Brot wurde selbst gefertigt; wenn man keinen eigenen Backofen hatte, wurden die Laibe in den Gemeinde- backofen oder in den Ofen des Bäckers gebracht und da fertig gebacken. Die Sorge für den Keller und seine Weinschätze, die Sorge für Instandhaltung der zahl- reichen Fässer, die Beobachtung der Gährung des neuen Weins, die Nachfüllung der Fässer, in denen der alte Wein sich befand, das war dem Küfer anvertraut, der jede Woche einmal kam, die Kellerschlüssel erhielt und ein paar Stunden sich im Keller zu thun machte. Der Hauptfesttag aber war der des Schlachtens. Der Flei- scher mit seinen Gesellen hatte ein oder mehrere Tage zu thun, bis die einzelnen Stücke in der richtig kompo- nirten Salzlauge lagen, bis die Würste dutzend- und hundertweise im Rauche hingen.
Kam endlich noch Landwirthschaft hinzu, hielt man Pferde, dann wurde auch der Sattler, der Stellmacher oder Wagner, der Schmied in ähnlicher Weise beschäftigt. Sie kamen ins Haus, zu bestimmten Zeiten oder herbei- gerufen, erhielten einen bestimmten Tage- oder Stücklohn, theilweise Aversalsummen fürs ganze Jahr, daneben meist auch Kost, Brot, jedenfalls einen Trunk Wein, Bier oder wenigstens Apfelmost.
Das Handwerkszeug und einige Hülfsstoffe hatte der Meister zu liefern, sonst brauchte er für diese Art der Geschäfte kaum Vorräthe an Rohstoffen zu halten, noch weniger an fertigen Waaren. Er hatte daneben wohl auch Vorräthe und Waaren zum Verkauf, aber selten in ausgedehntem Maße; dazu fehlte der sichere Absatz, wie das Kapital. Die Hausfrau mußte also die Vorräthe
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Brot wurde ſelbſt gefertigt; wenn man keinen eigenen Backofen hatte, wurden die Laibe in den Gemeinde- backofen oder in den Ofen des Bäckers gebracht und da fertig gebacken. Die Sorge für den Keller und ſeine Weinſchätze, die Sorge für Inſtandhaltung der zahl- reichen Fäſſer, die Beobachtung der Gährung des neuen Weins, die Nachfüllung der Fäſſer, in denen der alte Wein ſich befand, das war dem Küfer anvertraut, der jede Woche einmal kam, die Kellerſchlüſſel erhielt und ein paar Stunden ſich im Keller zu thun machte. Der Hauptfeſttag aber war der des Schlachtens. Der Flei- ſcher mit ſeinen Geſellen hatte ein oder mehrere Tage zu thun, bis die einzelnen Stücke in der richtig kompo- nirten Salzlauge lagen, bis die Würſte dutzend- und hundertweiſe im Rauche hingen.
Kam endlich noch Landwirthſchaft hinzu, hielt man Pferde, dann wurde auch der Sattler, der Stellmacher oder Wagner, der Schmied in ähnlicher Weiſe beſchäftigt. Sie kamen ins Haus, zu beſtimmten Zeiten oder herbei- gerufen, erhielten einen beſtimmten Tage- oder Stücklohn, theilweiſe Averſalſummen fürs ganze Jahr, daneben meiſt auch Koſt, Brot, jedenfalls einen Trunk Wein, Bier oder wenigſtens Apfelmoſt.
Das Handwerkszeug und einige Hülfsſtoffe hatte der Meiſter zu liefern, ſonſt brauchte er für dieſe Art der Geſchäfte kaum Vorräthe an Rohſtoffen zu halten, noch weniger an fertigen Waaren. Er hatte daneben wohl auch Vorräthe und Waaren zum Verkauf, aber ſelten in ausgedehntem Maße; dazu fehlte der ſichere Abſatz, wie das Kapital. Die Hausfrau mußte alſo die Vorräthe
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Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Brot wurde ſelbſt gefertigt; wenn man keinen eigenen
Backofen hatte, wurden die Laibe in den Gemeinde-
backofen oder in den Ofen des Bäckers gebracht und da
fertig gebacken. Die Sorge für den Keller und ſeine
Weinſchätze, die Sorge für Inſtandhaltung der zahl-
reichen Fäſſer, die Beobachtung der Gährung des neuen
Weins, die Nachfüllung der Fäſſer, in denen der alte
Wein ſich befand, das war dem Küfer anvertraut, der
jede Woche einmal kam, die Kellerſchlüſſel erhielt und
ein paar Stunden ſich im Keller zu thun machte. Der
Hauptfeſttag aber war der des Schlachtens. Der Flei-
ſcher mit ſeinen Geſellen hatte ein oder mehrere Tage
zu thun, bis die einzelnen Stücke in der richtig kompo-
nirten Salzlauge lagen, bis die Würſte dutzend- und
hundertweiſe im Rauche hingen.
Kam endlich noch Landwirthſchaft hinzu, hielt man
Pferde, dann wurde auch der Sattler, der Stellmacher
oder Wagner, der Schmied in ähnlicher Weiſe beſchäftigt.
Sie kamen ins Haus, zu beſtimmten Zeiten oder herbei-
gerufen, erhielten einen beſtimmten Tage- oder Stücklohn,
theilweiſe Averſalſummen fürs ganze Jahr, daneben meiſt
auch Koſt, Brot, jedenfalls einen Trunk Wein, Bier
oder wenigſtens Apfelmoſt.
Das Handwerkszeug und einige Hülfsſtoffe hatte
der Meiſter zu liefern, ſonſt brauchte er für dieſe Art
der Geſchäfte kaum Vorräthe an Rohſtoffen zu halten,
noch weniger an fertigen Waaren. Er hatte daneben wohl
auch Vorräthe und Waaren zum Verkauf, aber ſelten in
ausgedehntem Maße; dazu fehlte der ſichere Abſatz, wie
das Kapital. Die Hausfrau mußte alſo die Vorräthe
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/202>, abgerufen am 22.11.2024.
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