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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Berufswahl des Lehrlings.
die Betreffenden häufig, weil es zunächst das Billigste ist,
durch Annahme weiterer Lehrlinge zu helfen, ohne Rück-
sicht auf die dauernde Bedürfnißfrage.1 Es giebt zeit-
weise Gewerbszweige, in welchen in Folge hiervon die
Lehrlingszahl die Gesellenzahl erreicht, während bei vier-
jähriger Lehr- und zwölfjähriger Gesellenzeit die Zahl
der Lehrlinge doch immer höchstens 1/3 der Gesellen
ausmachen sollte. Daraus erklärt sich, daß die frühere
Beschränkung der Lehrlingszahl nicht so ganz sinnlos
war, wie man oft meinte. Noch neuestens spricht sich
Richard Härtel2 in Beziehung auf die Buchdruckerei
aufs Entschiedenste dahin aus, daß auf die Dauer ein
ordentlicher Stand von Buchdruckergehülfen und -Arbei-
tern nur dann sich erhalten lasse, wenn die Druckerei-
besitzer der Versuchung einer zu starken Anwendung soge-
nannter Lehrlinge, d. h. unerwachsener Arbeiter wider-
stünden, wenn sie der alten Geschäftssitte treu bleiben,
auf drei Gehülfen einen, auf neun Gehülfen erst zwei
Lehrlinge zu halten.

Welches aber auch die Ursachen der anschwellenden
Gehülfen- und Lehrlingszahl im Einzelnen sein mögen,
so viel ist sicher, die alten Handwerkszustände müssen

1 Siehe ein schlagendes Beispiel derart bei Degenkolb,
Arbeitsverhältnisse, 2 te Aufl. Frankfurt 1849, S. 70 ff. Es
bezieht sich auf die Kattundrucker; eine übermäßige Annahme von
Lehrlingen 1833--40, der drückendste Ueberfluß an Gesellen
von 1840--46.
2 Vergl. den auch sonst interessanten Artikel "zur Lehrlings-
frage" im Correspondent, Wochenschrift für Deutschlands Buch-
drucker, Extrabeilage zu Nro. 11 vom 12. März 1869.

Die Berufswahl des Lehrlings.
die Betreffenden häufig, weil es zunächſt das Billigſte iſt,
durch Annahme weiterer Lehrlinge zu helfen, ohne Rück-
ſicht auf die dauernde Bedürfnißfrage.1 Es giebt zeit-
weiſe Gewerbszweige, in welchen in Folge hiervon die
Lehrlingszahl die Geſellenzahl erreicht, während bei vier-
jähriger Lehr- und zwölfjähriger Geſellenzeit die Zahl
der Lehrlinge doch immer höchſtens ⅓ der Geſellen
ausmachen ſollte. Daraus erklärt ſich, daß die frühere
Beſchränkung der Lehrlingszahl nicht ſo ganz ſinnlos
war, wie man oft meinte. Noch neueſtens ſpricht ſich
Richard Härtel2 in Beziehung auf die Buchdruckerei
aufs Entſchiedenſte dahin aus, daß auf die Dauer ein
ordentlicher Stand von Buchdruckergehülfen und -Arbei-
tern nur dann ſich erhalten laſſe, wenn die Druckerei-
beſitzer der Verſuchung einer zu ſtarken Anwendung ſoge-
nannter Lehrlinge, d. h. unerwachſener Arbeiter wider-
ſtünden, wenn ſie der alten Geſchäftsſitte treu bleiben,
auf drei Gehülfen einen, auf neun Gehülfen erſt zwei
Lehrlinge zu halten.

Welches aber auch die Urſachen der anſchwellenden
Gehülfen- und Lehrlingszahl im Einzelnen ſein mögen,
ſo viel iſt ſicher, die alten Handwerkszuſtände müſſen

1 Siehe ein ſchlagendes Beiſpiel derart bei Degenkolb,
Arbeitsverhältniſſe, 2 te Aufl. Frankfurt 1849, S. 70 ff. Es
bezieht ſich auf die Kattundrucker; eine übermäßige Annahme von
Lehrlingen 1833—40, der drückendſte Ueberfluß an Geſellen
von 1840—46.
2 Vergl. den auch ſonſt intereſſanten Artikel „zur Lehrlings-
frage“ im Correſpondent, Wochenſchrift für Deutſchlands Buch-
drucker, Extrabeilage zu Nro. 11 vom 12. März 1869.
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[345/0367] Die Berufswahl des Lehrlings. die Betreffenden häufig, weil es zunächſt das Billigſte iſt, durch Annahme weiterer Lehrlinge zu helfen, ohne Rück- ſicht auf die dauernde Bedürfnißfrage. 1 Es giebt zeit- weiſe Gewerbszweige, in welchen in Folge hiervon die Lehrlingszahl die Geſellenzahl erreicht, während bei vier- jähriger Lehr- und zwölfjähriger Geſellenzeit die Zahl der Lehrlinge doch immer höchſtens ⅓ der Geſellen ausmachen ſollte. Daraus erklärt ſich, daß die frühere Beſchränkung der Lehrlingszahl nicht ſo ganz ſinnlos war, wie man oft meinte. Noch neueſtens ſpricht ſich Richard Härtel 2 in Beziehung auf die Buchdruckerei aufs Entſchiedenſte dahin aus, daß auf die Dauer ein ordentlicher Stand von Buchdruckergehülfen und -Arbei- tern nur dann ſich erhalten laſſe, wenn die Druckerei- beſitzer der Verſuchung einer zu ſtarken Anwendung ſoge- nannter Lehrlinge, d. h. unerwachſener Arbeiter wider- ſtünden, wenn ſie der alten Geſchäftsſitte treu bleiben, auf drei Gehülfen einen, auf neun Gehülfen erſt zwei Lehrlinge zu halten. Welches aber auch die Urſachen der anſchwellenden Gehülfen- und Lehrlingszahl im Einzelnen ſein mögen, ſo viel iſt ſicher, die alten Handwerkszuſtände müſſen 1 Siehe ein ſchlagendes Beiſpiel derart bei Degenkolb, Arbeitsverhältniſſe, 2 te Aufl. Frankfurt 1849, S. 70 ff. Es bezieht ſich auf die Kattundrucker; eine übermäßige Annahme von Lehrlingen 1833—40, der drückendſte Ueberfluß an Geſellen von 1840—46. 2 Vergl. den auch ſonſt intereſſanten Artikel „zur Lehrlings- frage“ im Correſpondent, Wochenſchrift für Deutſchlands Buch- drucker, Extrabeilage zu Nro. 11 vom 12. März 1869.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/367>, abgerufen am 24.11.2024.