-
menen Betrieb noch eine Art Schutzmauer, die jetzt
1 Dietz S. 145.
2 S. Viebahn III, 548.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/128>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.