Es sind meist Leute, welche wegen mangelnder morali- scher, geistiger und technischer Bildung auch für das Assoziationswesen, welches ihnen ihre frühere Selbständig- keit erhalten könnte, wenig oder gar nicht brauchbar und empfänglich sind. Ich komme auf diesen Punkt zurück und gehe zunächst zur Baumwollweberei über.
Dieselbe hat im Allgemeinen total andere Schicksale aufzuweisen; wie die Leineweberei im Ganzen zurückging, ging sie vorwärts; sie verdrängte jene ja vielfach; eine rapid wachsende Ausfuhr gab ihr von Jahr zu Jahr größern Spielraum; -- und doch ist die Geschichte der deutschen Baumwollweber, d. h. der Arbeiter, eine fast eben so traurige, als die der Leineweber.
Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die Weberei von Baumwollstoffen noch nicht sehr bedeutend. Sie hatte sich von den Niederlanden her am Nieder- rhein, in Kursachsen, in Oberfranken, auch in Branden- burg und Schlesien verbreitet. In Augsburg blühte neben der Weberei schon die Kattundruckerei. Es wur- den auch schon deutsche Waaren exportirt, aber der Import überwog. Und daraus ist erklärlich, daß die Kontinentalsperre dem Geschäfte einen großen Impuls gab; der täglich steigende Bedarf des innern Marktes war zu decken, Frankreich, Italien und Oestreich boten einen großen jetzt den Engländern versperrten Markt. Die Entwicklung war besonders im Königreich Sachsen, aber auch anderwärts, außerordentlich. Es handelte sich damals überwiegend um kleine Geschäfte, es waren ja meist junge Anfänger.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Es ſind meiſt Leute, welche wegen mangelnder morali- ſcher, geiſtiger und techniſcher Bildung auch für das Aſſoziationsweſen, welches ihnen ihre frühere Selbſtändig- keit erhalten könnte, wenig oder gar nicht brauchbar und empfänglich ſind. Ich komme auf dieſen Punkt zurück und gehe zunächſt zur Baumwollweberei über.
Dieſelbe hat im Allgemeinen total andere Schickſale aufzuweiſen; wie die Leineweberei im Ganzen zurückging, ging ſie vorwärts; ſie verdrängte jene ja vielfach; eine rapid wachſende Ausfuhr gab ihr von Jahr zu Jahr größern Spielraum; — und doch iſt die Geſchichte der deutſchen Baumwollweber, d. h. der Arbeiter, eine faſt eben ſo traurige, als die der Leineweber.
Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die Weberei von Baumwollſtoffen noch nicht ſehr bedeutend. Sie hatte ſich von den Niederlanden her am Nieder- rhein, in Kurſachſen, in Oberfranken, auch in Branden- burg und Schleſien verbreitet. In Augsburg blühte neben der Weberei ſchon die Kattundruckerei. Es wur- den auch ſchon deutſche Waaren exportirt, aber der Import überwog. Und daraus iſt erklärlich, daß die Kontinentalſperre dem Geſchäfte einen großen Impuls gab; der täglich ſteigende Bedarf des innern Marktes war zu decken, Frankreich, Italien und Oeſtreich boten einen großen jetzt den Engländern verſperrten Markt. Die Entwicklung war beſonders im Königreich Sachſen, aber auch anderwärts, außerordentlich. Es handelte ſich damals überwiegend um kleine Geſchäfte, es waren ja meiſt junge Anfänger.
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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Es ſind meiſt Leute, welche wegen mangelnder morali-
ſcher, geiſtiger und techniſcher Bildung auch für das
Aſſoziationsweſen, welches ihnen ihre frühere Selbſtändig-
keit erhalten könnte, wenig oder gar nicht brauchbar
und empfänglich ſind. Ich komme auf dieſen Punkt
zurück und gehe zunächſt zur Baumwollweberei über.
Dieſelbe hat im Allgemeinen total andere Schickſale
aufzuweiſen; wie die Leineweberei im Ganzen zurückging,
ging ſie vorwärts; ſie verdrängte jene ja vielfach; eine
rapid wachſende Ausfuhr gab ihr von Jahr zu Jahr
größern Spielraum; — und doch iſt die Geſchichte der
deutſchen Baumwollweber, d. h. der Arbeiter, eine faſt
eben ſo traurige, als die der Leineweber.
Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die
Weberei von Baumwollſtoffen noch nicht ſehr bedeutend.
Sie hatte ſich von den Niederlanden her am Nieder-
rhein, in Kurſachſen, in Oberfranken, auch in Branden-
burg und Schleſien verbreitet. In Augsburg blühte
neben der Weberei ſchon die Kattundruckerei. Es wur-
den auch ſchon deutſche Waaren exportirt, aber der
Import überwog. Und daraus iſt erklärlich, daß die
Kontinentalſperre dem Geſchäfte einen großen Impuls
gab; der täglich ſteigende Bedarf des innern Marktes
war zu decken, Frankreich, Italien und Oeſtreich boten
einen großen jetzt den Engländern verſperrten Markt.
Die Entwicklung war beſonders im Königreich Sachſen,
aber auch anderwärts, außerordentlich. Es handelte
ſich damals überwiegend um kleine Geſchäfte, es waren
ja meiſt junge Anfänger.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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