Ich erwähnte schon, wie wichtig die häuslichen Sitten, die Art der Familienwirthschaft sei. Der Stammescharakter und die wirtschaftliche Geschichte eines Volkes sind die allgemeinen Ursachen, von denen diese Sitten abhängen. Spezieller aber läßt sich behaupten, daß die Gesammtheit dieser Verhältnisse hauptsächlich wieder bedingt ist von der Vermögens- und Einkommensvertheilung einerseits, der Vertheilung der Bevölkerung in großen oder kleinen Städten, großen oder kleinen Dörfern anderseits.
Die Kleingewerbe sind da am stärksten, wo der kleine Grundbesitz und der kleine landwirtschaftliche Betrieb vorwaltet, wo zahlreiche große Dörfer statt der ansehnlichen Rittergüter mit wenigen Tagelöhnerhütten sind, wo viele kleinere und mittlere Städte statt weniger ganz großer Städte neben einem wenig bevölkerten platten Lande existiren. Ich glaube Lorenz Stein spricht es einmal aus, -- "die Vertheilung des Grundbesitzes gibt der ganzen Volkswirthschaft ihre Signatur." Das zeigt sich gerade hier sehr deutlich.
Wo der kleine Besitz vorherrscht, da steht sich Arm und Reich anders gegenüber, da bilden sich Anschauungen und Sitten durch alle Schichten der Gesellschaft hin- durch, welche die Gegensätze nicht so hervortreten lassen. Selbst die höheren Klassen der Gesellschaft, der Adel, die hohen Beamten, die Offiziere stehen in solchen Ländern mit ihren Gewohnheiten, Anschauungen und Bedürf- nissen nicht so über der Masse des Mittelstandes. Die maßgebenden Personen in der Regierung wie in den politischen Parteien stehen dem kleinen Mittelstande
Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
Ich erwähnte ſchon, wie wichtig die häuslichen Sitten, die Art der Familienwirthſchaft ſei. Der Stammescharakter und die wirtſchaftliche Geſchichte eines Volkes ſind die allgemeinen Urſachen, von denen dieſe Sitten abhängen. Spezieller aber läßt ſich behaupten, daß die Geſammtheit dieſer Verhältniſſe hauptſächlich wieder bedingt iſt von der Vermögens- und Einkommensvertheilung einerſeits, der Vertheilung der Bevölkerung in großen oder kleinen Städten, großen oder kleinen Dörfern anderſeits.
Die Kleingewerbe ſind da am ſtärkſten, wo der kleine Grundbeſitz und der kleine landwirtſchaftliche Betrieb vorwaltet, wo zahlreiche große Dörfer ſtatt der anſehnlichen Rittergüter mit wenigen Tagelöhnerhütten ſind, wo viele kleinere und mittlere Städte ſtatt weniger ganz großer Städte neben einem wenig bevölkerten platten Lande exiſtiren. Ich glaube Lorenz Stein ſpricht es einmal aus, — „die Vertheilung des Grundbeſitzes gibt der ganzen Volkswirthſchaft ihre Signatur.“ Das zeigt ſich gerade hier ſehr deutlich.
Wo der kleine Beſitz vorherrſcht, da ſteht ſich Arm und Reich anders gegenüber, da bilden ſich Anſchauungen und Sitten durch alle Schichten der Geſellſchaft hin- durch, welche die Gegenſätze nicht ſo hervortreten laſſen. Selbſt die höheren Klaſſen der Geſellſchaft, der Adel, die hohen Beamten, die Offiziere ſtehen in ſolchen Ländern mit ihren Gewohnheiten, Anſchauungen und Bedürf- niſſen nicht ſo über der Maſſe des Mittelſtandes. Die maßgebenden Perſonen in der Regierung wie in den politiſchen Parteien ſtehen dem kleinen Mittelſtande
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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
Ich erwähnte ſchon, wie wichtig die häuslichen
Sitten, die Art der Familienwirthſchaft ſei. Der
Stammescharakter und die wirtſchaftliche Geſchichte
eines Volkes ſind die allgemeinen Urſachen, von denen
dieſe Sitten abhängen. Spezieller aber läßt ſich
behaupten, daß die Geſammtheit dieſer Verhältniſſe
hauptſächlich wieder bedingt iſt von der Vermögens-
und Einkommensvertheilung einerſeits, der Vertheilung
der Bevölkerung in großen oder kleinen Städten, großen
oder kleinen Dörfern anderſeits.
Die Kleingewerbe ſind da am ſtärkſten, wo der
kleine Grundbeſitz und der kleine landwirtſchaftliche
Betrieb vorwaltet, wo zahlreiche große Dörfer ſtatt der
anſehnlichen Rittergüter mit wenigen Tagelöhnerhütten
ſind, wo viele kleinere und mittlere Städte ſtatt weniger
ganz großer Städte neben einem wenig bevölkerten platten
Lande exiſtiren. Ich glaube Lorenz Stein ſpricht es
einmal aus, — „die Vertheilung des Grundbeſitzes
gibt der ganzen Volkswirthſchaft ihre Signatur.“ Das
zeigt ſich gerade hier ſehr deutlich.
Wo der kleine Beſitz vorherrſcht, da ſteht ſich Arm
und Reich anders gegenüber, da bilden ſich Anſchauungen
und Sitten durch alle Schichten der Geſellſchaft hin-
durch, welche die Gegenſätze nicht ſo hervortreten laſſen.
Selbſt die höheren Klaſſen der Geſellſchaft, der Adel,
die hohen Beamten, die Offiziere ſtehen in ſolchen Ländern
mit ihren Gewohnheiten, Anſchauungen und Bedürf-
niſſen nicht ſo über der Maſſe des Mittelſtandes. Die
maßgebenden Perſonen in der Regierung wie in den
politiſchen Parteien ſtehen dem kleinen Mittelſtande
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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