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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Wollspinnerei in früherer Zeit.
und dem Spinnrad zu liefern hatte, niemals ein so
bedeutendes Gewerbe, wie die Flachsspinnerei; sie war
selten ein selbständiges Gewerbe wie jene.

Auch im Mittelalter bildeten nur in den größten und
blühendsten Städten der damaligen Tuchindustrie die
Wollschläger, die Wollkämmer und die Wollspinner
eigene Zünfte. Meist wurde das Schlagen der Wolle
von den Tuchmachern selbst besorgt; das Kämmen wurde
beinahe durchaus von Frauen um Lohn betrieben und
selbst das Spinnen war mehr Nebenbeschäftigung der
untern Klassen überhaupt; vielfach hielten sich die Weber
eigene Knechte und Mägde zu diesem Geschäfte.1 Das
vorige Jahrhundert, dessen Wollindustrie die der früheren
Zeit ja im Durchschnitt keinenfalls erreichte, kannte zwar
neben der Hausspinnerei professionsmäßige Spinner,
aber nicht in zu großer Zahl; die armen Leute in den
Städten der Wollindustrie, in nächster Nähe der Tuch-
macher und Raschmacher gaben sich damit ab. Sie
bildeten nicht wie die Leinenspinner ganze Kolonien auf
dem Lande.2 Sie waren nicht Unternehmer, wie jene;
sie waren zum Einkauf des Rohmaterials viel zu arm.
Die Wolle war zu theuer, der Wollhandel war schon
entwickelt, selbst die Webermeister waren theilweise ja
zu arm, Wolle selbst zu kaufen. Das Bild, das uns
aus den zahlreichen Reglements des vorigen Jahr-

1 (Hildebrand) zur Geschichte der deutschen Wollindustrie,
in Hildebrand's Jahrbücher VII, S. 90.
2 Justi, Abhandlung von denen Manufaktur- und
Fabrikenreglements zur Ergänzung seines Werkes von denen
Manufakturen und Fabriken, Berlin und Leipzig 1762. S. 48.

Die Wollſpinnerei in früherer Zeit.
und dem Spinnrad zu liefern hatte, niemals ein ſo
bedeutendes Gewerbe, wie die Flachsſpinnerei; ſie war
ſelten ein ſelbſtändiges Gewerbe wie jene.

Auch im Mittelalter bildeten nur in den größten und
blühendſten Städten der damaligen Tuchinduſtrie die
Wollſchläger, die Wollkämmer und die Wollſpinner
eigene Zünfte. Meiſt wurde das Schlagen der Wolle
von den Tuchmachern ſelbſt beſorgt; das Kämmen wurde
beinahe durchaus von Frauen um Lohn betrieben und
ſelbſt das Spinnen war mehr Nebenbeſchäftigung der
untern Klaſſen überhaupt; vielfach hielten ſich die Weber
eigene Knechte und Mägde zu dieſem Geſchäfte.1 Das
vorige Jahrhundert, deſſen Wollinduſtrie die der früheren
Zeit ja im Durchſchnitt keinenfalls erreichte, kannte zwar
neben der Hausſpinnerei profeſſionsmäßige Spinner,
aber nicht in zu großer Zahl; die armen Leute in den
Städten der Wollinduſtrie, in nächſter Nähe der Tuch-
macher und Raſchmacher gaben ſich damit ab. Sie
bildeten nicht wie die Leinenſpinner ganze Kolonien auf
dem Lande.2 Sie waren nicht Unternehmer, wie jene;
ſie waren zum Einkauf des Rohmaterials viel zu arm.
Die Wolle war zu theuer, der Wollhandel war ſchon
entwickelt, ſelbſt die Webermeiſter waren theilweiſe ja
zu arm, Wolle ſelbſt zu kaufen. Das Bild, das uns
aus den zahlreichen Reglements des vorigen Jahr-

1 (Hildebrand) zur Geſchichte der deutſchen Wollinduſtrie,
in Hildebrand’s Jahrbücher VII, S. 90.
2 Juſti, Abhandlung von denen Manufaktur- und
Fabrikenreglements zur Ergänzung ſeines Werkes von denen
Manufakturen und Fabriken, Berlin und Leipzig 1762. S. 48.
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[475/0497] Die Wollſpinnerei in früherer Zeit. und dem Spinnrad zu liefern hatte, niemals ein ſo bedeutendes Gewerbe, wie die Flachsſpinnerei; ſie war ſelten ein ſelbſtändiges Gewerbe wie jene. Auch im Mittelalter bildeten nur in den größten und blühendſten Städten der damaligen Tuchinduſtrie die Wollſchläger, die Wollkämmer und die Wollſpinner eigene Zünfte. Meiſt wurde das Schlagen der Wolle von den Tuchmachern ſelbſt beſorgt; das Kämmen wurde beinahe durchaus von Frauen um Lohn betrieben und ſelbſt das Spinnen war mehr Nebenbeſchäftigung der untern Klaſſen überhaupt; vielfach hielten ſich die Weber eigene Knechte und Mägde zu dieſem Geſchäfte. 1 Das vorige Jahrhundert, deſſen Wollinduſtrie die der früheren Zeit ja im Durchſchnitt keinenfalls erreichte, kannte zwar neben der Hausſpinnerei profeſſionsmäßige Spinner, aber nicht in zu großer Zahl; die armen Leute in den Städten der Wollinduſtrie, in nächſter Nähe der Tuch- macher und Raſchmacher gaben ſich damit ab. Sie bildeten nicht wie die Leinenſpinner ganze Kolonien auf dem Lande. 2 Sie waren nicht Unternehmer, wie jene; ſie waren zum Einkauf des Rohmaterials viel zu arm. Die Wolle war zu theuer, der Wollhandel war ſchon entwickelt, ſelbſt die Webermeiſter waren theilweiſe ja zu arm, Wolle ſelbſt zu kaufen. Das Bild, das uns aus den zahlreichen Reglements des vorigen Jahr- 1 (Hildebrand) zur Geſchichte der deutſchen Wollinduſtrie, in Hildebrand’s Jahrbücher VII, S. 90. 2 Juſti, Abhandlung von denen Manufaktur- und Fabrikenreglements zur Ergänzung ſeines Werkes von denen Manufakturen und Fabriken, Berlin und Leipzig 1762. S. 48.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/497>, abgerufen am 22.11.2024.