auch bei den Gehülfen; die Fleischer, die Gärtner, die Gerber, die Seifensieder, die Zimmerleute, die Schmiede, die Nadler, die Gürtler, die Seiler, die Posamentiere, die Böttcher haben 1861 weniger Hülfspersonal als 1847. Das beweist, daß der Hauptübelstand nicht in der Erschwerung des Meisterwerdens lag, sonst hätten die Gehülfen doch eher wachsen müssen; aber es beweist, daß die Zunftverfassung viele halbbeschäftigte Handwerker hält, die allerdings besser unter dem Sturmwind freier Konkurrenz vollends ganz beseitigt würden.
Mehr als alle erwähnten Gewerbe haben die Weber gelitten. Man hat es in Baiern weniger als anderswo verstanden, den modernen Fortschritten soweit zu folgen, daß, wenn auch mit geringen Löhnen, wenigstens die Existenz der Handweber gerettet wurde. Tuchmacherei und Wollweberei war von Alters her im ganzen Lande zu Hause, hauptsächlich aber in Schwaben, in Mittel- und Oberfranken, in der Oberpfalz und Niederbaiern, an der böhmischen Grenze. Von letzterer Gegend sagt der Berichterstatter in der Bavaria, Alois Schels:1 "die Tuchfabrikation beschäftigte vor Jahren im Vils- und Rottthale viele fleißige Hände; doch gegenwärtig liegen mehrere Realrechte brach und ist der frühere Industriebetrieb zum Kleingewerbe herabgesunken; ehe noch die mächtige Konkurrenz der andern zollvereinten Staaten eintrat, gab Präsident von Rudhart, der die Zustände und Bedürfnisse der ihm anvertrauten Pro- vinz wohl erkannte, den Tuchmachern die entsprechend-
1I, zweite Abtheilung S. 1050.
Die Aufnahmen der kleinern Staaten.
auch bei den Gehülfen; die Fleiſcher, die Gärtner, die Gerber, die Seifenſieder, die Zimmerleute, die Schmiede, die Nadler, die Gürtler, die Seiler, die Poſamentiere, die Böttcher haben 1861 weniger Hülfsperſonal als 1847. Das beweist, daß der Hauptübelſtand nicht in der Erſchwerung des Meiſterwerdens lag, ſonſt hätten die Gehülfen doch eher wachſen müſſen; aber es beweist, daß die Zunftverfaſſung viele halbbeſchäftigte Handwerker hält, die allerdings beſſer unter dem Sturmwind freier Konkurrenz vollends ganz beſeitigt würden.
Mehr als alle erwähnten Gewerbe haben die Weber gelitten. Man hat es in Baiern weniger als anderswo verſtanden, den modernen Fortſchritten ſoweit zu folgen, daß, wenn auch mit geringen Löhnen, wenigſtens die Exiſtenz der Handweber gerettet wurde. Tuchmacherei und Wollweberei war von Alters her im ganzen Lande zu Hauſe, hauptſächlich aber in Schwaben, in Mittel- und Oberfranken, in der Oberpfalz und Niederbaiern, an der böhmiſchen Grenze. Von letzterer Gegend ſagt der Berichterſtatter in der Bavaria, Alois Schels:1 „die Tuchfabrikation beſchäftigte vor Jahren im Vils- und Rottthale viele fleißige Hände; doch gegenwärtig liegen mehrere Realrechte brach und iſt der frühere Induſtriebetrieb zum Kleingewerbe herabgeſunken; ehe noch die mächtige Konkurrenz der andern zollvereinten Staaten eintrat, gab Präſident von Rudhart, der die Zuſtände und Bedürfniſſe der ihm anvertrauten Pro- vinz wohl erkannte, den Tuchmachern die entſprechend-
1I, zweite Abtheilung S. 1050.
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Die Aufnahmen der kleinern Staaten.
auch bei den Gehülfen; die Fleiſcher, die Gärtner, die
Gerber, die Seifenſieder, die Zimmerleute, die Schmiede,
die Nadler, die Gürtler, die Seiler, die Poſamentiere,
die Böttcher haben 1861 weniger Hülfsperſonal als
1847. Das beweist, daß der Hauptübelſtand nicht in
der Erſchwerung des Meiſterwerdens lag, ſonſt hätten
die Gehülfen doch eher wachſen müſſen; aber es beweist,
daß die Zunftverfaſſung viele halbbeſchäftigte Handwerker
hält, die allerdings beſſer unter dem Sturmwind freier
Konkurrenz vollends ganz beſeitigt würden.
Mehr als alle erwähnten Gewerbe haben die Weber
gelitten. Man hat es in Baiern weniger als anderswo
verſtanden, den modernen Fortſchritten ſoweit zu folgen,
daß, wenn auch mit geringen Löhnen, wenigſtens die
Exiſtenz der Handweber gerettet wurde. Tuchmacherei
und Wollweberei war von Alters her im ganzen Lande
zu Hauſe, hauptſächlich aber in Schwaben, in Mittel-
und Oberfranken, in der Oberpfalz und Niederbaiern,
an der böhmiſchen Grenze. Von letzterer Gegend ſagt
der Berichterſtatter in der Bavaria, Alois Schels: 1
„die Tuchfabrikation beſchäftigte vor Jahren im Vils-
und Rottthale viele fleißige Hände; doch gegenwärtig
liegen mehrere Realrechte brach und iſt der frühere
Induſtriebetrieb zum Kleingewerbe herabgeſunken; ehe
noch die mächtige Konkurrenz der andern zollvereinten
Staaten eintrat, gab Präſident von Rudhart, der die
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vinz wohl erkannte, den Tuchmachern die entſprechend-
1 I, zweite Abtheilung S. 1050.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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