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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die vagabundirenden Hausirer.
Arbeitsscheu schwellte damals den Hausirhandel unnatür-
lich an. Die Bevölkerung ganzer Dörfer, ganzer Gegen-
den hatte sich in fahrende Diebs- und Räuberbanden
verwandelt. Mißbräuche aller Art nahmen zu. Schleich-
handel, Kundschafterei für Diebsbanden, Diebshehlerei,
wenn nicht Schlimmeres, Quacksalberei, systematischer
Betrug, Verkauf unsittlicher Bilder und verbotener
Schriften galten für identisch mit Hausirhandel, und bis
in die neuere Zeit trifft man nur allzureiche Spuren
hiervon.

Eine gewaltthätige Gesetzgebung suchte dieses Gesindel
wieder zu seßhaftem Leben zu bringen, suchte mit allen
Mitteln diesem unsteten Leben entgegen zu wirken; und
als längst schon in andern Gebieten die abstrakte Theorie
von der Freiheit alles wirthschaftlichen Verkehrs als
unbedingtes Dogma galt, war in Bezug auf den Hausir-
handel Theorie und Praxis einig, war bemüht, den
Hausirhandel möglichst zu beschränken, das stehende Ge-
werbe vor seiner Konkurrenz zu schützen. Von diesem
Geiste sind die Hausirgesetze bis in die neuere Zeit
beherrscht. Auf diesem Standpunkt steht z. B. noch 1841
Hoffmann,1 dem Rönne2 dieselben Worte noch 1851
unbedingt nachspricht, wenn er sagt: "Die Fortdauer
des Gewerbebetriebs im Umherziehen auf der Bildungs-
stufe, worauf sich Deutschland und Preußen insbesondere
befindet, ist eine merkwürdige Erscheinung. Eine Noth-
wendigkeit derselben ist durchaus unerweislich."

1 Die Befugniß zum Gewerbebetrieb S. 240.
2 Gewerbepolizei II. 224.
Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 16

Die vagabundirenden Hauſirer.
Arbeitsſcheu ſchwellte damals den Hauſirhandel unnatür-
lich an. Die Bevölkerung ganzer Dörfer, ganzer Gegen-
den hatte ſich in fahrende Diebs- und Räuberbanden
verwandelt. Mißbräuche aller Art nahmen zu. Schleich-
handel, Kundſchafterei für Diebsbanden, Diebshehlerei,
wenn nicht Schlimmeres, Quackſalberei, ſyſtematiſcher
Betrug, Verkauf unſittlicher Bilder und verbotener
Schriften galten für identiſch mit Hauſirhandel, und bis
in die neuere Zeit trifft man nur allzureiche Spuren
hiervon.

Eine gewaltthätige Geſetzgebung ſuchte dieſes Geſindel
wieder zu ſeßhaftem Leben zu bringen, ſuchte mit allen
Mitteln dieſem unſteten Leben entgegen zu wirken; und
als längſt ſchon in andern Gebieten die abſtrakte Theorie
von der Freiheit alles wirthſchaftlichen Verkehrs als
unbedingtes Dogma galt, war in Bezug auf den Hauſir-
handel Theorie und Praxis einig, war bemüht, den
Hauſirhandel möglichſt zu beſchränken, das ſtehende Ge-
werbe vor ſeiner Konkurrenz zu ſchützen. Von dieſem
Geiſte ſind die Hauſirgeſetze bis in die neuere Zeit
beherrſcht. Auf dieſem Standpunkt ſteht z. B. noch 1841
Hoffmann,1 dem Rönne2 dieſelben Worte noch 1851
unbedingt nachſpricht, wenn er ſagt: „Die Fortdauer
des Gewerbebetriebs im Umherziehen auf der Bildungs-
ſtufe, worauf ſich Deutſchland und Preußen insbeſondere
befindet, iſt eine merkwürdige Erſcheinung. Eine Noth-
wendigkeit derſelben iſt durchaus unerweislich.“

1 Die Befugniß zum Gewerbebetrieb S. 240.
2 Gewerbepolizei II. 224.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 16
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[241/0263] Die vagabundirenden Hauſirer. Arbeitsſcheu ſchwellte damals den Hauſirhandel unnatür- lich an. Die Bevölkerung ganzer Dörfer, ganzer Gegen- den hatte ſich in fahrende Diebs- und Räuberbanden verwandelt. Mißbräuche aller Art nahmen zu. Schleich- handel, Kundſchafterei für Diebsbanden, Diebshehlerei, wenn nicht Schlimmeres, Quackſalberei, ſyſtematiſcher Betrug, Verkauf unſittlicher Bilder und verbotener Schriften galten für identiſch mit Hauſirhandel, und bis in die neuere Zeit trifft man nur allzureiche Spuren hiervon. Eine gewaltthätige Geſetzgebung ſuchte dieſes Geſindel wieder zu ſeßhaftem Leben zu bringen, ſuchte mit allen Mitteln dieſem unſteten Leben entgegen zu wirken; und als längſt ſchon in andern Gebieten die abſtrakte Theorie von der Freiheit alles wirthſchaftlichen Verkehrs als unbedingtes Dogma galt, war in Bezug auf den Hauſir- handel Theorie und Praxis einig, war bemüht, den Hauſirhandel möglichſt zu beſchränken, das ſtehende Ge- werbe vor ſeiner Konkurrenz zu ſchützen. Von dieſem Geiſte ſind die Hauſirgeſetze bis in die neuere Zeit beherrſcht. Auf dieſem Standpunkt ſteht z. B. noch 1841 Hoffmann, 1 dem Rönne 2 dieſelben Worte noch 1851 unbedingt nachſpricht, wenn er ſagt: „Die Fortdauer des Gewerbebetriebs im Umherziehen auf der Bildungs- ſtufe, worauf ſich Deutſchland und Preußen insbeſondere befindet, iſt eine merkwürdige Erſcheinung. Eine Noth- wendigkeit derſelben iſt durchaus unerweislich.“ 1 Die Befugniß zum Gewerbebetrieb S. 240. 2 Gewerbepolizei II. 224. Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 16

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/263>, abgerufen am 24.11.2024.