stand des Bürgerstandes zerstört haben und die haupt- sächlichsten derselben mögen in falschen Abgabensystemen, in der Verwandlung einträglicher Gewerbe in Fabrik- anstalten, in der Aufhebung oder Beeinträchtigung der Innungen und in den Handelseinschränkungen zu suchen sein."
Wir wollen mit Krug hier nicht rechten, in wie weit er Recht hat mit seinen Klagen, mit den Ursachen, die er anführt. Er vermengt Wahres mit Falschem; er sieht vorübergehende Mißstände zu Ende des Jahr- hunderts für dauernde Ursachen an; er verkennt man- ches Gute, weil es neu ist, weil es ihm als zusammen- hängend mit verderblichem Luxus erscheint1 -- aber so viel beweisen seine Worte, blühend war das Hand- werk des 18. Jahrhunderts nicht.
Suchen wir nun Einiges über die Zahlen der Handwerker und ihrer Gehülfen beizubringen.
Der vorhin schon erwähnte Unterschied in der Rückwirkung der allgemeinen Zustände auf die Zahl der Handwerker mußte sich zeigen Hauptsächlich zwischen den reinen Lokalgewerben, die für den täglichen Absatz die nothwendigsten Waaren liefern, und jenen, die ent- behrlichere Waaren, sowie Waaren für den entfernteren Absatz produziren. Bei letztern wird der Ruin viel schneller eintreten, die Meisterzahl wird rasch sinken;
1 Die statistischen Belege, welche er von den Städten der Kurmark als Beweis des Verfalls anführt, zeigen wohl einzelnes Schlimme, aber zum größern Theile beweisen sie das Gegentheil, nämlich den volkswirthschaftlichen Fortschritt der kurmärkischen Städte.
Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 2
Die Klagen über gewerbliche Noth.
ſtand des Bürgerſtandes zerſtört haben und die haupt- ſächlichſten derſelben mögen in falſchen Abgabenſyſtemen, in der Verwandlung einträglicher Gewerbe in Fabrik- anſtalten, in der Aufhebung oder Beeinträchtigung der Innungen und in den Handelseinſchränkungen zu ſuchen ſein.“
Wir wollen mit Krug hier nicht rechten, in wie weit er Recht hat mit ſeinen Klagen, mit den Urſachen, die er anführt. Er vermengt Wahres mit Falſchem; er ſieht vorübergehende Mißſtände zu Ende des Jahr- hunderts für dauernde Urſachen an; er verkennt man- ches Gute, weil es neu iſt, weil es ihm als zuſammen- hängend mit verderblichem Luxus erſcheint1 — aber ſo viel beweiſen ſeine Worte, blühend war das Hand- werk des 18. Jahrhunderts nicht.
Suchen wir nun Einiges über die Zahlen der Handwerker und ihrer Gehülfen beizubringen.
Der vorhin ſchon erwähnte Unterſchied in der Rückwirkung der allgemeinen Zuſtände auf die Zahl der Handwerker mußte ſich zeigen Hauptſächlich zwiſchen den reinen Lokalgewerben, die für den täglichen Abſatz die nothwendigſten Waaren liefern, und jenen, die ent- behrlichere Waaren, ſowie Waaren für den entfernteren Abſatz produziren. Bei letztern wird der Ruin viel ſchneller eintreten, die Meiſterzahl wird raſch ſinken;
1 Die ſtatiſtiſchen Belege, welche er von den Städten der Kurmark als Beweis des Verfalls anführt, zeigen wohl einzelnes Schlimme, aber zum größern Theile beweiſen ſie das Gegentheil, nämlich den volkswirthſchaftlichen Fortſchritt der kurmärkiſchen Städte.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0039"n="17"/><fwplace="top"type="header">Die Klagen über gewerbliche Noth.</fw><lb/>ſtand des Bürgerſtandes zerſtört haben und die haupt-<lb/>ſächlichſten derſelben mögen in falſchen Abgabenſyſtemen,<lb/>
in der Verwandlung einträglicher Gewerbe in Fabrik-<lb/>
anſtalten, in der Aufhebung oder Beeinträchtigung der<lb/>
Innungen und in den Handelseinſchränkungen zu ſuchen<lb/>ſein.“</p><lb/><p>Wir wollen mit Krug hier nicht rechten, in wie<lb/>
weit er Recht hat mit ſeinen Klagen, mit den Urſachen,<lb/>
die er anführt. Er vermengt Wahres mit Falſchem;<lb/>
er ſieht vorübergehende Mißſtände zu Ende des Jahr-<lb/>
hunderts für dauernde Urſachen an; er verkennt man-<lb/>
ches Gute, weil es neu iſt, weil es ihm als zuſammen-<lb/>
hängend mit verderblichem Luxus erſcheint<noteplace="foot"n="1">Die ſtatiſtiſchen Belege, welche er von den Städten<lb/>
der Kurmark als Beweis des Verfalls anführt, zeigen wohl<lb/>
einzelnes Schlimme, aber zum größern Theile beweiſen ſie<lb/>
das Gegentheil, nämlich den volkswirthſchaftlichen Fortſchritt der<lb/>
kurmärkiſchen Städte.</note>— aber<lb/>ſo viel beweiſen ſeine Worte, blühend war das Hand-<lb/>
werk des 18. Jahrhunderts nicht.</p><lb/><p>Suchen wir nun Einiges über die Zahlen der<lb/>
Handwerker und ihrer Gehülfen beizubringen.</p><lb/><p>Der vorhin ſchon erwähnte Unterſchied in der<lb/>
Rückwirkung der allgemeinen Zuſtände auf die Zahl<lb/>
der Handwerker mußte ſich zeigen Hauptſächlich zwiſchen<lb/>
den reinen Lokalgewerben, die für den täglichen Abſatz<lb/>
die nothwendigſten Waaren liefern, und jenen, die ent-<lb/>
behrlichere Waaren, ſowie Waaren für den entfernteren<lb/>
Abſatz produziren. Bei letztern wird der Ruin viel<lb/>ſchneller eintreten, die Meiſterzahl wird raſch ſinken;<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Schmoller,</hi> Geſch. d. Kleingewerbe. 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[17/0039]
Die Klagen über gewerbliche Noth.
ſtand des Bürgerſtandes zerſtört haben und die haupt-
ſächlichſten derſelben mögen in falſchen Abgabenſyſtemen,
in der Verwandlung einträglicher Gewerbe in Fabrik-
anſtalten, in der Aufhebung oder Beeinträchtigung der
Innungen und in den Handelseinſchränkungen zu ſuchen
ſein.“
Wir wollen mit Krug hier nicht rechten, in wie
weit er Recht hat mit ſeinen Klagen, mit den Urſachen,
die er anführt. Er vermengt Wahres mit Falſchem;
er ſieht vorübergehende Mißſtände zu Ende des Jahr-
hunderts für dauernde Urſachen an; er verkennt man-
ches Gute, weil es neu iſt, weil es ihm als zuſammen-
hängend mit verderblichem Luxus erſcheint 1 — aber
ſo viel beweiſen ſeine Worte, blühend war das Hand-
werk des 18. Jahrhunderts nicht.
Suchen wir nun Einiges über die Zahlen der
Handwerker und ihrer Gehülfen beizubringen.
Der vorhin ſchon erwähnte Unterſchied in der
Rückwirkung der allgemeinen Zuſtände auf die Zahl
der Handwerker mußte ſich zeigen Hauptſächlich zwiſchen
den reinen Lokalgewerben, die für den täglichen Abſatz
die nothwendigſten Waaren liefern, und jenen, die ent-
behrlichere Waaren, ſowie Waaren für den entfernteren
Abſatz produziren. Bei letztern wird der Ruin viel
ſchneller eintreten, die Meiſterzahl wird raſch ſinken;
1 Die ſtatiſtiſchen Belege, welche er von den Städten
der Kurmark als Beweis des Verfalls anführt, zeigen wohl
einzelnes Schlimme, aber zum größern Theile beweiſen ſie
das Gegentheil, nämlich den volkswirthſchaftlichen Fortſchritt der
kurmärkiſchen Städte.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/39>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.