selten. Der Spinner war selbständiger Unternehmer, Eigen- thümer des von ihm verarbeiteten Rohstoffs. Strenge gehandhabte Vorschriften über den Flachshandel, über die Garnmaße und Benennungen, über die Zahl der Fäden, welche eine Strähne, ein Gebinde enthalten mußte, über getrennten Verkauf von Kette und Schuß- garn erhielten die Geschäfte reell, schafften den Produkten Vertrauen im Ausland.
Während so in Deutschland die Spinnerei neben der Weberei sich entwickelt hatte, mußten andere Länder ihr Leinengarn für die Weberei aus dem Ausland beziehen. So besonders Irland, das schon damals eine nicht unbedeutende Leinenweberei hatte. Irland allein bezog jährlich etwa 16 Millionen Pfund deutsches und holländisches Leinengarn. 1 Da mußte, nach der Erfin- dung der Baumwollspinnmaschine, der Gedanke nahe liegen, diese Maschine auch für die Flachsspinnerei zu verwenden. Aber es stellten sich diesem Versuche die größten Schwierigkeiten entgegen. Der Flachs erträgt das gleichmäßige Ziehen der Maschine viel weniger als die Baumwolle, die Anfeuchtung des ausgezogenen Flachses durch die Spinner wußte man lange nicht zu ersetzen. Die Herstellung der Maschinen war sehr kost- spielig; die ersten mechanischen Flachsspinnereien arbeite- ten unvollkommen und theuer. Weder die feinen, noch die ganz groben Nummern konnte man vorerst auf der Maschine spinnen.
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1843, S. 969 ff. Ueber die deutsche Leinenindustrie und den deutschen Leinwandhandel.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ſelten. Der Spinner war ſelbſtändiger Unternehmer, Eigen- thümer des von ihm verarbeiteten Rohſtoffs. Strenge gehandhabte Vorſchriften über den Flachshandel, über die Garnmaße und Benennungen, über die Zahl der Fäden, welche eine Strähne, ein Gebinde enthalten mußte, über getrennten Verkauf von Kette und Schuß- garn erhielten die Geſchäfte reell, ſchafften den Produkten Vertrauen im Ausland.
Während ſo in Deutſchland die Spinnerei neben der Weberei ſich entwickelt hatte, mußten andere Länder ihr Leinengarn für die Weberei aus dem Ausland beziehen. So beſonders Irland, das ſchon damals eine nicht unbedeutende Leinenweberei hatte. Irland allein bezog jährlich etwa 16 Millionen Pfund deutſches und holländiſches Leinengarn. 1 Da mußte, nach der Erfin- dung der Baumwollſpinnmaſchine, der Gedanke nahe liegen, dieſe Maſchine auch für die Flachsſpinnerei zu verwenden. Aber es ſtellten ſich dieſem Verſuche die größten Schwierigkeiten entgegen. Der Flachs erträgt das gleichmäßige Ziehen der Maſchine viel weniger als die Baumwolle, die Anfeuchtung des ausgezogenen Flachſes durch die Spinner wußte man lange nicht zu erſetzen. Die Herſtellung der Maſchinen war ſehr koſt- ſpielig; die erſten mechaniſchen Flachsſpinnereien arbeite- ten unvollkommen und theuer. Weder die feinen, noch die ganz groben Nummern konnte man vorerſt auf der Maſchine ſpinnen.
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1843, S. 969 ff. Ueber die deutſche Leineninduſtrie und den deutſchen Leinwandhandel.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0480"n="458"/><fwplace="top"type="header">Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.</fw><lb/>ſelten. Der Spinner war ſelbſtändiger Unternehmer, Eigen-<lb/>
thümer des von ihm verarbeiteten Rohſtoffs. Strenge<lb/>
gehandhabte Vorſchriften über den Flachshandel, über<lb/>
die Garnmaße und Benennungen, über die Zahl der<lb/>
Fäden, welche eine Strähne, ein Gebinde enthalten<lb/>
mußte, über getrennten Verkauf von Kette und Schuß-<lb/>
garn erhielten die Geſchäfte reell, ſchafften den Produkten<lb/>
Vertrauen im Ausland.</p><lb/><p>Während ſo in Deutſchland die Spinnerei neben<lb/>
der Weberei ſich entwickelt hatte, mußten andere Länder<lb/>
ihr Leinengarn für die Weberei aus dem Ausland<lb/>
beziehen. So beſonders Irland, das ſchon damals eine<lb/>
nicht unbedeutende Leinenweberei hatte. Irland allein<lb/>
bezog jährlich etwa 16 Millionen Pfund deutſches und<lb/>
holländiſches Leinengarn. <noteplace="foot"n="1">Zollvereinsblatt, Jahrg. 1843, S. 969 ff. Ueber die<lb/>
deutſche Leineninduſtrie und den deutſchen Leinwandhandel.</note> Da mußte, nach der Erfin-<lb/>
dung der Baumwollſpinnmaſchine, der Gedanke nahe<lb/>
liegen, dieſe Maſchine auch für die Flachsſpinnerei zu<lb/>
verwenden. Aber es ſtellten ſich dieſem Verſuche die<lb/>
größten Schwierigkeiten entgegen. Der Flachs erträgt<lb/>
das gleichmäßige Ziehen der Maſchine viel weniger als<lb/>
die Baumwolle, die Anfeuchtung des ausgezogenen<lb/>
Flachſes durch die Spinner wußte man lange nicht zu<lb/>
erſetzen. Die Herſtellung der Maſchinen war ſehr koſt-<lb/>ſpielig; die erſten mechaniſchen Flachsſpinnereien arbeite-<lb/>
ten unvollkommen und theuer. Weder die feinen, noch<lb/>
die ganz groben Nummern konnte man vorerſt auf der<lb/>
Maſchine ſpinnen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[458/0480]
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ſelten. Der Spinner war ſelbſtändiger Unternehmer, Eigen-
thümer des von ihm verarbeiteten Rohſtoffs. Strenge
gehandhabte Vorſchriften über den Flachshandel, über
die Garnmaße und Benennungen, über die Zahl der
Fäden, welche eine Strähne, ein Gebinde enthalten
mußte, über getrennten Verkauf von Kette und Schuß-
garn erhielten die Geſchäfte reell, ſchafften den Produkten
Vertrauen im Ausland.
Während ſo in Deutſchland die Spinnerei neben
der Weberei ſich entwickelt hatte, mußten andere Länder
ihr Leinengarn für die Weberei aus dem Ausland
beziehen. So beſonders Irland, das ſchon damals eine
nicht unbedeutende Leinenweberei hatte. Irland allein
bezog jährlich etwa 16 Millionen Pfund deutſches und
holländiſches Leinengarn. 1 Da mußte, nach der Erfin-
dung der Baumwollſpinnmaſchine, der Gedanke nahe
liegen, dieſe Maſchine auch für die Flachsſpinnerei zu
verwenden. Aber es ſtellten ſich dieſem Verſuche die
größten Schwierigkeiten entgegen. Der Flachs erträgt
das gleichmäßige Ziehen der Maſchine viel weniger als
die Baumwolle, die Anfeuchtung des ausgezogenen
Flachſes durch die Spinner wußte man lange nicht zu
erſetzen. Die Herſtellung der Maſchinen war ſehr koſt-
ſpielig; die erſten mechaniſchen Flachsſpinnereien arbeite-
ten unvollkommen und theuer. Weder die feinen, noch
die ganz groben Nummern konnte man vorerſt auf der
Maſchine ſpinnen.
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1843, S. 969 ff. Ueber die
deutſche Leineninduſtrie und den deutſchen Leinwandhandel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/480>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.